Roger Schmidt: Der Mann, der Gold wert sein kann

Leverkusens Trainer Roger Schmidt hat einen Lauf. Sein bejubeltes Konzept muss am Mittwoch gegen Kopenhagen aufgehen. Es geht um sehr viel Geld.

Leverkusens Trainer Roger Schmidt während des Abschlusstrainings der Werkself am 26. August 2014.

Foto: Federico Gambarini

Leverkusen. Vor dem Play-off-Rückspiel um den Einzug in die Champions-League-Gruppenphase gegen den FC Kopenhagen am Mittwoch ist ein großes Stück Zufriedenheit bei Bayer Leverkusen zu spüren. Es scheint, als würde ein Plan aufgehen. Der Plan, attraktiven Fußball zu spielen — und dabei auch noch erfolgreich zu sein.

Es gibt schlechtere Voraussetzungen, um gegen die Dänen nach dem 3:2-Sieg im Hinspiel in die Gruppenphase von Europas Besten einzuziehen. Und dabei mindestens rund 20 Millionen Euro einzunehmen. „Es ist klar, dass es für den Verein wirtschaftliche Gründe gibt, die nächste Runde erreichen zu wollen“, sagte Schmidt am Dienstag. „Aber ich als Trainer und die Spieler wollen uns mit den besten Mannschaften messen. Das ist unser Ansporn.“

Der 47-jährige Nachfolger von Interimstrainer Sascha Lewandowski versucht, dem Team eine neue Spielidee zu vermitteln. Über die er auch redet. „Ich hasse es wie die Pest, wenn der Ball nach dem Anstoß beim eigenen Torhüter landet. Da kriege ich ein Magengeschwür.“ Vom Anpfiff an soll seine Mannschaft agieren, den Gegner bearbeiten. „Es ist wichtig, von der ersten Sekunde an da zu sein.“

Bei Schmidt ist das keine beliebte Fußball-Floskel: Der BVB aber auch Kopenhagen haben das zu spüren bekommen. Stefan Kießling traf im Hinspiel im Stadion Parken bereits nach fünf Spielminuten, in Dortmund erzielte Karim Bellarabi den Führungstreffer so schnell wie kein Spieler vor ihm in der Bundesliga-Geschichte: nach neun Sekunden.

Langsames Hereintasten widerspricht diametral der Auffassung des Fußball-Lehrers. Der Maschinenbauingenieur Schmidt war selbst Spielmacher in unterschiedlichen Amateur-Spielklassen und liebte auch damals bereits den Offensiv-Fußball. Diese Idee soll sich nun auch in Leverkusen wieder etablieren. Wie einst unter Klaus Toppmöller oder Christoph Daum — nur noch brachialer und spektakulärer.

Es war ein wenig verloren gegangen. Der müde, oft lähmende Defensiv-Fußball unter Sami Hyypiä oder dessen Vorgänger Robin Dutt hatten die Verantwortlichen bei Bayer 04 tatsächlich satt. Das neue Konzept: Der Gegner wird bereits an dessen Strafraum mit vier bis fünf Gegenspielern gestört. Die Zeiten, in denen die Mittellinie der Ort war, wo sich die Stürmer bei gegnerischem Ballbesitz frühestens aufhalten durften, sind vorbei. „Mit der extremen Überzahl in Ballnähe rauben wir dem Gegner viel Zeit“, erklärt Schmidt.

So hat Schmidt schon seit Jahren begeistern können. Beim SC Paderborn und bei RB Salzburg haben sie den Trainer schweren Herzens gehen lassen. Weil sie diese mutige Art des Fußballs zu schätzen gelernt hatten — mit allen Risiken und Nebenwirkungen.

Denn die neue Taktik hat auch Schwächen: Wenn in einem Teil des Spielfelds Überzahl geschaffen wird, entsteht im anderen Teil Freiraum für den Gegner. BVB-Trainer Jürgen Klopp stöhnte zuletzt: „Wir haben es nicht geschafft, die Räume, die Leverkusen mit dieser brutal ballorientierten Spielweise aufmacht, zu bespielen.“

Schmidt weiß um diese Gefahr, wenn ein kluger Pass des Gegners sämtlichen Offensivgeist ad absurdum und seine Spieler in eine brenzlige Situation führen kann. Gleichwohl ist er der Meinung, auch für diese Situationen Vorsorge getroffen zu haben. „Diese Räume sind nur sehr schwer zu erreichen. Und wenn es dem Gegner doch gelingt, dann haben meine Spieler das taktische Mittel, um darauf reagieren zu können“, sagt er. „Mit diesem Stil können wir viele Tore schießen und auf der anderen Seite Treffer verhindern. Im Moment sieht es so aus, als würde das ganz gut klappen.“