Bundesliga Schon wieder ein Endspiel für Leverkusen?
Bayer Leverkusen spielt völlig unter Wert, reißt sich aber immer dann zusammen, wenn alles zusammenzubrechen droht. Aber kann das Trainer Schmidt und dem Club genügen?
Leverkusen. Inzwischen lacht Roger Schmidt über diese Fragen, die ihn früher zickig werden ließen. Man habe, sagte der Trainer von Bayer 04 Leverkusen am Dienstag auf der Pressekonferenz am Tag vor dem Auswärtsspiel beim 1. FC Köln (heute, 20 Uhr), in dieser Konstellation ja schon oft zusammengesessen, und am Ende sei das ja nun eigentlich immer gut ausgegangen. Was Schmidt meinte: Immer dann, wenn sich die Diskussion um schlechte Leistungen der Leverkusener Mannschaft und die vermeintlich schwindende Tatkraft des Leverkusener Trainers auf den Höhepunkt zubewegte, gewann Leverkusen plötzlich wieder. Meist war danach die Diskussion beendet. Bis sie Wochen später wieder aufbrach. Wie jetzt in der Bundesliga: Niederlagen gegen Leipzig und Bayern, fürchterliche Heimspiele beim 1:1 gegen Freiburg und beim 1:2 gegen Ingolstadt, dazwischen eine wenig verheißungsvolle Leistung beim 1:0-Sieg auf Schalke: Selten war ein Leverkusener Erfolg unverdienter. Roger Schmidt, inzwischen zweieinhalb Jahre im Dienst, schien am Dienstag die erneuten Diskussionen um seinen Arbeitsplatz derart locker zu nehmen, dass eine Journalistin mal ganz direkt nachfragte. „Herr Schmidt, befürchten Sie, dass sie bald ihren Job verlieren?“ „Nein“, sagte der Sauerländer, „befürchte ich nicht.“
Dann lächelte Schmidt, es ist jetzt immer ein ähnliches Bild, dieser Trainer lässt sich nicht mehr aus der Reserve locken. Er hat das Geschäft besser verstanden als früher: Wer Wind sät, erntet Sturm. Wer ruhig und überlegen agiert, hat mehr Spielraum. Schmidt hat sich deshalb entschieden, gelassen zu sein. Nie mehr zickig, Konzentriert. Aber: Leverkusen gewinnt kaum noch Bundesliga-Spiele.
Es ist kein Gerücht, dass es im Verein unterschiedliche Auffassungen darüber gibt, wie mit dieser ersten Trainerstelle künftig umzugehen sei. Noch umgeben Schmidt mehr Befürworter denn Zweifler, und weil mit Sportdirektor Rudi Völler ein Mann, dessen Wort Gewicht hat, noch vor einem Monat prophezeite, Schmidt werde „noch viele Jahre hier bleiben“, dürfte der Trainer wohl auch ein weiteres Negativerlebnis heute in Köln im Amt überstehen. Neunter war Bayer 04, als Völler Schmidt den Persilschein ausstellte. Seither ist man keinen Meter vorangekommen. Egal?
Es ist ernst. Als Leverkusen gegen Ingolstadt grauselig spielte und auch noch verlor, schmetterten viele aus der Fankurve: „Roger raus.“ Der persönliche Angriff kam das erste Mal, und es war Ausdruck einer Entwicklung, die tatsächlich erkennbar ist: Leverkusen mag einen „Totalumbruch“ vollzogen haben und mit einer „blutjungen“ Elf spielen, wie Schmidt am Dienstag erinnerte, weil kaum ein Spieler der alten Achse mehr da ist und die wenigen wie Stefan Kießling und Lars Bender fast gar nicht mehr spielen; aber von dem unverwechselbaren Stil, den Schmidt und der Club ausgemacht haben, ist gar nichts mehr geblieben. So aggressiv Schmidt einst die Linie entlang tanzte, sich nichts bieten ließ und die Seinen vorwärts trieb, so sehr ist nun mithin alles gewichen: Der Trainer ist durch diverse Sportgerichtsurteile ob seines ungebührlichen Verhaltens viel ruhiger geworden. Gleichzeitig ist aber auch seinen Spielern das aggressive Alleinstellungsmerkmal abhanden gekommen. Es wird schon noch gerannt, aber viel weniger zielsicher auf Gegner und Räume. Sondern oft hinterher.
„Dieses Aggressive, für das er im letzten Jahr kritisiert worden ist. Davon sind wir im Moment total weg, wir spielen genau das Gegenteil. Das ist nicht unser Spiel“, sagte Völler am Dienstag bei „Sky“ einiges über die Gründe seiner Wertschätzung für den Trainer, der ja eigentlich wie Völler selbst war: bissig, widerborstig, ein Mann des Contras. Und jetzt? Am Dienstag folgte der Trainer dem Vorgesetzten und gab gleich ein Versprechen ab: „Rudi hat zu 100 Prozent recht, wir müssen wieder Fußball spielen, der uns ausmacht. Und ich werde wieder dafür sorgen, dass wir da auch wieder hinkommen.“
Es wird seine Aufgabe sein, dieser freilich jungen, aber doch hochbegabten und gut bezahlten Mannschaft Konstanz einzuhauchen, mindestens konstanten Willen zum eigenen Spiel. Daran wird Schmidt gemessen werden, die Zeit bekommt er, aber auch nicht mehr. Kämpferisch nimmt er diese Aufgabe an: Er verurteilte am Dienstag die Gelb-Rote Karte seines wieder einmal völlig indisponierten Taktgebers Charles Aranguiz („Völlig verdient. Er hat uns einen Bärendienst erwiesen.“) und mäkelte an seiner Mannschaft rum, sie komme zwar in wichtigen Spielen wie in der Champions League auf Trab, selten aber in Spielen wie jenem gegen Ingolstadt. „Da bin ich gefordert als Coach“, sagte Schmidt, dem nach dem Aus im DFB-Pokal bei Drittligist Sportfreunde Lotte eigentlich nur noch der Trumpf Champions League bleibt: Atletico Madrid wartet. Ein weiterer wäre ein Derbysieg in Köln. Es ist ja schon oft gut gegangen, wenn es sein musste. Vielleicht sollte man es nur nicht ausreizen, noch dazu in einem Derby.