BVB-Kapitän Kehl auf Abschiedstournee
Madrid (dpa) - Für Trainer Jürgen Klopp ist er „ein herausragender Kapitän“, für Sportdirektor Michael Zorc „eine totale Identifikationsfigur“, für Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke ein „künftiger Botschafter des Clubs“.
Bei Borussia Dortmund genießt Sebastian Kehl höchste Wertschätzung.
Obwohl der Revierclub in der Vergangenheit eher auf junge Spieler setzte, wurde der Vertrag des 34 Jahre alten Routiniers vor kurzem um ein weiteres Jahr verlängert. „Das war eine rein sportliche Entscheidung und hatte mit Dankbarkeit nichts zu tun - eine Win-Win-Situation für beide Seiten“, kommentierte Fußball-Lehrer Klopp die Einigung.
Eigentlich schien Kehls Zeit in Dortmund bereits abgelaufen zu sein. Jüngere Profis wie Nuri Sahin, Sven Bender und Ilkay Gündogan drängten in das Team und machten ihm den Stammplatz im defensiven Mittelfeld streitig. Das ließ Kehl über einen Vorruhestand in den USA nachdenken.
Doch diese Pläne hat er mittlerweile verworfen. Im Sommer 2015 wird der ehemalige Freiburger seine Karriere als Fußballprofi in dem Club beenden, für den er seit Dezember 2001 spielt. Bis dahin will er jede Partie genießen: „Nach 13 Jahren beim BVB ist das eine tolle Geschichte. Ich bin komplett mit mir im Reinen, wenn ich die Schuhe mit 35,5 Jahren an den Nagel hänge. Ich will einen würdigen Abgang.“
Es passt in das Bild vom unermüdlichen Balleroberer, dass er sich trotz diverser gesundheitlicher Rückschläge immer wieder zurückkämpfte. Vor allem die schwere Verletzung, die er sich 2006 in einem Zweikampf mit dem damaligen Münchner Profi Hasan Salihamidzic zuzog, warf ihn lange zurück. Weil sich die Risswunde im Kniebereich entzündete, benötige Kehl eineinhalb Jahre für sein Comeback. „Ich hatte viele schöne Momente, aber auch einige Tiefpunkte. Das macht meine Zeit hier so speziell“, sagte er den „Ruhr Nachrichten“.
Sieht man von seinen WM-Teilnahmen 2002 und 2006 sowie vom Meistertitel 2002 ab, erlebte der 31-malige Nationalspieler seine größten Höhepunkte erst im Herbst seiner Karriere. Als Leitwolf von zumeist deutlich jüngeren Kollegen feierte er zu Beginn dieses Jahrzehnts zwei deutsche Meisterschaften und einen Pokalsieg. Und auch die Erinnerungen an das letztjährige Champions-League-Finale stimmen Kehl sentimental. Noch ist der Hunger nicht gestillt: „Hoffentlich kann ich noch ein paar erfolgreiche Momente mit der Mannschaft erleben.“
Das große Verletzungspech beim BVB machte ihn in dieser Saison zur unverzichtbaren Größe. Mit starken Leistungen hilft Kehl derzeit, die Ausfälle der dauerverletzten Spieler Sven Bender und Ilkay Gündogan zu kompensieren. Gegen Freiburg und St. Petersburg zeichnete er sich sogar als Torschütze aus.
Mit seinem letzten Spiel wird für ihn die Zeit beim Revierclub nicht zu Ende gehen. Denn die Vereinsführung weiß nicht nur die sportlichen Qualitäten von Kehl zu schätzen. Sein tadelloses Auftreten, sein diplomatisches Geschick und seine Redegewandtheit machen ihn zu einem Kandidaten für repräsentative Aufgaben.
Kehl wäre damit nach Sportdirektor Zorc und Jugendkoordinator Lars Ricken der dritte ehemalige Profi, der dem Verein erhalten bleibt. „Das reizt mich“, verriet Kehl, ließ aber offen, welche Funktion ihm zugedacht ist. Noch liegt sein Fokus auf anderen Aufgaben: „Bis Sommer 2015 bin ich zu hundert Prozent Fußballer.“