Bundesliga Bayer Leverkusens Heiko Herrlich unter Zugzwang

Leverkusen. · Nach dem dürftigen 2:2 gegen Hannover 96 geht es in den nächsten beiden Spielen für den Trainer von Bayer Leverkusen um die berufliche Zukunft.

Angeschlagen: Leverkusens Trainer Heiko Herrlich nach dem mühevollen Remis gegen Lieblingsgegner Hannover 96.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Es war eine bizarre Situation, die sich den Zuschauern in der BayArena am Samstag unmittelbar nach dem Abpfiff des Spiels von Bayer 04 Leverkusen gegen Hannover 96 bot. Während aus den Lautsprechern „Wir sind die Macht am Rhein“ erklang, schallte der Werkself beim Gang zu den Fans ein gellendes Pfeifkonzert entgegen. In der Schlussphase des Spiels hatten die Anhänger bereits „Wir wollen euch kämpfen sehen“ skandiert - als das 2:2 (1:1) feststand, gab es sowohl „Völler raus“- als auch „Herrlich raus“-Rufe. „Ich kann die Fans verstehen. Wir wollen ihnen Freude bereiten, doch die bisher erreichte Zahl an Punkten entspricht nicht unserem Anspruch“, sagte Trainer Heiko Herrlich.

Vor der Saison hatten der 46-Jährige, seine Spieler und auch alle Verantwortlichen im Hintergrund die Qualifikation für die Champions League als klares Ziel formuliert. Mit Blick auf die Qualität des Kaders keineswegs realitätsfremd. Nach acht Spieltagen aber sieht diese Realität die Werkself mit acht Punkten und bereits 15 Gegentoren der Abstiegszone deutlich näher als den internationalen Plätzen. Die Geduld der Fans ist erschöpft. Lediglich das späte 2:2 von Karim Bellarabi in der 94. Minute hat das Fass noch nicht vollends zum Überlaufen gebracht.

Das 0:0 beim SC Freiburg vor der Länderspielpause war als Fortschritt bezeichnet worden, die Begegnung mit Hannover 96 nun sollte der endgültige Aufbruch zur Aufholjagd werden. Schließlich wurden gegen die Niedersachsen die vergangenen zehn Heimspiele mit einem Torverhältnis von 27:3 allesamt gewonnen. Solch einen Lieblingsgegner stellte sonst nur von 1982 bis 2007 der MSV Duisburg dar. Doch selbst gegen die nach dem Platzverweis von Felipe (57.) lange dezimierten 96er reichte es am Ende lediglich zu einem Last-Minute-Remis. „Das ist zu wenig“, konstatierte Kapitän Lars Bender.

Herrlich hadert mit fehlendem Selbstvertrauen und Spielglück, was die Leichtigkeit negativ beeinflusse. Dabei hatte seine Mannschaft bei den eher schmeichelhaften Siegen gegen Mainz und in Düsseldorf just Spielglück. Spielerisch, taktisch sowie von der Einstellung her kann sie dennoch keine Fortschritte aufweisen. Es bleibt beim steten Bemühen und was das heißt, weiß jeder, der sich schon einmal ein Zeugnis hat ausstellen lassen.

Zwei schwere Auswärtsspiele
in Zürich und Bremen

Lars Bender – in der 34. Minute Torschütze zum 1:1 – redete seinen Mitspielern daher ins Gewissen. „Diese Saison wird nun harte Arbeit und jeder muss sich jetzt die Frage gefallen lassen, ob er diese harte Arbeit über volle 90 Minuten anzunehmen bereit ist. Dazu gehört absolute Überzeugung und heute sind wir meiner Meinung nach in etlichen Situationen nicht mit der absoluten Überzeugung zu Werke gegangen“, sagte Bender. Schon nach dem zweiten Spieltag hatte Ersatztorwart Ramazan Özcan die Mentalität einiger Kollegen kritisiert. „Mir fehlt es an Besessenheit, Galligkeit und Gier“, meinte Özcan.

Die Frage nach dem Charakter der Profis wird in Leverkusen die Trainerfrage maßgeblich beeinflussen und zwar schnell. Gibt es nach dem Europa-League-Spiel beim FC Zürich am Donnerstag und drei Tage später in der Bundesliga bei Werder Bremen einen ähnlich blutleeren Auftritt wie gegen Hannover, dann sind die Tage von Heiko Herrlich gezählt. Zwar hat er die Werks­elf vergangene Saison zweifelsfrei belebt, nun aber könnte er ein Opfer der Zeit werden. In Ralph Hasenhüttl ist ein Trainer, dessen Philosophie für Leverkusens Kader maßgeschneidert erscheint, frei. Bevor dieser vom Markt verschwindet, dürfte Bayer bei anhaltender Misere zugreifen.