Pro Videobeweis Schiedsrichterin Steinhaus: Mit Gänsehaut am Anstoßkreis

Frankfurt/Main (dpa) - Wenn Bibiana Steinhaus vor dem Anpfiff so um sich schaut, dann staunt sie noch jedes Mal.

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„Für mich ist es immer noch ein wenig unfassbar, wenn ich als Schiedsrichterin in einem Bundesliga-Stadion stehen darf - da habe ich Gänsehaut. Ich genieße jeden Einsatz“, sagt die 38-Jährige aus Hannover in einem Interview der Deutschen Presse-Agentur.

Im September feierte sie ihre vielbeachtete Premiere in der Bundesliga. Mit „viel Elan“ startet Steinhaus nun in den DFB-Lehrgang auf Mallorca und ins neue Fußball-Jahr. Erstmal aber werden die 78 Spitzenreferees und Assistenten dort das Streitthema Nummer eins der Hinrunde aufarbeiten.

„Ich bin ein Fan des Videobeweises. Alles, was den Fußball gerechter macht, kann nur hilfreich sein. Dass in der Hinrunde noch etwas Sand im Getriebe war, ist bei technischen Neuerungen häufig so“, sagt Steinhaus und hofft auf lehrreiche Videositzungen: „Jetzt nach einem halben Jahr können wir mit ganz konkreten Situationen arbeiten.“

Die Polizeibeamtin fordert: „Es muss für den Zuschauer transparent sein, warum der Schiedsrichter so oder so entscheidet.“ Und sie betont: „Wir haben einfach gelernt, dass die Entscheidungsgewalt immer der Schiedsrichter behält. Der Unparteiische auf dem Feld hat die Möglichkeit, in der Video-Area noch mal die Szene anzuschauen, und entscheidet nach seinem Ermessen.“ Das sei „ganz, ganz wichtig“ und in der öffentlichen Wahrnehmung vielleicht etwas untergegangen. „Dass da irgendwo in einem Keller in Köln der Videoassistent allein entscheidet, das ist ja nicht korrekt.“

Vier Bundesliga-Spiele hat Steinhaus in der Hinrunde gepfiffen, viel mehr werden es nach ihrer Einschätzung auch in der zweiten Saisonhälfte nicht sein. „Wir Aufsteiger werden in unserer ersten Saison wohl so acht, neun Spiele leiten“, erklärt sie. „Unsere Topleute pfeifen natürlich deutlich mehr, die haben auch viel Erfahrung.“

Ganz ohne Fußball hat sich Steinhaus über die Feiertage bei ihrem Lebensgefährten Howard Webb, dem früheren WM-Schiedsrichter, in England erholt. „2017 war aufregend, bewegend, überragend, großartig“, sagt sie, kann den Rummel aber durchaus differenzieren: „Die Medienaufmerksamkeit in der Bundesliga ist natürlich deutlich größer, aber ich kann immer noch völlig entspannt im Supermarkt einkaufen.“

Auch im Oberhaus hat sich Steinhaus höchste Anerkennung verschafft. Nach ihrer Premiere beim Spiel Hertha BSC - Werder Bremen lobte Berlins Torjäger Vedad Ibisevic: „Großer Respekt! Ich hätte nichts dagegen, wenn es in der Liga mehr Frauen als Schiedsrichter gäbe.“ Mehr Frauen in leitenden Positionen „würden uns nur gut tun“, sagte Freiburgs Trainer Christian Streich auf das Steinhaus-Debüt angesprochen und schlug verbal gleich eine ganz weite Flanke: „Die Geschichte sagt uns, dass es meistens nicht so gut war, wenn zu viele Männer am Regieren sind.“

Der DFB hatte die inzwischen dreimalige „Weltschiedsrichterin des Jahres“ lange zappeln lassen mit einer Beförderung in die höchste Liga. Dennoch hält sich Steinhaus raus aus der Kritik an den inzwischen entmachteten Schiedsrichter-Bossen Hellmut Krug und Herbert Fandel. Diesen hatte FIFA-Referee Manuel Gräfe öffentlich Vetternwirtschaft vorgeworfen. „In diesen Diskussionen ist so viel gesagt worden. Ich möchte öffentlich da wirklich keine Position beziehen“, sagt Steinhaus. Ob es eine grundsätzliche Änderung in der Führungsstruktur geben müsse? „Wenn dem so sein sollte, wird das sicherlich intern besprochen.“

Auch wenn Steinhaus bei ihren Bundesliga-Einsätzen im Fokus der Kameras steht, die wahre Arbeit verrichtet sie oft alleine - und die heißt: Training, Training, Training. Bei den Leistungstests muss die erste Schiedsrichterin der Bundesliga-Historie die gleichen Anforderungen erfüllen wie ihre männlichen Kollegen. Zum Beispiel sechs mal 40 Meter in jeweils sechs Sekunden sprinten, mit nur einer Minuten Pause zwischen den Distanzen.

„Ich trainiere inzwischen sehr viel effektiver als früher. Ich mache ganz viele Sprinteinheiten, Intervalltraining, natürlich auch Kraft- und Ausdauertraining“, erklärt sie. „Ja, bei mir gelten die gleichen Maßstäbe - was aber eigentlich nur fair meinen Kollegen gegenüber ist: Wir wollen ja die gleichen Spiele leiten.“

Daran haben sich inzwischen auch Profis wie Kerem Demirbay gewöhnt: Der heutige Nationalspieler hatte zu seiner Düsseldorfer Zeit 2015 nach einem Platzverweis durch Steinhaus sinngemäß gesagt: „Ich finde, Frauen haben im Männerfußball nichts zu suchen.“ Beim Spiel seines Clubs 1899 Hoffenheim gegen VfB Stuttgart ließ er sich nun ganz brav von Steinhaus das Abseits erklären, als bei seinem Pass nur noch ein Stuttgarter zwischen Ball und Tor war und sagte später: „Ich wusste in dem Moment die Regel nicht.“