Interview Hans-Joachim Watzke: „Vor England habe ich keine Angst“
Borussia Dortmunds Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke über die neue Lust am BVB, Jürgen Klopp und Gelassenheit in Konkurrenzfragen.
Dortmund. „Wir haben uns unsere angestammte Position als Nummer zwei in Deutschland zurückerobert“: Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer von Borussia Dortmund, ist glücklich mit dem Neubeginn beim BVB unter dem Trainer Thomas Tuchel. Am Samstag startet Dortmund im Spitzenspiel bei Borussia Mönchengladbach in die Rückrunde (18.30 Uhr).
Herr Watzke, Ihr Stürmer Aubameyang hat unlängst seine Überzeugung übermittelt, der FC Bayern werde kein Meister. Hat Ihnen das gefallen?
Hans-Joachim Watzke: Ist doch völlig in Ordnung, wenn er diese Meinung vertritt. Wenn er dann noch die Tore schießt, die nötig sind, finde ich das noch schöner. Mal im Ernst: Das ist ein fröhlicher, professioneller Junge, der ein großes Selbstbewusstsein hat und die Dinge mal ein wenig gegen den Strich bürstet. Und das tut uns gut. Ich vertrete allerdings eine andere Meinung: Ich glaube, dass Bayern Meister wird.
Wie fällt Ihr Hinrundenfazit aus?
Watzke: Sehr gut. Wir haben vor Saisonbeginn formuliert, dass wir der Herausforderer der Champions-League-Teilnehmer sein wollen. Das hat so gut funktioniert, dass wir jetzt einen Schritt weiter sind. Jetzt jagen die anderen wieder uns.
Ist die Rückkehr in die Champions League Pflicht?
Watzke: Wir werden jedenfalls alles daran setzen, um wieder auf dieser Bühne zu spielen, weil das die beste Möglichkeit ist, den Verein nachhaltig zu entwickeln. Außerdem wäre unsere Rückkehr in die Königsklasse auch gut für die Liga, weil wir in den letzten Jahren nach dem Flaggschiff Bayern München am meisten für das Ansehen der deutschen Vereine getan haben.
Sie haben angesichts der Niederlage im Pokalfinale formuliert, die zweite Kraft im Lande sei nun der VfL Wolfsburg. Haben Sie diese Ansicht nach der Hinrunde revidiert?
Watzke: Natürlich, da muss man sich ja nur mal die Tabelle ansehen: Wir stehen zwölf Punkte vor Wolfsburg. Wir haben uns unsere angestammte Position als Nummer zwei in Deutschland zurückerobert.
Nach dem Abgang von Jürgen Klopp wurde über die Fußstapfen gesprochen, die für Nachfolger zu groß seien. Hat es Sie überrascht, dass der Übergang zu Tuchel so reibungslos geklappt hat?
Watzke: Überrascht hat mich, dass die Dinge in diesem Ausmaß funktionieren. Grundsätzlich haben wir uns was dabei gedacht, diesen Trainer zu holen. Michael Zorc und ich haben den Werdegang von Thomas Tuchel sechs Jahre lang intensiv verfolgt. Wir waren uns relativ sicher, dass er der Richtige ist.
War der Verlust des Kulttrainers am Ende gar nicht so dramatisch, wie vermutet?
Watzke: In der Öffentlichkeit wurde es immer so dargestellt, als wenn die Persönlichkeit von Jürgen Klopp den gesamten Verein überstrahlt. Er war für uns ein extrem großartiger und erfolgreicher Trainer, aber fest steht auch: Der Verein Borussia Dortmund ist immer größer als eine einzelne Person.
Was macht der Neue anders?
Watzke: Beide eint ihr extremer Ehrgeiz, beide sind fachlich top, aber sie haben eine unterschiedliche Handschrift. Bei Thomas Tuchel liegt die Akzentuierung auf Ballbesitz und Positionsspiel. Das ist schon ein Paradigmenwechsel. Genau das wollten wir: Einen neuen Input von einem neuen Trainer. Das hat bislang prima funktioniert.
Sie haben dem Branchenprimus aus München 2011 und 2012 die Rücklichter gezeigt. Was müsste passieren, um wieder ganz nach oben zu kommen?
Watzke: Man darf nicht vergessen, dass wir in den beiden Jahren nicht nur deshalb Meister geworden sind, weil wir so stark waren, sondern auch, weil die Bayern nicht alles richtig gemacht haben. Seitdem hat sich dieser Verein nochmal unfassbar verbessert, weil er die wirtschaftlichen Möglichkeiten dafür hat. Um wieder richtig Spannung reinzubringen, müssten die Bayern anfangen, Fehler zu machen. Und Bayern macht seit Jahren so gut wie keine Fehler.
Spieler wie die Dortmunder Aubameyang, Hummels, Gündogan oder Mkhitaryan werden von den großen europäischen Klubs gejagt. Das gilt auch für den Schalker Sané oder den Gladbacher Xhaka. Muss die Bundesliga Angst haben vor der Premier League?
Watzke: Das glaube ich nicht. Auch in der Premier League kommen nur vier Vereine in die Champions League. Ich kann mir nicht vorstellen, dass Leistungsträger von Borussia Dortmund zu Norwich City oder zu Crystal Palace wechseln. Der BVB ist in Europa unter den besten zehn Clubs, das ist eine erstklassige Adresse. Im übrigen muss sich die Bundesliga nicht verstecken, sie ist fußballerisch nicht einen Deut schlechter als die Premier League. Ich habe vor England überhaupt keine Angst.
Sollte die Liga dieses Selbstbewusstsein nicht viel offensiver vertreten?
Watzke: Das ist schon länger mein Thema. Es gibt keinen Anlass, sich zu verstecken. Wolfsburg hat Manchester United aus der Champions League geworfen, uns ist das mit Manchester City auch schon gelungen. Wir müssen mal unsere Qualitäten in den Vordergrund rücken: Wir haben super Stadien mit einer riesigen Fanbegeisterung, der Zuschauerschnitt ist deutlich höher, bei uns wird ein toller Fußball gespielt. Wir haben eine erstklassige Nachwuchsarbeit und sind auf diesem Gebiet sehr kreativ. Ganz davon abgesehen sind wir Weltmeister, während die Engländer im Sommer ein großes Fest feiern können: 50 Jahre ohne Titel.