Spektakulär, aber nicht hochklassig: Holtby überragt
Gelsenkirchen (dpa) - Die Fans standen vor Begeisterung auf den Sitzschalen, die Trainer guckten wie drei Tage Regenwetter. Beim spektakulären 5:4 (1:0) zwischen dem FC Schalke 04 und Hannover 96 fühlten sich Jens Keller und Mirko Slomka wie auf einer Achterbahn oder in einem schlechten Film.
„Für einen Bundesligatrainer, der strategisch denkt, war es ein Desaster“, sagte der am Ende knapp unterlegene 96-Coach. Der siegreiche Keller pflichtete dem Kollegen nach seiner Bundesliga-Premiere als Schalker Fußballlehrer ratlos bei: „Als Trainer sitzt du da draußen und verstehst die Welt nicht mehr. Wie soll man so ein Spiel bewerten?“
In der Tat eine schwierige Aufgabe. Nach starken sechs Minuten in der Anfangsphase mit drei Schalker Chancen von Marco Höger, Julian Draxler und Ciprian Marica verebbte der Angriffswirbel. Hannover fiel nur durch Spielverzögerungen und wenig Konstruktives nach vorn auf.
So kam die Führung der Königsblauen durch Jefferson Farfan (44. Minute) nach einem weiten Einwurf von Christian Fuchs und einer Kopfballverlängerung von 96-Verteidiger Mario Eggimann zum sträflich alleingelassen Peruaner einigermaßen überraschend. „Konstantin Rausch war für Farfan eingeteilt“, schimpfte Slomka. „Wir wussten doch, dass bei weiten Einwürfen der Schalker immer Gefahr droht.“
Bei Hannovers Abwehrspieler waren die Warnungen offenbar nicht angekommen. „Wir haben viel zu viele individuelle Fehler gemacht“, bilanzierte Slomka. „Es ist schon ein bisschen Wahnsinn. Wenn man vier Tore auf Schalke schießt, muss man am Ende eigentlich mindestens einen Punkt, wenn nicht gar drei Zähler mitnehmen.“
Doch auch Keller sah sich getäuscht, als er sich nach Draxlers 2:0 (49.) kurz nach der Pause auf der Siegstraße wähnte. „Da war ich sicher, dass wir das Spiel nach Hause schaukeln. Doch dann stand es plötzlich 2:2“, meinte der 42-Jährige, der bei der anschließenden Pressekonferenz nicht wie ein Gewinner ausschaute, sondern wie stets den Eindruck vermittelte, er leide unter starken Schmerzen.
Nach dem Zufallsanschluss durch einen von Roman Neustädter abgefälschten Sergio-Pinto-Schuss (55.) und dem Ausgleich des alleingelassenen Szabols Huszti (59.) ging das muntere Toreschießen erst richtig los. Während sich die Trainer die Haare wegen der Abwehrfehler rauften, bebte bei jedem Treffer die Arena.
Höger (64.) zum 3:2, Marica (67.) zum 4:2, Huszti (68.) postwendend zum 4:3 - erst dem überragenden Holtby (88.) gelang kurz vor dem Abpfiff das für Schalke scheinbar erlösende 5:3 in einem Spiel, das durch Mame Dioufs Fallrückzieher zum 5:4 in der Nachspielzeit den letzten, spektakulären Höhepunkt erlebte. Dann erlöste Schiedsrichter Deniz Aytekin die Trainer sowie Torhüter Timo Hildebrand und Ron-Robert Zieler von ihren Qualen.
Nach der Niederlagenserie zum Ende des Jahres sei man „noch nicht so gefestigt“, befand Schalke-Keeper Hildebrand. „Aber wir können nicht jedes Mal fünf Tore erzielen, um zu gewinnen.“ Ihm und den Kollegen war allein wegen der drei Punkte nicht vollends die Laune verdorben. „Am Ende haben wir alle gelacht und den Kopf geschüttelt“, sagte Hildebrand.
Holtby, der wegen seines feststehenden Wechsel (spätestens) im Sommer zu Tottenham Hotspur mächtig unter Druck stand, wurde von den Fans in der Arena fair behandelt und bot mit zwei Torvorlagen und einem Tor eine Klasseleistung. „Für den Jungen freue ich mich wahnsinnig“, meinte Keller. Holtby selbst war erleichtert, sich bei seinem womöglich schon letzten Spiel im Schalker Dress nervenstark und spielfreudig präsentiert zu haben. Denn sein rascher Abschied noch in dieser Transferperiode steht im Raum. Er sagte dazu: „Ich spiele einfach nur Fußball und gebe bis zuletzt alles für unsere Farben. Alles andere machen meine Berater und Horst Heldt.“