Fohlen-Elf verharrt weiter im Mittelmaß Verkehrte Welt im Gladbacher Borussia-Park

Mönchengladbach · Gladbach dümpelt weiter im Mittelmaß. Der Traum von prickelnder Atmosphäre auf großer Bühne ist Illusion. Es gibt große Lücken und große Fragen.

Manu Koné gilt als unverzichtbar im Gladbacher Spiel. Spieler seines Typs sind auf dem Transfermarkt derzeit heiß begehrt.

Foto: dpa/Federico Gambarini

Verkehrte Fußball-Welt? Das „kleine“ Freiburg ist stabil und auf Europa-Tournee, das einst „große“ Gladbach dümpelt weiter im Mittelmaß. „Zweimal gegen Juve, wann erlebt man das schon. Das ist ein echter Höhepunkt in der Geschichte unseres Vereins.“ Trainer Christian Streich ist stolz auf seine Freiburger und genießt den Augenblick, kann sich aber auch gut in die Gladbacher Herzen hineinversetzen. In zwei Tagen wartet auf die Freiburger im norditalienischen Turin das Hinspiel im Achtelfinale der Europa-League. Die Generalprobe in Mönchengladbach ließ zwar spielerisch manche Wünsche offen, ging aber nicht gänzlich daneben. Mit dem torlosen Unentschieden bei Borussia Mönchengladbach war der Tabellenfünfte der Bundesliga gleichwohl gut bedient. „Wir sind stabil geblieben und fahren nicht unzufrieden nach Hause“, bemerkte Streich, „trotzdem können wir uns bei unserem Torhüter Mark Flekken bedanken, dass er uns im Spiel gehalten hat.“

Fast im Vorbeigehen stimmte der 57-jährige Fußball-Lehrer noch ein Hohelied auf Gladbach mit seiner reichen Europapokal-Historie ein. „Das ist doch Wahnsinn, dass Freiburg in Turin spielt, eigentlich müsste Gladbach doch dabei sein. Aber im Moment ist es halt so. Die Borussia befindet sich in einer Umbruchphase. Das ist auch nichts Ungewöhnliches, kann sich wieder ändern. Jetzt aber sind wir dran. Das ist doch großartig.“ Aus alledem spürt man, dass Streich eine gewisse Sympathie für die Fohlen-Elf nicht verhehlen kann: „Schon als junger Bursche habe ich für die Gladbacher geschwärmt.“ Sprach’s und verließ eiligen Schrittes den Presseraum im Borussia-Park.

Während auf den SC Freiburg also in dieser Woche eine spektakuläre Europapokalaufgabe wartet, stehen bei Borussia Mönchengladbach höhere Ansprüche derzeit nicht im Einklang mit der Realität. Der Traum von prickelnder Atmosphäre auf großer Bühne ist Illusion. Christoph Kramer, Weltmeister von 2014 und eine gewichtige Stimme innerhalb der Mannschaft, hält dann auch mit seiner Meinung nicht hinterm Berg. „Die Ergebnisse lassen es derzeit nicht zu, dass man übers internationale Geschäft reden kann.“

Zu weit weg ist das Team von Daniel Farke von den Top-Plätzen, zu wankelmütig präsentiert sich die Borussia im bisherigen Saisonverlauf. Mal Highlight, mal biedere Kost. Umso bemerkenswerter ist die Tatsache, dass die Fans der Fohlen-Elf in dieser Saison dem Klub die Bude einrennen. Auch gegen Freiburg kamen mehr als 53 000 Leute in die Arena. Das Publikum will Volldampf-Fußball sehen und träumt von großen Spielen und großer Kulisse. Als Borussia Mönchengladbach vor zwei Jahren in der Champions League spielte und Mannschaften wie Inter Mailand oder Real Madrid zu Gast hatte, war die Corona-Welle in vollem Gange. Keine Zuschauer, keine Stimmung, kein Applaus. Die Zeit stand still. Das ist glücklicherweise vorbei. Nun ist es allerdings der SC Freiburg, der die internationalen Begegnungen erleben darf, derweil die Borussia zuschauen muss.

Große Lücken,
große Fragen

Nach den atemberaubenden Siegen in der Bundesliga gegen Leipzig, München oder Dortmund, sowie dem Derby-Triumph gegen Köln wirkten die Gastgeber inzwischen gegen einen weiteren Top-Klub durchaus gefestigt und brachten den SC Freiburg, ohne zu glänzen, sogar an den Rand einer Niederlage. „Wir haben heute sehr gut und leidenschaftlich verteidigt und hätten das Spiel gewinnen müssen“, sagte Sportdirektor Roland Virkus, „meiner Meinung hatten wir in der Summe die besseren Chancen.“ Wohl wahr, aber erneut fehlte der letzte Punch in der Offensive, in der Vizeweltmeister Marcus Thuram und sein französischer Mannschaftskollege Alassane Plea im Jahr 2023 merklich an Effizienz eingebüßt haben.

Thurams Vertrag läuft in Gladbach aus. Dass er den Verein verlässt, ist so gut wie sicher. Ein Hochkaräter also (elf Treffer, Fünfter der Torjägerliste), der eine große Lücke hinterlassen dürfte. Gerade auf dieser Position einen Nachfolger zu finden, ist eine der großen Herausforderungen für die Macher im Borussia-Park. Auf jeden Fall kommen die Verantwortlichen nicht daran vorbei, nach den durch Corona bedingten unausgegorenen Transferperioden, dem Kader in den kommenden Jahren ein neues Gesicht zu verleihen. Die großen Fragen: Mit welchem Personal soll der Umbruch eingeleitet werden? Auf welche Typen wollen Cheftrainer Farke und Sportdirektor Virkus setzen, was ist in puncto Transfers finanziell machbar? An welchem Punkt sind ihnen die Hände gebunden? „Wir müssen davon ausgehen, dass zum Beispiel Marcus Thuram, Ramy Bensebaini oder auch andere Spieler, deren Verträge auslaufen, den Klub verlassen werden“, sagt Roland Virkus. „Wir beobachten den Markt und schauen, was möglich ist und was nicht.“

Zunächst einmal gilt es für die niederrheinische Borussia, in den restlichen elf Begegnungen die Chance auf Rang sieben als Minimum nicht einfach liegenzulassen, sondern weiter verbissen, um jeden Punkt zu kämpfen. „Drei Punkte zu holen, ist immer das Wichtigste. Ob wir dafür leiden, gut spielen oder nicht so gut spielen, das ist am Ende egal“, sagte Mittelfeldspieler Manu Koné. „Wir dürfen an gar nichts anderes denken, außer daran, das Spiel gewinnen zu wollen. Ob vor den eigenen Fans oder auswärts.“ Koné ist ein herausragender Akteur im Kader der Fohlen-Elf und mit seinen 21 Jahren schon fast unentbehrlich im Rhythmus des Gladbacher Spiels. Er sorgt für Tempo, ist kampf- und spielstark und hat gestalterische Fähigkeiten. Sein Vertrag läuft noch bis 2024, was zunächst beruhigend klingt. Andererseits ist der Franzose der Typ Profi, der auf dem Markt begehrt ist. Koné hat im Gladbach-Kollektiv den höchsten Marktwert (25 Millionen Euro) nach Marcus Thuram (32 Millionen Euro). Auch das könnte im Sommer ein Problem werden, und deshalb ist es nicht ausgeschlossen, dass sich in der neuen Spielzeit an den Machtverhältnissen wenig verändert: Freiburg weiter vor Gladbach.