„Kieß“ genießt und schweigt: Bayers Powerkick am Limit
Hannover (dpa) - Mit versteinerter Miene lief Stefan Kießling an allen vorbei. Den Blicken und Fragen ausweichend verschwand der Angreifer von Bayer Leverkusen aus dem Stadion. Nach 859 quälenden Bundesliga-Minuten ohne Torerfolg sprachen wieder Taten für den ehemaligen Fußball-Nationalspieler.
Die Worte dazu fanden andere. „Ich habe mir keine Stoppuhr für ihn gekauft - dazu bin ich viel zu geizig“, sagte Torwart Bernd Leno grinsend nach dem 3:1-Sieg bei Hannover 96. „Es war klar, dass er irgendwann wieder knipst.“ Mit seinem zweiten Saisontreffer hatte „Kieß“ den verdienten Erfolg eingeleitet und so die längste Durststrecke seiner Karriere beendet.
„Gut, dass das Thema jetzt durch ist. Das ist wertvoll und gibt ihm Ruhe“, sagte sein erleichterter Trainer Roger Schmidt. Die Torkrise des 30-Jährigen stand sinnbildlich für den bisherigen Saisonverlauf des Champions-League-Teilnehmers. Bayer spielte wie in jedem Spiel zuvor auch in Hannover am physischen Limit. Der hohe läuferische Aufwand stand erneut in keinem Verhältnis zur mangelhaften Effizienz. Bis Kießling sich und sein Team erlöste. „Endlich haben wir unsere Chancen mal genutzt“, kommentierte Leno.
Das werde nun allen einen Schub geben, meinte der Keeper. Rechtzeitig vor der richtungsweisenden Europapokal-Partie am Mittwoch gegen den AS Monaco haben die Rheinländer ihre Chancenverwertung optimiert. Mit einem Sieg gegen die Franzosen wäre Leverkusen sicher im Achtelfinale. Dafür werden sie erneut einen enormen läuferischen Aufwand betreiben. Weil ihr Trainer es so will. „Die Leverkusener haben 90 Minuten Pressing gespielt ohne aufzuhören - das ist schon bemerkenswert“, kommentierte 96-Torwart Ron-Robert Zieler die Bayer-Taktik.
„Das ist das, was Roger möchte“, sagte Leverkusens Geschäftsführer Michael Schade. Nicht nur der Coach, sondern auch seine Akteure scheinen nicht müde zu werden vom aggressiven Vollgasfußball. Wer zum Beispiel Karim Bellarabi spielen sah, hatte nicht den Eindruck, dass der Flügelstürmer mal eine Pause bräuchte. In jedem Pflichtspiel stand der Angreifer in Bayers Startelf. Nebenbei ging der Jung-Nationalspieler in der vergangenen Woche mit der DFB-Elf auf Länderspielreise nach Spanien.
„Er ist das ganze Spiel abgegangen. Aber das, was wir machen, funktioniert nur, wenn alle mitmachen“, sagte Schmidt. Aber wie lange funktioniert das noch? Noch scheinen neben Bellarabi auch die anderen Bayer-Profis weder physisch noch psychisch an ihre Grenzen zu stoßen. Schmidt weiß um die Belastung für seine Akteure. „Es ist eine Herausforderung, das alle vier Tage zu bringen“, erklärte er. „Aber so lange wir regenerieren zwischen den Spielen, ist das kein Problem.“
Viel Schlaf und gute Ernährung - das wird auch in den Tagen vor dem Monaco-Spiel der wichtigste Bestandteil der Vorbereitung sein. Damit auch gegen die Franzosen wieder angerannt werden kann.