Vertrag bis 2020 Viel Arbeit im Urlaub: Favre soll BVB-Umbruch vorantreiben
Dortmund (dpa) - Am Mittwoch brach Lucien Favre in den wohlverdienten Urlaub auf, doch an Entspannung war bei dem Schweizer nicht zu denken. Schon an Bord des Flugzeugs beschäftigte sich der 60-Jährige intensiv mit seinem neuen Trainer-Job bei Borussia Dortmund.
Die Aufgabe wird für den akribischen Arbeiter sehr reizvoll, aber mindestens ebenso schwierig. Äußern will sich Favre über die kurze Stellungnahme aus der Pressemitteilung hinaus deshalb zunächst nicht zum BVB. Er will sich erst einmal ein genaues Bild verschaffen.
Die Aufgaben sind groß und vielfältig. Favre muss Mario Götze nach seiner WM-Ausbootung und den am Dienstag zurückgetretenen Kapitän Marcel Schmelzer wieder aufbauen. Er muss einen dringend nötigen personellen Umbruch vorantreiben. Und vor allem in ein zutiefst verunsichert und in sich offenbar nicht geschlossenes Team einen neuen Geist tragen. Der neue Trainer müsse dem Team „die Freude am Job zurückgeben“, hatte Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke schon in der Vorwoche in der „Rheinischen Post“ gesagt.
Nuri Sahin, mit zwei Unterbrechungen seit 14 Jahren im Verein, sagte vor dem letzten Freundschaftsspiel am Dienstagabend (Ortszeit) beim Los Angeles FC (1:1): „Es ist gut, dass wir uns jetzt sechs Wochen nicht sehen. Eine andere Sichtweise mit etwas Abstand ist wichtig.“
Die andere Sichtweise soll neben dem neuen externen Berater Matthias Sammer und Sebastian Kehl als künftigem Leiter der Lizenzspieler-Abteilung eben auch Favre hineintragen. Auch wenn die Zusammenarbeit bis 2020 erst am Dienstag verkündet wurde und der Schweizer bis zum Wochenende mit vollem Einsatz mit OGC Nizza um den Einzug in die Europa League kämpfte, ist er wohl schon seit einiger Zeit in die Personalplanungen eingebunden.
Gegen die Verpflichtung seines Landsmanns Stephan Lichtsteiner von Juventus Turin soll Favre laut Medienberichten sein Veto eingelegt haben. Dass in Marwin Hitz ein weiterer Schweizer kommt und sich im Tor als Außenseiter künftig mit Landsmann Roman Bürki misst, hat der neue Coach offenbar für gut befunden. Und zu den Kandidaten für einen Transfer gehört neben Innenverteidiger Abdou Diallo von Mainz 05 und Marius Wolf von Pokalsieger Eintracht Frankfurt nach Informationen der „Sport Bild“ in Mönchengladbachs Mittelfeldspieler Denis Zakaria ein weiterer Schweizer.
Die Frage nach dem neuen Kapitän wird sich wohl schnell beantworten lassen. Schmelzer hatte am Dienstag seinen Rücktritt nach zwei Jahren im Amt erklärt. „Es ist meine Entscheidung. Ich glaube, dass es so das Beste ist“, hatte der Ex-Nationalspieler gesagt. Favorit auf die Nachfolge ist Marco Reus, sein bisheriger Stellvertreter und aus gemeinsamen Gladbacher Zeiten ein Vertrauter Favres.
Als Trainer bei Hertha BSC soll Favre eine Verpflichtung von Reus noch abgelehnt haben, in Gladbach verhalf er ihm ab 2011 zum großen Durchbruch. Wie Reus auch umgekehrt der anderen Borussia, die mit Favre vom letzten Tabellenplatz bis in die Champions League durchstartete. „Er ist ein sensationeller Trainer“, sagte Reus: „Von ihm habe ich in meiner Karriere sicher am meisten gelernt.“
Einen Anführer hat Favre intern also schon gefunden, weitere sucht der Verein noch. „Typen wie Alonso oder Vidal“, schweben Watzke vor. Schwierig dürfen sie ruhig sein. Das war für den als besessenen Taktiker aber auch als Zweifler mit regelmäßig wiederkehrenden Rücktritts-Gedanken bekannten Favre nie ein Problem. Den von vielen als „Problemfall“ abgeschriebenen Mario Balotelli bekam er in Nizza derart in die Spur, dass er Favre offenbar unbedingt zum BVB folgen wollte. Dortmund lehnte nach Informationen der „Bild“ aber ab.