Niersbach: „Manuel Neuer kann alles“

Frankfurt/Main (dpa) - DFB-Generalsekretär Wolfgang Niersbach hat Nationaltorwart Manuel Neuer als „Weltsensation“ bezeichnet. In einem Interview der Nachrichtenagentur dpa lobte er den vor einem Wechsel zu Bayern München stehenden Keeper: „Manuel Neuer kann alles.“

„Er ist ein Torhüter, der aus meiner Sicht überhaupt kein Defizit hat“, sagte Niersbach, und meinte zudem, dass das junge Team von Bundestrainer Joachim Löw das Potenzial habe, in die Reihe der großen deutschen Fußball-Nationalmannschaften aufzurücken. Dafür müsse man allerdings mit einem Titelgewinn den „i-Punkt auf ein Turnier setzen“. Der DFB-Generalsekretär berichtet auch von einer geplanten Reform des umstrittenen Länderspiel-Kalenders.

Statt Urlaub stehen für die Nationalspieler drei Wochen nach dem letzten Bundesliga-Spieltag noch zwei EM-Qualifikationsspiele auf dem Programm. Haben Sie Verständnis für die Kritik an diesem Termin?

Niersbach: „Das kann ich ganz entspannt beantworten. Der internationale Spielkalender ist bis 2014 verabschiedet. Wir haben aber eine Arbeitsgruppe der UEFA, um Optimierungen zu finden, speziell mit dem Ziel, die Einzel-Länderspiele im August und im Februar abzuschaffen.“

Was ist angedacht?

Niersbach: „Für den Herbst haben wir eine optimale Lösung, indem es im September, Oktober und November drei Doppelspieltage gibt. Für die Trainer - darüber habe ich mit Joachim Löw gesprochen - wäre das eine optimale Verbesserung. Auch ein Doppelspieltag im März ist kein Problem. Das Problem ist wie in diesem Jahr der Juni, dieser Fortsatz am Ende einer Saison.“

Bayern-Chef Karl-Heinz Rummenigge beklagt grundsätzlich, dass es heutzutage viel zu viele Länderspiele gibt.

Niersbach: „Zur UEFA-Arbeitsgruppe gehört auch die ECA, die Vereinigung der europäischen Vereine, die Rummenigge als Vorsitzender repräsentiert. Der Kalle weiß, dass sich die Zahl der Länderspiele nicht erhöht hat.“

Das heißt, zwölf - wie in dieser Saison ohne Turnier - halten Sie für okay?

Niersbach: „In Jahren mit einem Turnier haben wir 17, 18 Spiele. Und in den Zwischenjahren zehn bis zwölf. Die Kernaussage des DFB lautet: Wir machen die Länderspiele nicht zum Selbstzweck oder um Festgeldkonten zu erhöhen. Wir brauchen sie, um alle gemeinnützigen Aufgaben finanzieren zu können - gerade auch die Talentförderung. Diese kostet rund 20 Millionen Euro im Jahr. Davon profitiert wiederum die Bundesliga. Also, der Kreislauf stimmt. An der Zahl der Länderspiele soll sich nichts ändern.“

Die Termin-Streitereien dürften aber wohl immer wieder aufflammen?

Niersbach: „Die grundsätzliche Problematik ist doch, dass es heute sogar terminliche Schwierigkeiten nach sich zieht, Europameister zu werden. In diesem Fall muss man den Confederations Cup 2013 in Brasilien spielen. Das würde bedeuten, dass unsere Nationalspieler wieder drei Jahre hintereinander keine Pause hätten: 2012 Europameisterschaft, 2013 Confed-Cup, 2014 Weltmeisterschaft.“

Joachim Löw würde aber doch sicherlich gerne mit der Nationalelf vor der WM 2014 mal nach Brasilien bzw. Südamerika reisen?

Niersbach: „Natürlich. Aber das schaffen wir terminlich nicht. Dazu kommt, dass die Südamerikaner auch nicht mehr gerne zuhause spielen, denn deren Spieler stehen fast alle in Europa unter Vertrag. Wir haben gegen Brasilien neben der Partie jetzt im August in Stuttgart noch ein zweites Spiel abgeschlossen. Das wollen die Brasilianer im August 2013 irgendwo in Europa austragen, denn sie erzielen hier auch höhere Einnahmen.“

Könnten Reisen der Nationalelf in neue Märkte nicht auch hilfreich für die Bundesliga und deren Vermarktung sein?

Niersbach: „Ja, natürlich. Dass unsere Spieler so geglänzt haben bei der WM in Südafrika, war auch ein großer Vorteil für die Auslandsvermarktung der Bundesliga. Wir hatten eigentlich eine Spielvereinbarung in Australien. Aber weil man das nicht hinkriegt, haben wir in Mönchengladbach gespielt.“

Sie müssten wohl mit wütenden Protesten der Vereine rechnen?

Niersbach: „Natürlich. Die Holländer waren in Australien und sind zuhause beschimpft worden. Es ist ein anstrengender Flug, so reizvoll es sportpolitisch wäre, auch einmal dort zu spielen. Wir wollen doch überall Fernsehverträge verkaufen. Dann müssen wir uns in diesen Gegenden eigentlich auch zeigen.“

Sie haben mit Bundestrainer Joachim Löw und der sportlichen Leitung der Nationalelf die Verträge langfristig bis zur WM 2014 verlängert. Wollten Sie damit auch vermeiden, dass bei der EM im kommenden Jahr keine lästige Zukunfts-Diskussion wie während der WM 2010 gibt?

Niersbach: „Der wichtigste Grund war, dass man voneinander überzeugt ist. Joachim Löw weiß, dass der DFB ein erstklassiger Arbeitgeber ist und er Arbeitsbedingungen hat, wie es sie besser auf der Welt nicht geben kann. Im Gegenzug wissen wir, was wir an ihm haben. Das Verhältnis mit ihm und der gesamten sportlichen Leitung ist optimal. Und sein Draht zur Mannschaft, zu den nachrückenden Spieler-Generationen, könnte besser nicht sein.“

Wenn Sie diese junge Löw-Truppe betrachten. Hat sie das Zeug, in die Phalanx der ganz großen deutschen Mannschaften vorzustoßen?

Niersbach: „Ich habe bei der WM in Südafrika die spielerische Leichtigkeit mit unserer Europameister-Elf von 1972 verglichen. Das Potenzial ist da. Aber von einer ganz großen Mannschaft wird man erst sprechen können, wenn sie den i-Punkt auf ein Turnier setzen kann. Das ist nicht der dritte Platz oder das unglücklich verlorene Elfmeterschießen - dazu gehört der Titel.“

Seit dem EM-Triumph 1996 gab es keinen mehr. Wie groß ist nach zwei dritten WM-Plätzen 2006 und 2010 sowie dem verlorenen EM-Finale 2008 die Titelsehnsucht? Muss es bei der EM 2012 oder WM 2014 klappen?

Niersbach: „Sehnsucht? Klar, ist ein Titelgewinn das Ziel. Ich bin aber lange genug dabei, um zu wissen, wovon das abhängt. 1990 beim WM-Triumph in Italien und 1996 beim EM-Gewinn in England haben wir jeweils im Halbfinale ein Elfmeterschießen gewonnen. Titel kann man nicht planen.“

Was ist planbar?

Niersbach: „Was wir beim DFB machen können, ist ein Umfeld zu schaffen, wie es besser nicht geht. Das wird immer unser Anspruch sein. Wir haben optimale Strukturen in der Nachwuchsförderung, auch im Zusammenspiel mit der DFL und den Bundesligavereinen. Wir sorgen für frisches Blut. Aber Joachim Löw hat neulich treffend gesagt, dass es international für die Jungen noch einmal anders ist als in der Bundesliga.“

Für den ganz großen Wurf braucht man Anführer und Ausnahmespieler. Gibt es die? Oder wer könnte das werden?

Niersbach: „Diese Spieler haben wir. Ich denke da an Bastian Schweinsteiger, Mesut Özil, Philipp Lahm, Sami Khediera und viele, die das Potenzial haben.“

Manuel Neuer halten einige Experten schon jetzt für den weltbesten Torhüter.

Niersbach: „Der Junge ist eine Weltsensation. Manuel Neuer kann alles. Er ist ein Torhüter, der aus meiner Sicht überhaupt kein Defizit hat.“

Und Mario Götze?

Niersbach: „Ihm hat der liebe Gott einen unglaublichen Bewegungsablauf mitgegeben - es ist sensationell, was der mit der Kugel anfängt.“