Bundesliga-Dino Leidgeprüfte HSV-Fans hoffen wieder: „Uhr wird weiterlaufen“
Hamburg (dpa) - Vor jedem Heimspiel stehen die ersten Fans des Hamburger SV am S-Bahnhof Stellingen. Die Schlachtrufe der Anhänger des abstiegsgefährdeten Fußball-Bundesligisten sind zu hören, Hundertschaften der Polizei beobachten die Szenerie.
Hier hat Joachim Eybe seinen Stand aufgebaut und verkauft seit Jahren Fan-Artikel. Seit Ende der 70er sei er HSV-Fan, erzählt der 49-Jährige. Zusammen mit einem Freund gründete er vor 15 Jahren den „1887-Shop“.
Doch die Geschäfte mit den Fan-Artikeln des Traditionsclubs liefen bereits besser. „Wenn der HSV unten steht, haben die Leute eine ganz andere Kauflaune, als wenn wir in Europa spielen“, sagt er. „Ich überrasche mich selber, dass ich noch sehr entspannt und ruhig dabei bin.“
Dass er so ruhig sei, habe damit zu tun, dass die Situation nicht neu sei: „Der Gedanke, dass wir runter gehen könnten, ist ja schon tausend Mal gedacht worden.“ In den vergangenen vier Jahren gab es nur eine Saison, in der der Abstieg vor dem letzten Spieltag ausgeschlossen war. Die Relegationsspiele gegen Greuther Fürth und den Karlsruher SC hätten Eybe damals geschafft. „Da lagen die Nerven blank.“
Aber egal in welcher Liga oder auf welchem Platz die Hamburger stehen, für ihn gebe es nie einen Punkt, an dem er dem HSV den Rücken zukehren würde. „Viele vergleichen das mit einer Ehe: Der berühmte Satz 'Bis dass der Tod Euch scheidet', das sehe ich beim Fußball ähnlich“, beteuert er.
Der elfjährige Lucas und sein Vater Nico Leffrenzen sind fast an jedem Sonntag auf dem HSV-Trainingsgelände, erzählen sie. Auch wenn es kühl ist, es regnet und sich am Straßenrand sich kleine Bäche bilden. Hamburger Shietwetter halt. „Unabsteigbar“ hat jemand mit Filzstift auf die Stufen neben dem Übungsgelände geschrieben.
Doch auch wenn die Hamburger absteigen sollten, würden Sohn und Vater die Mannschaft unterstützen. „Wir bleiben immer HSV-Fans“, sagt Lucas. „Der wurde da reingeboren“, erzählt Leffrenzen Senior. Sie seien traurig, dass der Verein seit Jahren im Tabellenkeller ist. „Das wühlt einen auf“, sagt der Vater. Dennoch hat er die Hoffnung immer noch nicht aufgegeben, vor allem nachdem Sieg gegen den SC Freiburg. „Die Uhr wird schon noch weiterlaufen.“
„Eigentlich habe ich mich schon mit einem Abstieg abgefunden“, erzählt Tim, ein Hamburger Ultra, der wie sein Freund Friedrich seinen Nachnamen nicht nennen will. Die beiden stehen bei fast jedem Spiel auf der Nordtribüne, dem Revier der Ultras im Volksparkstadion.
„Ich bin froh, wenn die Saison vorbei ist“, sagt er. Viel Stress habe es gegeben. Auch die Spieltage würden im Moment keinen Spaß mehr machen. „Man fühlt sich kriminalisiert.“ Seit dem Spiel gegen Mainz vor einigen Wochen sind die Zäune um den gesamten Block erhöht. Das Stadionmanagement hat Sicherheitsbedenken.
Die beiden Ultras haben kein Verständnis für die vielen Maßnahmen. So würden sie auch seit einigen Spieltagen schon vor dem Spiel im Stadion von Hundertschaften beobachtet, nach dem Spiel seien dann ihre üblichen Abreisewege von Polizisten versperrt.
Die Verantwortung für die sportliche Situation des Vereins sehen die beiden auf den obersten Ebenen. „Wenn es irgendwo hapert, dann in der Vereinsführung“, sagt Friedrich. Es würde etwa eher ein bekannter Spieler eingekauft werden, dessen Trikot sich gut verkaufe, als dass eine funktionierende Mannschaft auf dem Platz stehe, kritisiert er.
Doch seit dem 1:0 der Hamburger gegen den SC Freiburg am vergangenen Spieltag ist wieder der Glaube bei den Fans zurückgekehrt, dass wieder einmal der erste Abstieg aus der Bundesliga vermieden werden kann. Der Rückstand auf den Relegationsplatz beträgt jetzt nur noch fünf Punkte.
Anfang der Woche meldete der HSV, dass für die Auswärtspartien am Samstag beim ebenfalls gefährdeten VfL Wolfsburg und am 5. Mai bei Eintracht Frankfurt alle Gästetickets vergriffen sind. Daher werden 3000 Fans werden die Reise nach Wolfsburg antreten, in Frankfurt werden sogar 5000 Anhänger die Hanseaten unterstützen. Und das letzte Heimspiel am 12. Mai gegen Borussia Mönchengladbach im Volksparkstadion ist mit 57 000 Zuschauern ausverkauft. Alle Fans wollen dabei sein, wenn das Fußball-Wunder doch noch wahr werden sollte.