Schmadtke: "Das ist der Job, dafür wird man bezahlt"

Vor dem Spiel gegen Bayern München sprach die WZ mit Jörg Schmadte, Sportdirektor von Hannover 96. Warum der gebürtige Düsseldorfer die Erfolge seines Klubs nicht gemeinsam mit Trainer Mirko Slomka feiert und ob er sich ein Engegement bei der Fortuna vorstellen kann.

Herr Schmadtke, die Bayern kommen. Ein besonderes Spiel?
Jörg Schmadtke:
Nein
Natürlich eines von 34 in der Saison.
Schmadtke: Ja. Wenn, dann ist die Konstellation besonders. Wir stehen zehn Spieltage vor Saisonschluss vor den Bayern, und die müssen Zweiter werden, dementsprechend werden sie versuchen, hier aufzutreten.
Und was versucht 96?
Schmadtke: Möglichst erfolgreich zu sein. Wir phantasieren hier nicht rum und sagen jetzt, dass wir unter die ersten drei oder fünf wollen: Wir schauen einfach mal.
Das ist die Dortmund-Haltung.
Schmadtke:
Ich werde immer wieder gefragt: Wie ist ihre Zielsetzung? Ich frage dann immer: Wem dient eine Zielsetzung? Und die Antwort ist: den Medien.
Deswegen fragen die auch immer wieder.
Schmadtke:
Die schauen einen dann immer an und sagen: ,Na, aber es ist doch wichtig ein Ziel auszugeben?’ Ich sage: Es ist überhaupt nicht wichtig. Positive Ergebnisse und guten Fußball, den wollen alle sehen. An einer Zielsetzung muss ich mich nachher messen lassen. Und die Zeitung sagt: Schau mal, Du hast das gesagt — und hast es nicht erreicht. Wir haben in Hannover die erfolgreichste Saison überhaupt. Wir werden wahrscheinlich einen neuen Klubrekord an Punkten aufstellen. Und wenn wir dann am Ende Siebter werden, dann haben wir keine erfolgreiche Saison gespielt? Das muss ja nicht sein.
Sie gelten als eher nüchterner Typ, wieviel Spaß haben Sie an dieser Saison?
Schmadtke:
Ich habe insgesamt Spaß am Fußball. Und diese Saison ist etwas angenehmer als viele andere Jahre, die ich erlebt habe.
Ist diese Bundesliga-Saison verrückt oder erklärbar?
Schmadtke:
Bei Vereinen wie Mainz, Nürnberg, Freiburg, Hannover oder Dortmund steht die Homogenität des Kaders im Vordergrund. Und die ist groß. Hinzu kommt, dass die großen Klubs schwächeln. So kriegen wir ein Tabellenbild zusammen, das für den einen oder anderen noch ein bisschen schwer zu verstehen ist. Aber für diese Saison müssen wir uns wohl daran gewöhnen.
Wieso nehmen so viele junge Spieler eine so dominierende Rolle ein? Ist das ein Wandel?
Schmadtke:
Dieses Mal kommt es in geballter Form zum Tragen. Das ist ein Ergebnis der Ausbildungskonzepte, die sich enorm verbessert haben. Und natürlich sind viele Klub gezwungen, auf junge Spieler zu setzen, weil sie schlicht günstiger sind. Wann immer Vereine aus finanzieller Not auf junge Spieler setzen mussten, hat das in der Regel ganz gut geklappt. Ich erinnere an Stuttgart vor längerer Zeit.
Sind viele junge Spieler inzwischen eine Art Erfolgsgarantie?
Schmadtke:
Dass junge Spieler unter Umständen nicht so stressresistent sind, weil Erfahrung fehlt, kann man lange diskutieren. Aber Dortmund macht es doch vor: Die gewinnen auch beim FC Bayern — mit junger Mannschaft, mit Leidenschaft, Kampfbereitschaft und dem Wissen um die eigenen Stärken.
Hannover trumpft durch enorme Laufbereitschaft. Wie schwer ist die den Spielern zu vermitteln?
Schmadtke:
Man kann durch extremes Zweikampfverhalten und hohe Laufbereitschaft ein Stück weit Qualitätsunterschiede ausgleichen, das macht Dortmund vor, auch Freiburg und Mainz. Wenn Sie damit Erfolg haben, merkt das jeder einzelne Spieler sehr schnell.
Der Weg Mirko Slomkas in Hannover war zu Beginn ein steiniger.
Schmadtke:
Wir waren davon überzeugt, dass unser Weg zielführend ist. Deshalb haben wir das geschützt und gestützt.
Wie hat sich Ihr als problematisch dargestelltes Verhältnis zum Trainer entwickelt?
Schmadtke:
Ich sage: Man muss nicht immer Hand in Hand durch die Gegend laufen, man kann auch kontrovers diskutieren, wenn es der Sache dient. Problematisch ist es, wenn man diskutiert um des Diskutieren willens. Oder aber, um seinen Standpunkt einzig und allein zu manifestieren.
Sie feiern den 96-Erfolg nicht zusammen?
Schmadtke:
Nein, wir respektieren diese Haltung, wir leben damit. Und wir leben damit sehr gut. Weil jeder die Arbeit des anderen schätzt.
Vereinschef Martin Kind soll ihnen einen unbefristeten Vertrag angeboten haben. Ist da mehr Liebe?
Schmadtke: Herr Kind ist geradlinig, verlässlich in seinen Aussagen, das macht die Sache einfacher. Es gibt Gespräche darüber, wie wir ein Vertragsmodell für mich erstellen. Und das sind konstruktive Gespräche.
Arbeiten Sie derzeit mehr an der laufenden oder der kommenden Saison?Schmadtke: An der kommenden. Wie sieht diese Arbeit aus?
Schmadtke:
Wir haben ein Netzwerk an Scouts. Deren Berichte werden gefiltert, und wir haben natürlich Positionen, die für uns relevant sind. Am Ende werden Vorschläge gemacht. Ich neige dann dazu, mir die Spieler auch noch selber anschauen zu wollen. Und zum Leidwesen meiner Scouts komme ich dann auch mal um die Ecke und sage: Der gefällt mir nicht. Dann fangen die wieder von vorne an. Das ist viel Arbeit. Bei Mohammed Abdellaoue sind wir über ein halbes Jahr dran geblieben. Wir haben ihn verfolgt. Und am Ende heißt es: Der Schmadtke hat ihn geholt. Aber daran arbeiten viele. Das wird zu oft vergessen.
Klopfen Sie sich noch heute auf die Schulter, wenn Sie Abdellaoue treffen sehen?
Schmadtke:
Nein, das ist der Job, dafür wird man bezahlt. Dass man Spieler findet, die möglichst viele toll finden — und die dann auch noch erfolgreich sind. Um nichts anderes geht es. Abdellaoue kam als Unbekannter, es gab Widerstand vom Boulevard. Das hat sich gedreht: Von Null-Null-Abdellaoue wurde er zum Spieler, ohne den wir nicht mehr gewinnen können — was ja nun widerlegt ist. Dass er so durch die Decke geht, das kann man auch nur hoffen.
Wie baut man eine Mannschaft?
Schmadtke:
Die wichtigste Aufgabe ist, die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen einzuhalten. Die Mannschaft muss eine Homogenität entwickeln können. Man darf nicht zu viele Verrückte einbauen. Wenn ich davon eine Horde habe, wird das in Krisenzeiten schwer zu kontrollieren sein. Wir schauen schon darauf: Was steckt hinter dem Fußballer? Passt der in die Gruppe, passt der ins Umfeld? Und wie krisensicher ist die Geschichte?
Ihre Familie lebt noch in Düsseldorf. Reizt Sie nicht eine Rückkehr in den Westen?
Schmadtke:
Düsseldorf ist mein Hauptstandort, das ist die Stadt in der ich geboren und groß geworden bin. In dem Geschäft weiß man ohnehin nie, wo man länger ist. Ich habe 20 Jahre bei der Fortuna gespielt. Dass man das Geschehen dort intensiver beobachtet ist doch klar. Meine Tochter geht ja auch des öfteren zu Spielen in die Düsseldorfer Arena. Da schließt sich der Kreis.
Der würde sich schließen, wenn Sie noch einmal für Fortuna tätig würden.
Schmadtke: Es kann sein, dass sich das ergibt. Wie auch das Gegenteil. Und dann werde ich wie viele Ehemalige irgendwann als alter Herr auf der Tribüne sitzen und wahrscheinlich auch irgendein Zeug quatschen, das die Menschen hören oder auch nicht hören wollen.
Wie sehen Sie die Entwicklung in Düsseldorf?
Schmadtke:
Sie haben in den letzten drei Jahren erfolgreich gearbeitet. Letzte Saison haben sie eine grandiose Runde gespielt. Natürlich mit der großen Gefahr, wenn man Vierter wird, Begehrlichkeiten zu wecken. Aber sie haben Ruhe bewahrt und sich deutlich stabilisiert, jetzt ist es wieder eine gute Runde. Nur nach ganz oben wird es nicht mehr reichen. Aus Ihrer Sicht: Warum ist es für die Fortuna so schwer, die heimische Wirtschaft ins Boot zu holen?Schmadtke: Das hat eine Geschichte. Man ist bei der Fortuna nicht immer gut mit dem anvertrauten Geld umgegangen, da wurde mancher verprellt. Ich denke da etwa an die Victoria-Versicherung, die sich dann irgendwann zum FC Schalke orientiert hat. Diese Prozesse dauern, es gibt genügend Wirtschaftskraft in Düsseldorf. Da muss man nun eben versuchen, die Entscheider nach und nach zu überzeugen, dass es sich lohnt, in die Fortuna zu investieren.