Von Aufsteiger Bellarabi bis zum Zitat der Hinrunde

Die WZ blickt auf die erste Halbserie der Saison 2014/2015 in der Fußball-Bundesliga zurück.

Sorgen über Sorgen: Jürgen Klopp und der BVB vergeigten die Hinrunde komplett.

Foto: Friso Gentsch

Düsseldorf. Die Hinrunde in der Fußball-Bundesliga ist vorbei. Zeit für einen Rückblick - von A bis Z.

Beschlossene Sache: Die Torlinien-Technik.

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A wie Aufsteiger: Karim Bellarabi (24) ist der Aufsteiger der Hinrunde. Mit acht Toren bester Bayer-Stürmer und unverzichtbar im Leverkusener Offensivwirbel. Sein viel versprechender Einstand in der Nationalmannschaft in Polen wurde leider nur durch den Umstand getrübt, dass das EM-Qualifikationsspiel mit 0:2 verloren ging. Danach noch drei Länderspiele, aber kein Tor.

Pechvogel der Hinrunde: Marco Reus.

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B wie Blitzstarter: Karim Bellarabi ist auch der Blitzstarter der Hinrunde. Erster Treffer nach neun Sekunden im ersten Liga-Spiel in Dortmund — das schnellste Tor der Bundesliga-Geschichte. Und der Anfang vom Dortmunder Absturz.

C wie China: Der VfL Wolfsburg teilt mit, dass der VfL Wolfsburg viele chinesische Fans habe. Und weil gerade der Nationalspieler Xizhe Zhang (23) verpflichtet wurde, hat der VW-Klub bald womöglich sogar mehr chinesische als deutsche Fans.

D wie Dominanz: Einsam zieht der FC Bayern München auf dem Weg zum 25. Meistertitel seine Kreise. Die meisten Gegner ergeben sich schon vor dem Spiel, Dauer-Rivale Borussia Dortmund sucht diesmal Abwechslung im Abstiegskampf. Und da der Zweitplatzierte Wolfsburg zwar den famosen Kevin de Bruyne (23), aber auch schon elf Punkte Rückstand hat, wird die Bezeichnung „Bayern-Jäger“ hiermit offiziell aus dem Fußball-Wörterbuch gestrichen.

E wie Eigentor: Seit dem WM-Finale ist bei Christoph Kramer (23) irgendwie nichts mehr normal. Die „Grütze“ (Kramer), die er in Dortmund spielt, krönt er mit einer sagenhaften Rückgabe aus 45 Metern, die über Torhüter Yann Sommer (26) hinweg ins eigene Tor plumpst — 0:1 und das Ende der Gladbacher Rekordserie aus 18 Pflicht-Spielen ohne Niederlage seit Saisonstart.

F wie Frei Schnauze: Kramer hat seine Redseligkeit mittlerweile bereut. Wir, Medien und Publikum, haben seine besondere Geschichte vom Aufstieg aus der 2. Liga bis ins WM-Finale geliebt. Irgendwann war es uns zuviel, dann begannen wir es diesem jungen Profi übel zu nehmen, dass er unsere Aufmerksamkeit so unbeschwert genießen wollte. Nun bekommen wir, was wir verdienen: Statt Interviews „frei Schnauze“ zu geben, wird Kramer ein ganz normaler Bundesligaprofi, dessen Äußerungen von Beratern und Medienprofis sorgfältig glatt gebügelt werden.

G wie Gute Gastgeber: Aufsteiger 1. FC Köln wird als Gastmannschaft notorisch unterschätzt und ist dank der vier Siege in Stuttgart, Bremen, Hoffenheim und Schalke die zweitbeste Auswärtsmannschaft. Als Heimmannschaft ist der FC notorisch überfordert. Nur ein Sieg gegen Borussia Dortmund, aber das ist auch nichts Besonderes mehr. Köln ist zweitschlechtestes Heim-Team. Eine gefährliche Schwäche.

H wie Hawk-Eye: Die Liga hat ein Einsehen und beschließt die Einführung der in der Premier League bewährten Torlinientechnologie Hawk-Eye in der kommenden Saison. Letzte Chance für schlampig geknüpfte Tor-Netze.

I wie Internationales: Jetzt aber mal eine gute Nachricht: Sechs Vereine überwintern im Europapokal. Und die müden und formschwachen Weltmeister haben trotz quälender Spiele in der Qualifikation noch alle Chancen auf die EM-Teilnahme.

J wie Jahrhundert-Torhüter: Man sollte vorsichtig sein mit Superlativen, aber bei Ausnahme-Fänger Manuel Neuer (28) erlauben wir uns eine Ausnahme. Der Bayern- Keeper war 2014 bester WM-Torhüter, Welttorhüter und Deutschlands Fußballer des Jahres. In der Liga kassierte er in 17 Spielen nur vier Gegentore — so wenige wie kein Torhüter jemals zuvor. Wo sind nur all die „Koan Neuer“- Schilder in der Münchener Arena hingekommen?

K wie Kontraste: Abstiegskampf in Dortmund. Was bei anderen Vereinen selbstverständlich wäre, ist hier (vorerst) undenkbar. Einen Erfolgs-Trainer wie Jürgen Klopp hinauszuwerfen, das geht nicht. Klopp müsste schon den Veh machen. Der Stuttgarter Neu-Trainer Armin Veh warf nach zwölf Spielen aus freien Stücken die Brocken hin, der VfB holte Huub Stevens zurück. Welche Strategie wird funktionieren? Auflösung in der Rückrunde.

L wie Launisch: Nach Jens Kellers Erlösung vom heißen Stuhl in Gelsenkirchen darf sich nun Roberto di Matteo an der Widerspenstigen Zähmung versuchen. Die königsblaue Braut FC Schalke 04 ist so launisch wie eh und je. Und trotzdem Fünfte. Das sagt einiges über die Liga aus, in der zwischen Platz 1 und 3 mit 17 Punkten ein größerer Abstand liegt als zwischen Platz 3 und 18 (13 Punkte).

M wie Musik, Musik, Musik: „Ich brauche keine Millionen, mir fehlt kein Pfennig zum Glück“, lauten die ersten Zeilen des Schlagers von Peter Keuder. Das gilt im Bundesliga-Zirkus eher weniger. Schon gar nicht beim Hamburger SV, der wohl bald 25 Millionen an Investor Michael Kühne zurückzahlen muss. Im nächsten Lizenzierungsverfahren dürfte tatsächlich Musik drin sein.

N wie Nullen: Ebbe ist beim HSV nicht nur in der Kasse, sondern auch auf dem Tor-Konto. Kein Treffer in zehn Liga-Spielen, insgesamt nur neun in der gesamten Hinrunde. Schlechter waren nur Eintracht Frankfurt (1988/89) und das legendäre Tasmania Berlin (1965/66) mit jeweils acht Toren. In der vergangenen Saison hielt der HSV trotz lächerlicher 27 Punkte die Klasse. Ja, wollen die jetzt alle Minusrekorde brechen?

O wie Ostwestfalen: Von wegen „Ja, hallo erstmal“. Der SC Paderborn aus dem beschaulichen Ostwestfalen gibt nicht den schluffigen Provinz-Vogel im Stile eines Rüdiger Hoffmann, sondern mischt trotz geringen Etats munter in der Liga mit. Kompliment.

P wie Pechvogel: Das Pech, das BVB-Profi Marco Reus (25) in diesem Jahr an den Füßen klebte, war außerordentlich. Der gegenwärtig vielleicht beste deutsche Offensivspieler ist Nicht-Weltmeister, weil er sich wenige Stunden vor dem Abflug zur WM nach Brasilien im Länderspiel gegen Armenien eine Verletzung zuzog. Im September und im November zwangen ihn zwei weitere zu langen Pausen.

Q wie Quer-Einsteiger: Das Glück, das Marco Reus in den vergangenen Jahren am Bleifuß hing, war ebenfalls außerordentlich. Immer ohne Führerschein unterwegs, aber Gottseidank unfallfrei.

R wie Räuberpistole: Das „Aktuelle Sportstudio“ im ZDF ist ein beschaulicher Ort. Der Sendeablauf in Kurzform: Applaus, Tore, Applaus, Jubel-Interview, Applaus, Torwand, Applaus. Aber im Oktober hat dort Leverkusens Freistoß-Künstler Hakan Calhanoglu etwas ziemlich Unbeschauliches zu erzählen. Ein Jahr zuvor in einem Hotel in Istanbul: Die türkischen Nationalspieler Ömar Toprak und Calhanoglu werden mit einer Waffe bedroht. Der Dritte im Zimmer, ein Freund von Toprak, hatte wohl was mit der Ex von Nationalspieler Gökhan Töre, der hereingeplatzt kommt und auch einen Freund dabei hat. Aber einen mit einer Pistole. Calhanoglu hatte Panik, sagt er im ZDF.

S wie Spiderman: Pierre-Emerick Aubameyang von Borussia Dortmund trifft im Supercup-Finale zum 2:0 gegen Bayern München und zieht eine Spiderman-Maske aus dem Stutzen und über den Kopf. Ein Geburtstags-Gruß für seinen Sohn. Und irgendwie symptomatisch: Die BVB-Spieler waren wirklich kaum wiederzuerkennen.

T wie Treue-Punkte: Alexander Meier (31) zählt zu den Treuesten der Liga. Seit 2004 in Frankfurt, hat er für die Eintracht 219 Bundesliga-Spiele absolviert. Im Spätherbst seiner Karriere ist er plötzlich Top-Torjäger mit 13 Treffern. Wer ist eigentlich Lewandowski?

U wie Unfairness: Nach seinem Wechsel vom Hamburger SV zu Leverkusen war Hakan Calhanoglu in den asozialen Netzwerken nach Herzenslust gemobbt worden. Am 1. November tritt er das erste Mal im Bayer-Trikot in Hamburg an. Es wird das unfairste Spiel der Hinrunde. Neun gelbe Karten, Rudelbildung in Serie, selbst die Trainer gehen sich in der Pause fast an die Gurgel. Immer fair und cool dagegen: Der beständig ausgepfiffene Calhanoglu. Bemerkenswert.

V wie Verrückt: Wenn das so weitergeht, könnte es verrückt zugehen nächstes Jahr. Der FC Augsburg spielt Europapokal, Dortmund und der HSV steigen ab, Ingolstadt und Darmstadt auf.

W wie Weitsicht: Ein Paderborner geht mit einem Tor aus 83 Metern in die Liga-Annalen ein. Moritz Stoppelkamp (28) schickt den Ball gegen Hannover vom eigenen Strafraum aus auf die Reise. Und trifft ins leere Tor zum 2:0. Am meisten wundert sich Stoppelkamp selbst: „Ich wusste nicht, dass ich überhaupt so weit schießen kann.“

X wie Xabi Alonso: Dass Spanier nach dem blamablen WM-Aus zu Auslaufmodellen werden könnten, widerlegt Landsmann Pep Guardiola mit einem mutigen Deal. Bayern Münchens Trainer lässt den 33 Jahre alten Basken von Real Madrid im Ringtausch mit Toni Kroos verpflichten. Ein Ex-Weltmeister für einen Weltmeister, aber kein Qualitätsverlust. Im Spiel beim 1. FC Köln (2:0) stellt Xabi Alonso mit 206 Ballkontakten gleich mal einen Liga-Rekord auf.

Y wie Youngster: Nichts gegen Stoppelkamps Traumtor, aber Johannes Geis‘ (21) Treffer zum 5:5 für Mainz 05 aus 55 Metern — kein Witz — ist auch nicht ohne. Kurz hinter der Mittellinie stoppt U21-Nationalspieler Geis in der 121. Minute einen verunglückten Abschlag des Torhüters vom FC Chemnitz und drischt den Ball präzise in die freie Tor-Ecke. Im Elfmeterschießen der ersten Pokal-Runde scheidet Mainz trotzdem aus.

Z wie Zitat der Hinrunde: „Respekt gibt es auf dem Transfermarkt nicht zu kaufen.“ Kölns Trainer Peter Stöger nach der herablassenden Kritik von Leverkusens Coach Roger Schmidt an der Defensivtaktik des FC.