Der böse Spuk um das „Phantomtor“
Düsseldorf (dpa) - Der Spuk um das „Phantomtor“ ist nicht vorbei. Wenn Bayer Leverkusen gegen 1899 Hoffenheim antritt, kommt das Thema wie ein böser Geist wieder aus der Flasche.
„Ich hoffe, dass die Fans und die Teams das Spiel in den Mittelpunkt rücken“, wünscht sich Bayer-Chef Michael Schade vor dem neuerlichen Duell mit dem Club aus dem Kraichgau. Fünf Monate nach einem der kuriosesten Tore in der Geschichte der Fußball-Bundesliga ist die Erinnerung an den 18. Oktober 2013 bei 1899-Coach Markus Gisdol präsent, Rachegelüste hegt er aber nicht: „Man hat das Spiel noch im Hinterkopf, ganz klar. Aber Rache kenne ich nicht. Das wäre auch kein guter Ratgeber.“
Bayer-Torjäger Stefan Kießling hat das „Phantomtor“ bis heute nicht losgelassen. Sein Kopfball war durch ein Loch im Tornetz geflogen und von Schiedsrichter Felix Brych als Treffer zum 2:0 anerkannt worden. Die Leverkusener gewannen 2:1. Das Sportgericht des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) wies den Hoffenheimer Einspruch ab, an der Tatsachen-Entscheidung des Referees sei nicht zu rütteln.
„Wir haben Stefan Kießling geraten, zu diesem Thema vor dem Spiel nichts zu sagen“, erklärte Schade. „Nicht, weil wir ihm einen Maulkorb umbinden wollen, sondern weil jeder Satz, den er dazu sagen würde, zu viel wäre.“ Für Kießling waren die vergangenen Monate die wohl schwierigste Zeit seiner Fußballkarriere. Er musste in sozialen Netzwerken Beschimpfungen und Beleidigungen ertragen, schloss seine Facebook-Seite zeitweise und erhielt Drohbriefe.
„Stefan ist damals unschuldig in eine Situation geraten, die er nicht zu verantworten hatte und für deren Folgen er auch nichts kann“ meinte Schade. „Die Art und Weise, wie er persönlich von Fans angegangen wurde, hat nichts mehr mit Sport zu tun gehabt.“ Danach hat Kießling in 24 Pflichtspielen nur sieben Treffer erzielt, den letzten davon am vergangenen Sonntag bei Bayern München (1:2).
Schade kann die enorme Aufregung und Empörung über dieses irreguläre, aber anerkannte Tor ohnehin nicht nachvollziehen. „Ich will es nicht verharmlosen, aber wie viele Tore waren an den letzten Spieltagen sichtbar deutlich falsch, durch Abseits oder anderen Entscheidungen“, meinte er. „Es hat immer Fehlentscheidungen gegeben, aber nicht so lange und nicht enden wollende Diskussion wie beim Phantomtor.“ Dabei habe sich der Werksclub korrekt verhalten. „Wir haben eine sportlich faire Einstellung vertreten“, betonte Schade.
Das „Phantomtor“ hat sicher dazu beigetragen, dass die Deutsche Fußball Liga (DFL) am Montag, einen Tag nach dem Spiel in der BayArena, über die Einführung der Torlinientechnologie entscheiden will. „Wenn dieses Tor ein Gutes hatte, dann ist es, dass in Deutschland verstärkt über neue Technologien nachgedacht wird, denen man aus Prinzip lange entsagt hat“, sagte Schade. „Es ist das einzig Positive, das man aus dem Spiel mitnehmen kann.“
1899 Hoffenheim will zumindest für die Partie am Rhein noch einmal Motivation aus dem kuriosen Hinspiel schöpfen. „Wir müssen uns total gut auf das Spiel vorbereiten und unsere beste Leistung abliefern“, sagte Gisdol. „Es wäre schön, wenn uns da etwas gelingen könnte, um das geradezurücken.“ Das könnte ausgerechnet Kießling verhindern. Zehnmal spielte er gegen die TSG, gewann immer, erzielte sechs Tore und steht nun vor einem Bundesligarekord. Elf Bundesligaspiele gegen ein Team und ausschließlich Siege gab es noch nie.