Die Gladbacher haben heute die große Chance, sich im Borussia-Park das Ticket fürs Pokal-Viertelfinale zu sichern. Wie lautet Ihre Prognose?
Ehemaliger Top-Stürmer der Fohlen-Elf Gladbach im DFB-Pokal gegen Wolfsburg: „Riesenchance nutzen im Alles-oder-Nichts-Spiel“
Interview | Mönchengladbach · Mit Borussia Mönchengladbach wurde Heiko Herrlich 1995 DFB-Pokalsieger. Gegen den VfL Wolfsburg traf er damals im Finale. Ein Interview.
Bei den Anhängern von Borussia Mönchengladbach hat es bei der Auslosung des Achtelfinales im DFB-Pokal Anfang November gleich „Klick“ gemacht, und auch Heiko Herrlich, ehemaliger Top-Stürmer in der Fohlen-Elf der 90er Jahre, konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen. Am Dienstagabend trifft Borussia Mönchengladbach in der Runde der letzten 16 Teams auf den VfL Wolfsburg (20.45 Uhr, live in der ARD). Am 24. Juni 1995 war das die Endspielpaarung im Berliner Olympiastadion und Heiko Herrlich einer der Hauptdarsteller beim 3:0-Sieg gegen die Niedersachsen. Im Gespräch mit dieser Zeitung erinnert sich der 51-jährige Fußball-Lehrer und ehemalige Profi an seine Zeit bei der niederrheinischen Borussia, seine Karriere generell, spricht über die Entwicklung seiner ehemaligen Klubs und seine Pläne.
Heiko Herrlich: Es ist ein Alles-oder-Nichts-Spiel, das ist das Spezielle in diesem Wettbewerb. Es geht allein ums Weiterkommen. Das ist das Ziel. Natürlich ist der Heimvorteil ein echtes Pfund, zudem reißt Wolfsburg auswärts keine Bäume aus. Trotzdem: Es kann auch bis zum Schluss spitz auf Knopf stehen.
Man hört aus Ihren Worten eine gewisse Skepsis heraus, oder?
Herrlich: Ich habe das Spiel der Gladbacher in Dortmund gesehen, mit viel Licht und Schatten. Zunächst dachte ich tatsächlich, dass die Mannschaft mit dem 2:0 im Rücken das Ding nach Hause schaukelt. Aber leider hat dann doch einiges gefehlt. Insbesondere das Spiel gegen den Ball war nicht ausgeprägt genug. Am Ende ist der VfL untergetaucht, und das Ergebnis war ein bisschen ernüchternd. Im rechten Moment kam nun der Sieg gegen Hoffenheim. Enorm wichtig.
Wie sehen Sie grundsätzlich die Entwicklung im Borussia-Park?
Herrlich: Auf jeden Fall wächst da was zusammen. Der Umbruch ist größtenteils vollzogen, Rückschläge wird der Klub verarbeiten und geräuschlos lösen. Da ist ein Kollektiv im Borussia-Park beisammen, das am selben Ziel arbeitet. Gut auch, dass sich junge Spieler wie Luca Netz oder Rocco Reitz beispielsweise zeigen. Ihr Talent blitzt immer wieder auf, und das Tor von Rocco beim BVB war schon cool. Alle Achtung, was er draufhat.
Vor 28 Jahren, beim Pokalsieg der Gladbacher gegen Wolfsburg, haben Sie nicht nur ein Tor erzielt, sondern auch ihre technischen Fertigkeiten unter Beweis gestellt, als Sie vor dem 2:0 den mitgelaufenen Stefan Effenberg perfekt in Schussposition brachten. Noch alle Eindrücke beisammen?
Herrlich: Ich kann mich natürlich noch gut erinnern, mein Treffer zum 3:0 war jedenfalls ein wunderbarer Abschluss an jenem Samstagnachmittag im Juni im Berliner Olympiastadion. Man darf aber auch nicht vergessen, dass da ein Zweitligist als Gegner auf dem Platz stand und vom heutigen Level weit entfernt war. Dieser Sieg war ein Muss nach dem Pokal-K.o. des Klubs drei Jahre zuvor gegen Hannover 96. Hart umkämpft waren dagegen die Spiele zuvor im Viertel- und Halbfinale gegen Schalke und Kaiserslautern (mit den Siegtoren von Herrlich / d. Red.).
Es blieb bis heute der letzte Titelgewinn. Immerhin stand Gladbach danach viermal im Halbfinale, mit einem Fuß in Berlin…
Herrlich: Viermal nah dran, das ist beachtlich. Aber die Enttäuschung ist dann umso größer, wenn Du es nicht geschafft hast. Vielleicht funktioniert es diesmal, zumal der eine oder andere Top-Klub bereits ausgeschieden ist. Zu Borussia Mönchengladbach, dem wunderbaren Stadion und der treuen Anhängerschaft passt nun einmal internationales Flair und Hymnisches. Aber erst einmal gilt es, Wolfsburg zu schlagen.
Sie haben 258 Bundesligaspiele für Leverkusen, Gladbach und Dortmund bestritten, dabei 74 Treffer erzielt. Mit welchem Klub sind Sie am engsten verbunden?
Herrlich: Das hält sich in etwa die Waage. Aber wenn ich ehrlich bin: Dortmund liegt dann doch vorne. Mit dem BVB bin ich Deutscher Meister geworden, Champions-League-Sieger und Weltpokalgewinner. Das war schon eine erfüllende Aufgabe. Der BVB ist eine Herzensangelegenheit, aber Gladbach war auch eine fantastische Station, und in Leverkusen hat meine Bundesliga-Karriere ihren Anfang genommen.
Bayer Leverkusen war auch eine wichtige Station in Ihrer Rolle als Cheftrainer. In der Saison 2017/2018 erlebte Kai Havertz, als 18-Jähriger unter Ihrer Leitung seinen Durchbruch, kam auf zwölf Scorerpunkte. Stets tauchte er im zentralen oder offensiven Mittelfeld auf. Korrekt?
Herrlich (lacht): Einmal sogar als Rechtsaußen. Dass Kai jetzt vom neuen Bundestrainer als linker Verteidiger aufgestellt wurde, nun ja, ich hätte es nicht getan, aber experimentieren ist erlaubt. Da ist auch vieles übertrieben dargestellt worden. Eines ist klar: Sie werden nicht noch einmal den Trainer wechseln. Und was die EM im kommenden Jahr betrifft. Ich bin gar nicht so pessimistisch. Jetzt mal sachte: Vor dem Sommermärchen 2006 hat Jürgen Klinsmann gegen Italien 1:4 verloren. Mannschaft und Trainer wurden verhöhnt.
Was sagen Sie zum Leverkusener Höhenflug, ist Bayer 04 ein echter Kandidat für den Meistertitel?
Herrlich: Sie müssen unterm Bayer-Kreuz demütig bleiben und immer auch an den kleinen Dingen arbeiten. In der Mannschaft und dahinter herrscht ein toller Geist, und die Neuen sind allesamt Volltreffer. Angefangen mit Trainer Xabi Alonso. Ja, sie können es schaffen. Das erinnert mich an die Spielweise von Pep Guardiola.
In diesen Tagen ist wie immer vor Weihnachten ein neuer Disney-Film in die Kinos gekommen. „Wish“ (Wunsch). Welche Wünsche wollen Sie sich im kommenden Jahr erfüllen, wann kehren Sie als Trainer auf die Fußball-Bühne zurück?
Herrlich: Gesundheit, Frieden, Liebe, Freude. Alles andere ergibt sich. Ich habe es immer als Privileg empfunden, im Fußball arbeiten zu dürfen und bleibe gelassen. Es gab Angebote, auch exotisches war darunter, aber es muss passen, dann komme ich zurück. Es muss nicht zwingend erste Liga sein.