Fußball 3. Liga Der MSV Duisburg und seine vielen Baustellen
Duisburg · Der zweite Trainer ist gescheitert und auch der Sportdirektor verspürt heftigen Gegenwind. Wie konnte es beim Drittligisten so weit kommen?
Die niederrheinische Tiefebene macht sich nun auch in der Tabelle der 3. Liga deutlich bemerkbar. Während der KFC Uerdingen nach der Einleitung eines Insolvenzverfahrens und dem damit verbundenen Abzug von drei Punkten Tuchfühlung zur Abstiegszone aufgenommen hat, trägt der MSV Duisburg die rote Laterne. Nach dem 1:3 im Kellerduell beim FSV Zwickau wurdeTrainer Gino Lettieri entlassen. Wie konnte es zu diesem Absturz kommen, nachdem vergangene Saison der Aufstieg knapp verpasst wurde?
Tor
Die einzige Position, auf der der MSV glänzen kann. Leo Weinkauf wurde vom „kicker“ zum besten Drittliga-Torwart der Hinrunde gekürt. Der 24-Jährige bewahrte die Zebras oft vor größerem Schaden. Ironie des Schicksals: Weinkauf hatte in der vergangenen Saison mit zwei Patzern dem MSV den Aufstieg gekostet.
Abwehr
Sie ist mit 37 Gegentreffern die schlechteste der Liga. Schon vergangene Saison wurde das Verhalten bei gegnerischen Standards bemängelt, besser geworden ist es auch durch die Zugänge Dominik Schmidt und Dominic Volkmer nicht. Stets unterläuft irgendeinem Verteidiger ein gravierender Fehler. Dazu mangelt es an Stellungsspiel, Antizipation sowie Geschwindigkeit.
Mittelfeld
Zur Defensive gehört auch das zentrale Mittelfeld, wo der MSV in Folge des verpassten Aufstiegs sein Herzstück verloren hat. Die Qualität des Duos Tim Albutat und Yassin Ben-Balla erreichen Zugang Wilson Kamavuaka und sein oft wechselnder Partner nicht. Ob der häufigen Personal-Rochaden fehlt es auf dieser neuralgischen Position an Automatismen. Bei der Spieleröffnung fehlen Ideen. Mirnes Pepic hat die von Lukas Daschner hinterlassene Lücke nicht schließen können, Moritz Stoppelkamp leidet unter den Folgen seiner Erkrankung (Pfeiffersches Drüsenfieber).
Angriff
Mit 24 Trefferm lässt der MSV zwar sieben Teams schlechter dastehen, doch der Schein trügt. Vier dieser Teams haben weniger Spiele absolviert, zudem zeichnet allein Vincent Vermeij mit sieben Treffern und vier Tor-Vorlagen für 45 Prozent des Duisburger Jubels verantwortlich. Nun aber fällt ausgerechnet der Niederländer mit einem Bänderriss im Knie bis Mitte März aus. Der für Petar Sliskovic geholte Orhan Ademi konnte wie Ahmet Engin und Leroy-Jacques Mickels nur selten die gegnersichen Abwehrreihen das Fürchten lehren.
Kader
Bereits vergangene Saison hat sich ob der vielen englischen Wochen die fehlende Breite im Kader negativ ausgewirkt. In dieser Winter-Transferperiode hat der MSV reagiert und in Stefan Velkov (Innenverteidiger/Uerdingen), Marlon Frey (defensives Mittelfeld/Sandhausen) sowie Federico Palacios (offensives Mittelfeld/Regensburg) nachgelegt. Bis Ende Januar soll zudem ein weiterer Stürmer kommen. Dies alles auch deswegen, weil die jungen Spieler Vincent Gembalies (21), Darius Ghindovean (19) oder Sinan Karweina (21) mit dem Kampf gegen den Abstieg überfordert scheinen.
Trainer
Nach acht Spielen musste Torsten Lieberknecht gehen. Sein Punkteschnitt bei zwei Siegen, zwei Unentschieden und vier Niederlagen ist mit 1,0 besser als der von Nachfolger Gino Lettieri. Dieser holte bei zwei Erfolgen, vier Remis sowie sechs Pleiten nur 0,83 Zähler pro Spiel. Wer auf Lettieri folgt, ist offen. Gehandelt werden Marco Antwerpen, Uwe Koschinat, auch Pavel Dotchev könnte ein Kandidat sein. Der die 3. Liga gut kennende Bulgare musste gerade bei Viktoria Köln seinen Platz just für Lieberknecht räumen. Dotchev zum MSV wäre also eine skurrile Geschichte, ebenso wie Friedhelm Funkel. Den übrigens wollte der MSV schon im November als Nachfolger von Lieberknecht holen . . .
Sportdirektor
Seit 2011 ist Ivo Grlic in dieser Funktion beim MSV. Mit Herzblut, Geschick und dem nötigen Glück hat der frühere Profi der „Zebras“ mehr richtig als falsch gemacht. Nun aber weht ihm der Wind von Fanseite rauh ins Gesicht. Schon der unnötige Abstieg 2019 wurde ihm angelastet, jetzt kommen die rückblickend als Panikreaktion einzustufende Entlassung von Lieberknecht und der auch vom Verein völlig falsch eingeschätzte Fehlgriff mit Lettieri hinzu. Darüber hinaus waren im vergangenen Sommer nahezu sämtliche Transfers des 45-jährigen Müncheners ein Flop.
Finanzen und Aussichten
Immerhin ein kleiner Lichtblick – die Nachlizenzierung wurde mit Hilfe der Firma „Capelli Sport“ erfolgreich bestanden. Der als Sponsor tätige Ausrüster hat seine Kapitaleinlage von 10,1 auf 40,1 Prozent erhöht, darüber hinaus Verbindlichkeiten des MSV aufgelöst und 5,4 Millionen Euro zur Finanzierung neuer Spieler bereitgestellt. Auch im Falle des Abstiegs will „Capelli Sport“ an Bord bleiben. Dass dieses Szenario eintritt, scheint derzeit durchaus realistisch.