Fan-Kongress: Gewaltiges Dilemma, Fronten verhärtet

Berlin (dpa) - Mit ihrem ersten selbst organisierten Kongress wollen die Fans beim Deutschen Fußball-Bund mehr Gehör für ihre Probleme einfordern.

„Wir sind in Fragen der Sicherheit kompromissbereit. Aber wir erwarten auch, dass uns die Verbände endlich ernst nehmen“, erklärte Mit-Organisator Johannes Mäling vom Kölner Fan-Club „Coloniacs“ vor dem zentralen Treffen am Wochenende in Berlin der Nachrichtenagentur dpa.

Der Kongress mit rund 400 Anhängern aus allen Proficlubs der 1. und 2. Bundesliga sowie einiger Vereine aus dem Unterhaus soll einen Prozess anstoßen, an dessen Ende die Fans „endlich als Gesprächspartner auf Augenhöhe“ von den Verbänden anerkannt werden. Zuletzt hatten gewalttätige Krawalle beim Hamburger Hallenturnier oder das Abbrennen von Pyrotechnik in vielen Bundesliga-Stadien den DFB und die Deutsche Fußball-Liga (DFL) in ihrem strikten Kurs zur Gewährleistung der Sicherheit in Stadien bestärkt.

„Wir bleiben mit den Fangruppen im Gespräch, aber nicht über Pyrotechnik“, erklärte DFL-Geschäftsführer Holger Hieronymus drei Tage vor dem Kongress. „Höchster Sicherheitsanspruch und der Einsatz von Pyrotechnik im Stadion sind nicht vereinbar. Da gibt es keinen Spielraum“, sagte der DFB-Sicherheitsbeauftragte Hendrik Große Lefert. Beide Funktionäre stellen sich nun im Berliner Kino Kosmos der Diskussion mit den Fans.

Zusätzlichen Zündstoff liefert eine Umfrage. Die Initiative „ProFans“ zeigte sich in einer am Freitag veröffentlichten Erklärung „sehr verwundert“, dass DFB und DFL im Vorfeld des Kongresses Ergebnisse einer Erhebung bekanntgaben, wonach 84,4 Prozent der Fußball-Interessierten das Verbot der Bengalos unterstützen. Die Anhänger beklagen, dass durch Äußerungen wie „Pyrotechnik im Stadion ist gefährlich“ den Befragten bereits in der Fragestellung ein negatives Bild von Pyrotechnik gezeichnet werde.

Somit erscheint es „ProFans“ fraglich, ob sich die befragten Personen durch die suggestiven Fragestellung eine differenzierte Meinung zur Thematik bilden konnten. „Aufgrund dieser fragwürdigen Herangehensweise leisten die Ergebnisse der Studie keinerlei inhaltlich verwertbaren Beitrag. Vielmehr wirft dieses Vorgehen neue Fragen auf“, kritisierte Philipp Markhardt, Sprecher von „ProFans“.

Aus Sicht der Initiative sei eine Legalisierung von Pyrotechnik weiter grundsätzlich möglich. „Wir fordern an dieser Stelle erneut die Rückkehr aller Beteiligten zur Sachlichkeit auf und stehen für seriöse, an Lösungen orientierte Gespräche bereit“, kündigte Markhardt an. Hieronymus hatte zuletzt Fehler in den Gesprächen mit den Fans eingeräumt. Es wird interessant sein, ob sich die Protagonisten am Runden Tisch in Berlin näherkommen.

Angesichts des von der Bundesregierung dokumentierten Höchststands gewaltbereiter Fans stehen DFB und DFL nun vor einem riesigen Spagat zwischen Konsequenz und Kompromissbereitschaft. „Es gibt eine Gruppe, die mit Prävention nicht zu erreichen ist. Das sind Feinde des Fußballs“, sagte der designierte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach in Barsinghausen. Doch Holger Hieronymus kündigte an: „Wir haben den Dialog nicht eingestellt und sehen auch keinen Grund dazu. Die Frage ist: Wie können wir verhindern, dass Werte im Fußball verloren gehen. Ein Fankodex könnte ein Mittel sein.“

In verschiedenen Foren werden an den beiden Tagen rund 70 Referenten in Berlin mit den Fans diskutieren. „Wir werden auf dem Kongress über die Verhältnismäßigkeit der Mittel sprechen“, kündigte Johannes Mäling an. „Dabei geht es geht um Polizeieinsätze ebenso wie um die Länge der Stadionverbote.“ Der 2007 vom DFB mit Fans in Leipzig organisierte Kongress habe Ergebnisse gebracht, die aber aus Sicht der Fans in der Praxis nicht konsequent umgesetzt werden. So sei die Anhörungspflicht der Betroffenen im Falle von Stadionverboten oft nicht durchgesetzt worden.

Und einen Schritt ging Niersbach im Vorfeld auf die Fans zu. Er werde sich dafür einsetzen, dass es in Bundesliga-Stadien weiterhin Stehplätze gibt: „Wir brauchen Stehplätze, dazu stehen wir.“ Fanclubs hatten angekündigt, dass sie dabei keine Kompromisse eingehen würden.