Exportschlager: Brasilianer im deutschen Fußball

Rio de Janeiro (dpa) - Als Co-Kommentatoren im Fernsehen sind Giovane Elber und Cacau derzeit groß gefragt. Die beiden Brasilianer gelten nicht nur als Experten für die Fußball-Weltmeisterschaft, sondern auch als Musterbeispiele für gelungene Integration von Profis aus dem Land des WM-Gastgebers.

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130 Brasilianer spielten nach Informationen des Fachmagazins „kicker“ bis heute in der Bundesliga. Viele waren Importschlager. Das Geschäft mit den Talenten hat aber auch seine Schattenseiten.

Ob Lucio, Zé Roberto, Rafinfa, Ratinho, Jorginho, Dunga, Diego, Ailton, Marcelinho, Paulo Sergio, Roberto Firminho, Dedé oder Marcio Amoroso - was wäre die Liga ohne sie gewesen? Elber avancierte beim VfB Stuttgart und FC Bayern München zum Torjäger und Publikumsliebling. Cacau kam 1999 nach Deutschland und tourte mit einer Samba-Tanzgruppe umher, bevor er beim Fünftligisten Türk Gücü München einen Vertrag als Fußballer erhielt. Inzwischen hat er 23 Länderspiele für die DFB-Auswahl gemacht.

Als erste Brasilianer spielten in den 60er Jahren Tagliari beim Meidericher SV und Zezé beim 1. FC Köln. Die erste ganz große Nummer in der Bundesliga war Tita, der mit Leverkusen 1988 den UEFA-Cup holte. „Das war einfach 'ne Urlaubsreise über Weihnachten, wir haben ihn für 500 000 Dollar verpflichtet“, erinnerte sich Bayers Ex-Manager Reiner Calmund an seinen Coup und schwärmte: „Der hat eingeschlagen wie eine Granate.“

Karriere machten auch Carlos Dunga, der 1994 als Wahl-Stuttgarter mit der Seleção Weltmeister wurde, oder der so unbrasilianische, gnadenlose Abräumer Lucio, mit über 100 Länderspielen für sein Land, oder jetzt Dante vom FC Bayern München und Luiz Gustavo vom VfL Wolfsburg, die zur Mannschaft des WM-Favoriten gehören.

Aber es gab auch Flops wie die beiden vom FC Bayern 1991 geholten Mazinho und Bernardo. Die Münchner haben vor einiger Zeit ihr Scouting in und um Brasilien aufgegeben. „Wir werden keinen Spieler aus Südamerika mehr holen, das hat keinen Sinn“, erklärte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. Zuletzt musste sich der Rekordmeister mit einem Problemfall wie dem einst 12 Millionen Euro teuren Breno herumschlagen, der 2012 wegen schwerer Brandstiftung zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde.

In diesem Zusammenhang tauchten auch mal wieder Vorwürfe auf, dass sich die Clubs zu wenig um ihre brasilianischen Einkäufe kümmern würden. „Wenn jemand diese mentale Stärke nicht hat, wird auch die Betreuung nicht helfen“, sagte der lizenzierte Spielerberater Hans J. Zeese von BoaVista Sports, der seit 2001 mit dem brasilianischen Fußball zu tun hat. Es ist ein gnadenloses Geschäft und Zeese erklärte: „Ich sehe es als größtes Problem an: Was passiert mit den Jungs, die es nicht schaffen?“ Es gebe Fälle, die seien „nicht strafbar, aber moralisch fragwürdig“.

Die ARD zeigte kürzlich in den bemerkenswerten Dokumentarfilm „Mata Mata - Spiel des Lebens“ den schwierigen Weg von drei brasilianischen Toptalenten, die zerrieben werden zwischen den Erwartungen ihrer Familie und den Geschäftsinteressen ihrer Agenten. Darunter auch Carlinhos, der über Leverkusen zu Jahn Regensburg wechselte und im europäischen Winter und in der Einsamkeit fast verzweifelte. Über 1000 Talente kommen jedes Jahr nach Europa, etwa drei Viertel kehren frustriert wieder in ihre Heimat zurück.

Der Anthropologe und Buchautor Martin Curi („Brasilien. Land des Fußballs“) fand heraus und beschrieb, das 2010 insgesamt 70 Brasilianer nach Deutschland wechselten. Bis in die tiefsten Provinzclubs, wo sie unter meist dubiosen Umständen spielten.

„Es gibt ganz schlimme Schicksale“, sagte Lutz Pfannenstiel über die Gescheiterten, deren Spuren oft im Sande verlaufen. Der Weltenbummler und Ex-Torhüter ist bis heute der einzige deutsche Fußballer, der in Brasiliens oberster Liga spielte (2008/CA Hermann Aichinger). Der 41-Jährige war auch schon Trainer in Armenien. „Da haben sie uns jeden Tag 30 bis 40 Brasilianer angeboten, die kamen mit Bussen und hätten für 300 bis 400 Euro gespielt. Viele fliegen auf eigenes Risiko und haben nur ein One-Way-Ticket.“