Rückblick Fußball-Bundesliga: Eine prall gefüllte Wundertüte in 17 Spieltagen

Neue Regeln, neue Gesichter, neue Überraschungen — der Fußball zeigt, dass er an 17 Spieltagen allerhand bietet.

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<h2>Der Verlierer

War mindestens bis Samstag Tasmania Berlin. Wer lässt sich schon gerne die Bundesliga-Rekorde nehmen, wenn sie Ruhm bedeuten — selbst wenn man wie Tasmania seit 1973 gar nicht mehr existiert. Kann ja sonst nur Elvis Presley von sich behaupten. Aber dann kommt der 1.FC Köln und droht, schlechtester Erstligist aller Zeiten zu werden. Acht Punkte hatte Tasmania am Saisonende, zehn nach Drei-Punkte-Regel, Köln hat jetzt: 6. Kölns jüngster Erfolg lässt aber vermuten, dass Berlin seinen Rekord am Saisonende wohl doch behalten darf: als Rekord für die Ewigkeit.

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Seit Jahren predigt Max Eberl Demut und Bescheidenheit bei Borussia Mönchengladbach. Wer ausschert, wird zurückgepfiffen — was intern weit weniger oft nötig ist als nach außen. Weil die Fohlen-Fans ob ihrer Europa-Abstinenz leiden und im Liga-Alltag zu viel Wasser statt Wein trinken müssen. Dann wird trotz des 6. Platzes gepfiffen und geschimpft. Bis Eberl platzt: „Ich finde es eine bodenlose Frechheit, wenn man unsere Mannschaft, die ein hervorragendes Heimspiel macht, bei Rückpässen auspfeift. Es geht mir so auf den Sack. Dann sollen sie zu Bayern München oder PSG gehen“, zeterte Eberl nach dem 3:1 gegen den HSV. Es war der zweite Ausbruch des Managers. Ob bald der FC Bayern mal wieder bei Eberl anfragt?

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Wer Schalke hinbekommt, muss ein Großer sein. Das ist ja noch nicht einmal Andre Breitenreiter gelungen - und der wurde jüngst von Hannovers Manager Horst Heldt als „einer der größten Zauberer“ bezeichnet, weil er aus Hannover einen etablierten Erstligisten gemacht hat. Also was bitte ist Domenico Tedesco? Schalke ist Zweiter, mit Toren und Punkten aus letzten Spielminuten wie in Dortmund und Frankfurt das neue Mentalitätsmonster der Liga und eine Einheit, wie man sie dort nicht mehr zu kennen glaubte. Und das, obwohl Tedesco schon erledigt schien, als er Höwedes aussortierte. Vielleicht begann in jenem Moment das Glück. Weil plötzlich alle in der Verantwortung standen.

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Dass Philipp Lahm unersetzlich ist, dokumentierten die Sportjournalisten, als sie ihn als Adelung seines Lebenswerkes zum Fußballer des Jahres 2017 krönten. Der inoffizielle Jahrhundertrechtsverteidiger trat in Glanz und Gloria ab von der Bühne. Auf der selben agiert jetzt: Joshua Kimmich. Der sollte in Lahms Fußstapfen (Größe 41) treten. Unmöglich! Aber Kimmich ist technisch in Stuttgart, Leipzig und unter Pep Guardiola zur Reife gelangt. Taktisch auch. Und er hat Schuhgröße 42. Wie Lahm ist Kimmich nahe an der Perfektion. Große Hinrunde mit zehn Torvorbereitungen, davon sechs in der Liga. Das muss er jetzt nur noch 13 Jahre lang bestätigen. Nur eine zehnteilige Video-Doku für die „Bild“ — die hätte sich Lahm verkniffen.

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Eine Szene des 11. Spieltages wird die Saison überdauern: Der tapfere Mainzer Torhüter Robin Zentner bekommt im Spiel in Gladbach den sichersten Rückpass der Welt zugespielt. Er stoppt den Ball, kühl bis ans Herz — und sieht sich hoch konzentriert nach einer adäquaten Anspielstation um. So weit, so gut. Nun hat der Ball inzwischen aber seine Reise unbemerkt fortgesetzt, weg von jenem Elfmeterpunkt, auf dem Zentner ihn wähnt. Zentner kickt — Luftloch. Er bemerkt sein Missgeschick und verhindert im Sprint, was kaum mehr zu verhindern war. In seinem zweiten Bundesligaspiel. Ex-Kulttrainer Holger Stanislawski bemerkt im ZDF: „Da bekommt das Spiel ohne Ball ganz neue Bedeutung.“

Große Unterhaltung bescheren der Liga der Trainerwechsler Peter Stöger ...

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Über den Videobeweis zu lästern ist einfach. Macht aber Spaß. Also: Den ersten Schiffbruch erlitt das Wunschkind der Branche, als am 4. Spieltag bei Dortmund gegen Köln (5:0) klar wird: Der Video-Assistent in der Zentrale hat keinen Ton, später keine Vergleichslinien — und schon gar keine Linie. Dann wird von den Schiedsrichtern „nachgebessert“ — ohne die Vereine zu informieren. Verbessert wäre besser gewesen. DFB-Boss Grindel schaltet sich ein — und wieder aus. Seitdem hat das Chaos Bestand, zuletzt in Augsburg. Die Konstante: Im Zweifel gegen den 1. FC Köln. Gladbachs Christoph Kramer sagt: „Der Video-Schiri geht mir auf den Sack.“ Uns auch.

Don Jupp ist „Der letzte Jedi“. Der letzte Vertreter jenes Ordens, auf dem die Hoffnung ruht, dass Frieden in der Galaxis einkehrt. Don Jupp hat es auf seine alten Tage vom Inselplaneten Schwalmtal am Niederrhein noch einmal verschlagen in die Welt des Bösen. Auch Hund Cando muss als sein treuester Weggefährte hinter der letzten Mission zurückstecken. So hat der letzte Jedi sie alle im Handstreich wiedervereint, die uneinen Rebellen aus dem System Bayern. Nicht mit dem Lichtschwert. Mit Worten von Respekt, Mut und Geschlossenheit. Wie es ihn einst die Großmeister der Bundesliga-Historie lehrten — und wie es seiner friedfertigen Natur entspricht. Die Macht ist wieder mit ihnen.

Damit kennt sich der gemeine Augsburger aus: Vor dem Bundesligastart wird dem FCA mit der Gleichmäßigkeit Münchner Meisterschaften der sichere Abstieg prophezeit. Zum Kirchenmaus-Image gesellte sich diesmal noch eine waghalsige Transferpolitik. Leistungsträger wie Verhaegh und Halil Altintop gingen, dafür blieb Stangenware. Mit Rani Khedira und Michael Gregoritsch kamen: Ergänzungsspieler. Ein aufgeblähter Kader mit einem unerfahrenen Trainer? Mittlerweile wird den Augsburgern die Europapokal-Teilnahme zugetraut. Und das Duo Gregoritsch/Finnbogason ist das bekannteste Augsburger Pärchen seit Jim Knopf und Lukas. Damit hatte keiner gerechnet. Aber so ist das wohl mit Überraschungen.

Einen Experten zeichnet per se aus, dass er sich in der Materie ausgezeichnet auskennt. Dann gibt es noch die Fußballexperten. Die konnten mal akzeptabel gegen den Ball treten, das war es dann aber auch. Der Erkenntnisgewinn etlicher „Sky“-Runden tendiert in Richtung der Kölner Chancen auf den Klassenerhalt. Dass es auch anders geht, zeigt Matthias Sammer. Fundiert, bissig und einleuchtend. Blöd nur, dass er mit Eurosport unter dem Radar fliegt. Hätte doch Sky nur einen Experten von des Feuerkopfs, pardon Glatzkopfs Format. Oder um es mit Lothar Matthäus zu sagen: „Wäre, wäre, Fahrradkette.“

Tom Starke hatte sich auf sein Altenteil zurückgezogen. Ein bisschen die Nachwuchskeeper des FC Bayern coachen, die Spiele der Profis anschauen — was man halt so macht als verrenteter Torwart. Dann aber verletzte sich Manuel Neuer. Kein Problem für den 36-Jährigen. Tauscht er seinen Vip-Tribünen-Platz eben gegen einen Sitz auf der Bank. Weil dann aber noch die Muskeln von Sven Ulreich streikten, sprang Starke wieder in der Bundesliga Bällen hinterher. Zwei Spiele, zwei Siege, kein Gegentor. Javi Martinez sagt: „Er sieht aus wie 50, spielt aber wie 28.“

Gibt es bei Bayer Leverkusen ein Problem, greift Trainer Heiko Herrlich nach eigener Aussage schon mal zur Bibel. „Wer von Euch ohne Sünde ist, werfe als Erster einen Stein auf sie“, zitiert Herrlich dann etwa, wenn Fehler im Mannschaftskreis verziehen werden sollen. Ein schmaler Grat, auf dem Herrlich derzeit fantastisch wandelt. Die Konsequenz: Seine verschworene Einheit geht für Club und Trainer nun über das Wasser — und am Ufer wartet die Champions League.

Ja, es war mal „Echte Liebe“. Damals, als noch Jürgen Klopp in Dortmund coachte und pöhlte. Es folgte Thomas Tuchel. Mit Liebe war nicht viel, dafür gab es immerhin den DFB-Pokal. Das aber reichte nicht. Rosenkrieg, Trennung. Mit Peter Bosz sollte die wohlige Heimeligkeit zurückkehren. Das gelang aber auch nur kurzfristig. Acht Ligaspiele in Folge ohne Sieg und nur zwei Punkte in der Champions League führten zur nächsten Trennung in Dortmund. Nun soll Peter Stöger die Mannschaft in die Königsklasse führen. Der Mann, der in Köln keines seiner 14 Ligapartien gewann. Geht gut los! Wo die Liebe eben hinfällt.