Robin Dutt: "Es gibt in Leverkusen keine Alternative zu hohen Zielen"
Leverkusen. Ein Nachfolger von Jupp Heynckes hat es immer schwer, es sei denn, er ist so selbstbewusst und zielorientiert wie Robin Dutt. Der neue Trainer von Bayer Leverkusen spricht im Interview über den Fußball, Geheimtraining und das „absurde Bundesligageschäft“.
Neuerdings gibt es in Leverkusen Geheimtraining?
Robin Dutt: Ich kann mich über die Reaktionen nur wundern. Jeden Tag wird über Trainer diskutiert, über Taktik, Pläne, Strategien. Wir spielen am ersten Spieltag gegen Mainz, einfacher wäre es doch, ich schicke Thomas Tuchel meine Pläne und er mir seine. Ich wundere mich wirklich, dass sich Leute darüber wundern, dass man Strategien, die man für den Samstag erarbeitet hat, nicht schon am Freitag öffentlich macht.
Sind das die Dinge, die das Bundesligageschäft absurd machen, wie Sie einmal gesagt haben?
Dutt: Die Fußballszene ist irreal. Ich zweifle ja auch nicht die Kernkompetenz meines Zahnarztes an, aber die Kernkompetenz eines Trainers darf jeder anzweifeln. Weil jeder glaubt, den Fußball verstanden zu haben, weil seine Regeln einfach sind. Aber seine Strategie ist kompliziert, die Mannschaftsführung sehr anspruchsvoll, die Trainingslehre auch.
Sie arbeiten in einem komplizierten Beruf?
Dutt: Ich arbeite in einem von sehr vielen komplizierten Berufen, die es auf der Welt gibt.
Könnten Sie auch etwas anderes tun?
Dutt: Ich kann mir vorstellen, etwas anderes zu tun. Ich möchte mir es aber nicht vorstellen, in meiner Sicht der Dinge gibt es nichts Schöneres, als Fußballlehrer zu sein. Das heißt nicht, dass ich mich vom Fußball abhängig mache.
Sie sind also ein richtig zufriedener Mensch?
Dutt: Nichts macht Spaß, wenn man nicht beachtet wird. Und wir werden intensiv beachtet und beobachtet. Dann darf man sich über einige Dinge auch nicht wundern, aber unterm Strich musst du eine Chance auf Erfolg haben.
Denken Sie noch an Freiburg?
Dutt: Mehr als das. Ich telefoniere in schöner Regelmäßigkeit mit meinem Freund und Nachfolger Marcus Sorg.
Ist Leverkusen Ziel oder Zwischenziel?
Dutt: Weder noch. Ich habe in meinen Vereinen immer so gearbeitet als wäre es mein letzter Verein. Immer Höchstleistung. Aber in den Vereinen, in denen ich gearbeitet habe, konnte man nicht vor Augen haben, einmal Bayer Leverkusen zu trainieren und in der Champions League zu spielen.
Sollten Trainer ehemalige Profis sein, wie Matthias Sammer jüngst forderte?
Dutt: Die Kompetenz muss das Kriterium sein. Nicht die Vita. Nicht, ob man früher ein erfolgreicher Profi war. Es soll auch Naturtalente geben, aber Kompetenz muss jeder beweisen, egal, ob er früher Nationalspieler war oder nicht. Ich bin jetzt 46 Jahre alt und bin schon seit 17 Jahren Trainer, diese Erfahrung kann ein Nationalspieler nicht haben. Aber am Ende sind wir alle abhängig davon, auf welcher Tabellenposition der Verein steht.
Sind Sie ein Naturtalent?
Dutt: Es war eher harte Arbeit, aber Talent gehört sicher auch dazu.
Sie haben sich damals schnell für Freiburg entschieden, ging es bei Bayer auch so schnell?
Dutt: Es hat lange Überlegungen gekostet, Freiburg zu verlassen. Danach ging es aber gedanklich sehr schnell, mich für Leverkusen zu entscheiden.
Und jetzt wollen Sie deutscher Meister werden.
Dutt: Es gibt in Leverkusen keine Alternative zu hohen Zielen. Wenn wir Sechster werden, steht der Trainer in der Kritik. Wer Zweiter wird, kann auch Erster werden. Ich stehe lieber für meinen Mut in der Kritik als für meine Zurückhaltung. In den letzten sechs Jahren sind die Bayern dreimal Meister geworden, aber auch Stuttgart, Wolfsburg und Dortmund, Vereine, die vorher keiner auf der Rechnung hatte.
Ein kleiner Kader kann ein Risiko sein.
Dutt: Das ist richtig, aber wir haben alle Positionen mehrfach besetzt, weil wir unsere Spieler variabel einsetzen können. Qualität geht vor Quantität. Mir hilft es doch nicht, den Kader auf 35 Spieler aufzublasen in der Hoffnung, 20 zu finden, die Leistung bringen.
Arturo Vidal ist weg, zurück zur Tagesordnung.
Dutt: Natürlich war Vidal ein absoluter Leistungsträger, offensiv wie defensiv. Aber wir haben die Vorbereitung genutzt, diese Lücke zu schließen. Es gibt keinen Grund, einem Spieler die Chance zu entziehen, indem ich neue Leute hole.
Was erwarten Sie von Michael Ballack?
Dutt: Ich erwarte von Michael Ballack, was ich von allen anderen auch erwarte. Höchstleistung, auf und neben dem Platz. Durch seine Erfahrung kann er einen wie Sami Hyypiä ersetzen. Michael Ballacks Leistungen in der Vorbereitung bestätigen mich in dieser Erwartung.
Andere Vereine diskutieren über den Kapitän.
Dutt: Simon Rolfes ist gewählt worden, einen größeren Beweis seines Stellenwertes kann es nicht geben.
Und jetzt gleich nach Dresden.
Dutt: Pokalspiele sind immer einmalige Spiele. In jedem Jahr fliegen Bundesligisten aus dem Wettbewerb, wir hoffen, dass wir es nicht sind.
Was halten Sie eigentlich von Sportjournalisten?
Dutt: Ich lese gerne gute Interviews. Das hat nicht nur mit denen zu tun, die Antworten geben, sondern auch mit denen, die die Fragen stellen. Sportjournalismus ist ein anspruchsvoller Job, ein Job, der mich interessieren könnte.
Nochmals zu den sportlichen Zielen. Wo landet Bayer mit Dutt?
Dutt: Es hat sich nichts geändert. Ich habe keine Ziele formuliert, sondern Bewertungen abgegeben. Wenn wir keinen internationalen Platz erreichen, war es eine schlechte Saison, ein Europa League-Platz wäre eine durchschnittliche Saison, ein Champions League-Platz eine gute Saison, der Titel überragend.
Der Titel ist also das Ziel?
Dutt: Die Frage ist doch, womit man sich zufrieden gibt. Ein zweiter Platz ist hervorragend, aber wir dürfen damit nicht zufrieden sein oder ihn billigend in Kauf nehmen.