Bundesliga Max Kruse: Grenzgänger auf grün-weißen Pfaden
Max Kruse ist dabei, sich beim SV Werder sportlich unverzichtbar zu machen — die Vergangenheit zählt für den Spieler bei der Rückkehr zum VfL Wolfsburg.
Bremen. Vielleicht ist Max Kruse schon zu sehr Pokerface, um wirklich in sein Inneres blicken zu lassen. Die Haare streng nach hinten gebunden, den Blick betont geradeaus, die Worte sorgsam abwägend: So präsentierte sich der Fußballprofi auf dem Podium im Pressesaal des Weserstadions, um seine Sicht der Dinge auf die Freitagspartie der Bundesliga preiszugeben.
„Natürlich ist das etwas Besonderes“, sagte der 28-Jährige beinahe pflichtschuldig. Wenn der VfL Wolfsburg in einem für beide Nordklubs wegweisenden Kellerduell den SV Werder empfängt (20.30 Uhr), richten sich zwangsläufig viele Blicke auf denjenigen, der im Sommer nach Bremen zurückkehrte, wo er vor einem Jahrzehnt seine ersten Schritte als Profi machte.
Und doch trug der Wechsel die Züge einer Flucht mit sich, weil die vergangene Spielzeit in Wolfsburg niemand etwas gebracht hatte. Dem Werksklub nicht, den die privaten Eskapaden des Spielers in Verruf brachten, der wiederum von Bundestrainer Joachim Löw aus dem Kreis der Nationalmannschaft ausgeschlossen wurde. Insofern ist es nicht selbstverständlich, dass Kruse „als eine Art Führungsspieler“ zurückkommt, wie er selbst sagt. Und er gehöre zu den Stützen, „die jetzt auffangen müssen“, dass mit Clemens Fritz (gesperrt) und Thomas Delaney (Gehirnerschütterung) die Mittelfeldzentrale fehlt. Da will einer den Vertrauensvorschuss an der Weser zurückzahlen.
Neben seinen vier Toren bei elf Einsätzen wirkte zuletzt auch sein Auftreten überzeugend. Jüngst beim Auswärtssieg beim FSV Mainz 05 gefiel die mannschaftsdienliche Spielweise des Offensivallrounders, der zusammen mit dem flinken Serge Gnabry ein spielstarkes Gespann bildete, das zudem erfolgreich gegen den Ball arbeitete. Interessanterweise war in dieser Konstellation gar kein Platz mehr für Claudio Pizarro, dessen körperliche Rückstände mit 38 Jahren zu groß geworden sind. Der Königstransfer von Geschäftsführer Frank Baumann ist da weiter.
„Seit Max auf dem Platz steht, hat sich unsere Qualität deutlich erhöht“, sagt Baumann, der im Fall des Klassenerhalts neben den bisher gezahlten 7,5 Millionen Euro Ablöse angeblich weitere 1,5 Millionen nach Wolfsburg anweisen müsste. Erstaunlich, dass der ansonsten so vorsichtige Aufsichtsrat solch ein Paket — inklusive Gehalt für vier Jahre schätzungsweise deutlich mehr als 20 Millionen Euro - genehmigt hat. Aber Werder will mit Kruse weiterkommen und kann nun solche Werte nicht vernichten. Was möglicherweise die relativ milde Reaktion des Arbeitgebers erklärt, als der Fußballprofi zum Jahresanfang zu nachtschlafender Zeit in einen Glatteisunfall in Hamburg verwickelt war. Baumann erklärte lediglich den Zeitpunkt für „nicht optimal“.
Kruse erläuterte, die Spritztour habe familiären Zwecken gegolten. Das sollte es auch sein. Über die (vielen) Verfehlungen der Vergangenheit mag er am liebsten gar nicht reden. Motto: Ich bin so wie ich bin — und so muss man mich nehmen. Am Donnerstag zielte bereits die Frage ins Leere, wie er denn seine Schaffenszeit in der Autostadt bewertet, wo ihm in Krisenzeiten immerhin sechs Tore und sieben Vorlagen gelangen. Lapidare Antwort: „Ich schaue nur in die Zukunft.“
Diplomaten in Stollenschuhen sollen andere sein: Ein angepasster Profi wird Kruse wohl ebensowenig wie ein gertenschlanker Dauerläufer. Als er sich nach seiner monatelangen Ausfallszeit — gleich bei der Pokalblamage in Lotte zog sich die Nummer zehn einen Außenbandriss im Knie zu — Ende November zurückmeldete, wirkte er nicht bestens austrainiert. Trug der Mann wirklich ein Mini-Bäuchlein mit sich herum? Mutmaßungen dieser Art verärgerten ihn derart, dass er am vergangenen Wochenende ein Fernsehinterview abbrach, weil missliebige Zeitungsjournalisten hätten zuhören können. Im Trainingslager im spanischen Alhaurin el Grande kam Kruse demonstrativ in keine einzige Medienrunde. Stattdessen durfte er als einer von vier auserwählten Bremer Kickern ein Einzelzimmer beziehen. Es bleibt wohl eine Gratwanderung mit ihm, dem Grenzgänger auf grün-weißen Pfaden.