Ex-HSV-Aufsichtsrat Eghbal: Keine Unternehmenskultur

Hamburg (dpa) - Für viele Beobachter hat das Übel beim Hamburger SV einen Namen: Aufsichtsrat. Egal, ob es um Grabenkämpfe, Intrigen, Indiskretionen, Fehleinkäufe oder sportlichen Niedergang geht - das Gremium des Fußball-Bundesligisten wird für so ziemlich alles verantwortlich gemacht.

Foto: dpa

Die „Sport Bild“ titelte „Die schlechteste Elf der Welt“. Die Arbeit des Aufsichtsrates ist intransparent, die Medienarbeit katastrophal. Fakten gibt es kaum, dafür umso mehr Gerüchte. Doch ist der Rat, der auch „Club der Ahnungslosen“ genannt wird, tatsächlich an allem schuld?

Einer, der sich als normales Mitglied des Aufsichtsrates öffentlich nicht äußern durfte, ist der mittlerweile zurückgetretene Ali Eghbal. Er erklärte, dass der Rat die operative Arbeit im Fußballgeschäft nicht zu verantworten habe. Das obliegt dem Vorstand, der auch den Trainer auswählt. „Der Aufsichtsrat hat eine kontrollierende Funktion für die ökonomische Machbarkeit der Vorstandspläne, nicht über die Sportphilosophie“, erklärte Eghbal.

Der Steuerberater einer Wirtschaftsprüfungsgesellschaft gesteht: „Ich habe keine Fußballkompetenz. Ich soll über Zahlen entscheiden, nicht darüber, ob Trainer Bert van Marwijk die richtige Taktik für die Mannschaft parat hat. Das ist Aufgabe des Vorstands.“ Um auch ohne Fußballkompetenz den richtigen Sportchef auszuwählen, nutzt das Gremium seine Netzwerke. „Wir holen Rat von Leuten ein, die tief im Fußball verwurzelt sind“, sagte Eghbal.

Die Mär, dass der Aufsichtsrat über die Eignung von Trainern und Spielern entscheidet, hält sich hartnäckig. „Nein, wir prüfen nur, ob sich der Verein die Ausgaben leisten kann“, sagte Eghbal: „Seit ich im Aufsichtsrat war, haben wir nicht ein Geschäft abgelehnt.“ Er findet die Regel falsch, dass alles über 500 000 Euro vom Rat abgesegnet werden muss. „Völlig überflüssig. Ich kann und will dem Vorstand nicht in Rechtsgeschäfte reinreden. Richtig wäre lediglich eine mittelfristige Finanzkontrolle.“

Das einst elfköpfige Gremium ist mittlerweile nur noch zu sechst. Neben Eghbal haben vier weitere Mitglieder die Flucht angetreten. „Es war nicht mehr auszuhalten. Ich wurde beim Spiel in Braunschweig beschimpft und bedroht. 'Wir machen dich lang, wir schlitzen dich auf', haben einige Fans geschrien. Ich hatte Angst“, berichtet Ali Eghbal, der dem Gremium seit Montag nicht mehr angehört.

Die Mitkonkurrenten schütteln den Kopf über das Wirrwarr beim HSV. Für Manager Christian Heidel von Mainz 05 ist die Struktur bei den Hamburgern grundfalsch. Wird ein neuer Sportchef eingestellt, müsse er sein Konzept doch nicht dem Aufsichtsrat vorstellen. „Das Konzept muss der Verein vorgeben und sich dementsprechend sein Personal suchen“, sagte Heidel. Der Bankkaufmann wundert sich, warum der HSV-Aufsichtsrat nicht ein Konzept erarbeitet, „das über Jahre verfolgt wird“.

Auf eine Reaktion musste Heidel nicht lange warten. „Er hat vom HSV keine Ahnung“, erwidert Jürgen Hunke, verbliebenes Mitglied im HSV-Aufsichtsrat. „Ein Konzept ist nicht unsere Aufgabe. Wir müssen den Vorstand bestellen. Also müssen wir die Kandidaten kennenlernen, mit ihnen reden.“

Eghbal sieht als Grundproblem beim HSV den Verschleiß an Leuten. Vorstandschefs und Manager kommen und gehen. Da gibt der 51-Jährige dem Mainzer Heidel Recht. „Kontinuität, Nachhaltigkeit entsteht nur durch Personalbeständigkeit“, sagte das ehemalige Ratsmitglied. „Das Kapital von Bayern München ist auch, dass Leute den Verein teilweise schon seit 30 Jahren dienen.“ Der 51-Jährige beklagt: „Dem HSV fehlen Unternehmenskultur und eine Unternehmensphilosophie - leider.“