Eintracht-Krise verschärft sich vor Derby in Mainz
Tel Aviv (dpa) - Diese Geste ist der bislang wohl stärkste Ausdruck der Frankfurter Krise. Rund 2000 Eintracht-Fans waren mit zum Europa-League-Spiel bei Maccabi Tel Aviv geflogen, aber schon zur Halbzeit drehten viele von ihnen der Mannschaft demonstrativ den Rücken zu.
Nach sechs Bundesliga-Spielen ohne Sieg und jetzt auch noch dem 2:4 (0:3)-Debakel in Israel droht die Stimmung in Frankfurt nun ausgerechnet vor dem wichtigen Rhein- Main-Derby bei Mainz 05 zu kippen: von geduldig zu gereizt, von immer noch zuversichtlich zu allmählich alarmiert.
Nach dem Spiel in Tel Aviv stellte sich auch Trainer Armin Veh zum ersten Mal nicht mehr schützend vor seine Spieler. „Das war eine unterirdische Leistung in der ersten Halbzeit. Wir haben uns überhaupt nicht bewegt“, schimpfte er. „Mit einer solchen Einstellung brauchen wir in der Bundesliga gar nicht antreten.“
In der Europa League mag diese Niederlage noch nicht allzu sehr ins Gewicht fallen. Da ihr ursprünglich mal stärkster Konkurrent Girondins Bordeaux der Eintracht den Gefallen tat, mit 1:2 bei APOEL Nikosia zu verlieren, würde im nächsten Spiel am 28. November in Frankreich schon ein Unentschieden reichen, um in die K.o.-Runde einzuziehen. Sogar den direkten Vergleich mit Tel Aviv (2:0, 2:4) haben die Frankfurter dank ihrer beiden Anschlusstore durch Srdjan Lakic (63.) und Alexander Meier (67./HE) noch für sich entschieden.
Für die ohnehin schon bedenkliche Situation in der Bundesliga macht der „beschämende Auftritt“ (Meier) aber alles andere als Mut. „Ich habe ein bisschen Bauchschmerzen in dieser Phase. Ein ehemaliger Nationalspieler hat mal gesagt: Hast du Scheiße am Fuß, dann hast du Scheiße am Fuß. Das stimmt“, meinte Veh. „Wir werden nicht mit Leichtigkeit nach Mainz fahren, sondern mit einem ganz schönen Buckel. Jetzt liegen wir am Boden und brauchen ein Ergebnis. Es ist für uns auch Neuland, mit einer solchen Situation umzugehen. Es wird sich zeigen, wie wir damit klarkommen.“
Ein Vorteil könnte dabei sein, dass der Nachbar aus Mainz nach nur einem Sieg in den vergangenen acht Spielen ähnlich verunsichert ist. „Wenn wir verlieren, ist Abstiegskampf angesagt. Wenn wir gewinnen, können wir uns vielleicht im Mittelfeld festsetzen. Für die Eintracht gilt genau das Gleiche. Das ist die Brisanz dieses Spiels“, sagte 05-Manager Christian Heidel in einem „Bild“-Interview.
Hinzu kommt, dass die Mainzer sowohl auf Heinz Müller (verletzt) als auch auf Christian Wetklo (gesperrt) verzichten müssen und deshalb den erst 20-jährigen Loris Karius ins Tor stellen. „Er hat das Zeug, die Etablierten anzugreifen“, sagte Trainer Thomas Tuchel.
Bei der Eintracht werden die in Tel Aviv noch komplett bzw. 66 Minuten lang geschonten Sebastian Rode und Vaclav Kadlec im Derby mit Sicherheit wieder dabei sein. Auch Tranquillo Barnetta hat seine Grippe weitgehend auskuriert. Dafür stehen hinter den Einsätzen des schon länger verletzten Sebastian Jung sowie der angeschlagen aus Israel zurückgekehrten Stefan Aigner und auch Bamba Anderson noch Fragezeichen. Carlos Zambrano ist obendrein gelbgesperrt.
Dass es Veh gegen Maccabi mit seinen fünf Änderungen in der Startelf vielleicht etwas übertrieben haben könnte, ist dabei kein allzu ernstzunehmender Vorwurf. Wochenlang musste sich der Trainer eher dafür rechtfertigen, dass er nicht rotieren würde. Am Donnerstag bot er dann mit Aigner, Meier, Inui und Lakic genau jene Offensivreihe auf, die die Eintracht in der vergangenen Saison überhaupt erst in die Europa League geschossen hatte.
Die erste Halbzeit in Tel Aviv zeigte vielmehr, wie tief die Verunsicherung bei dieser Mannschaft sitzt. Ihr Spiel ist nicht mehr schnell und dominant, sondern eher bleiern und verzagt. Dass im Zentrum dieses Spiels seit Wochen Pirmin Schwegler verletzt und Sebastian Rode außer Form ist, kann die Eintracht nicht kompensieren.
„Ich war am Donnerstag von der ersten Halbzeit der Mannschaft enttäuscht, aber ich bin es insgesamt gesehen nicht. Ich werde diese Mannschaft nicht verteufeln, solange ich hier bin“, sagte Veh. Deshalb würden in der aktuellen Krise auch keine besonders feurigen Ansprachen oder besonders motivierenden Videos helfen, sondern: „Wir müssen das auf dem Platz durch ein Erfolgserlebnis regeln.“