Paulis Ginczek und der Kindheitstraum

Hamburg (dpa) - Kaum war der Schlusspfiff ertönt, schnappte sich Daniel Ginczek den verdreckten Ball, stopfte ihn unter sein verschwitztes Trikot und gab ihn fortan nicht mehr her. Stolz stolzierte der Torjäger des FC St. Pauli über den Rasen des Hamburger Millerntor-Stadions und streichelte dabei zärtlich die Kugel.

Es sah aus, als wäre er schwanger. „Ein Kindheitstraum ist in Erfüllung gegangen“, meinte er versonnen. Der 21 Jahre alte Mittelstürmer hatte beim 3:0 im Fußball-Zweitligaspiel gegen den Tabellenvierten FSV Frankfurt alle Tore erzielt.

Ginczek hätte am liebsten die Zeit angehalten. „Das ist ein Supertag“, befand er überglücklich und grübelte, wo er den ungewöhnlich gehorsamen Ball künftig deponieren sollte. „Der kriegt einen würdigen Platz in meiner Wohnung“, bestimmte er nach kurzem Überlegen und klopfte zufrieden auf seinen Kugelbauch. „Gleich da, wo ihn jeder sieht, wenn er reinkommt.“

Beinahe wäre der Glücksball noch wertvoller geworden, als er ohnehin schon war. „Günni“, wie seine Teamkameraden Ginzcek nennen, hatte in der elften Minute den Pfosten getroffen. So blieb es beim Dreier-Pack. Drei Tore waren ihm in seiner jungen Profi-Karriere noch nie geglückt. In der Jugend und in der 3. Liga schon. Aber im Top-Bereich, dort, wo alle hingucken, wo die Fernsehkameras jede Aktion von rechts, von links, von vorn und in Slow Motion einfangen, noch nie.

„Das zweite Tor war das beste von den dreien“, fand Ginczek. Ein 50-Meter-Solo von der Mittellinie schloss die Leihgabe von Borussia Dortmund trotz Bedrängnis gekonnt ab. Auch der Lupfer über Gäste-Torwart Patric Klandt nach weitem Steilpass zum 1:0 war ein Premiumprodukt. Und das im Abstiegskampf, nach fünf sieglosen Spielen des FC St. Pauli.

Nach dem zweiten Tor stürmte der nunmehr zehnfache Schütze auf seinen Manager Rachid Azzouzi zu und triumphierte schadenfroh. „Ich hatte ihm vorher gesagt, einen Doppelpack schaffst du nicht“, gestand Azzouzi seine Provokation mit pädagogischem Hintergrund. Die zeigte Wirkung. Ginczek war es ein Bedürfnis, seinen Manager der Falschaussage zu überführen. „Ich habe die Wette gewonnen. Jetzt kann ich mit meiner Freundin schön essen gehen. Das wird teuer“, verkündete der Sauerländer genüsslich.

Seit dem Sommer spielt der schnelle Mittelstürmer für die Hamburger. Die würden ihn liebend gern behalten. „Ich fühle mich hier sehr wohl“, betonte der Gefeierte. Ob Leihgeber Borussia Dortmund da mitspielt, ist allerdings fraglich. Zumal der Meister am Saisonende vermutlich auf Stürmersuche gehen muss. Ginczeks Vertrag in Hamburg läuft bis Saisonende, die Gebühr von 100 000 Euro ist überschaubar. Mit jedem Tor aber wird der Hoffnungsträger teurer. „Dortmund hat sich bisher nicht gemeldet“, meinte der U-21-Nationalspieler achselzuckend. Die Prioritäten jedoch hat er klar gesetzt: „Wenn Dortmund sich meldet, sollte man die Chance nutzen.“