Kramer trifft gegen Wolfsburg wie ein Schlitzohr

Gegen Wolfsburg überraschte Gladbachs Mittelfeldmotor Christoph Kramer selbst seinen Trainer Dieter Hecking. Trotz guter Leistung wird es für Kramer wohl nicht für die WM reichen.

Christoph Kramer traf gegen Wolfsburg per Freistoß.

Foto: Dieter Wiechmann

Mönchengladbach. Dieter Hecking, Cheftrainer von Borussia Mönchengladbach, ist ein ruhiger und besonnener Zeitgenosse. Auch in seiner Coaching-Zone flippt er selten aus. Das ist einerseits natürlich gut. Allerdings gibt der 53-jährige Fußball-Lehrer selber zu: „Ich bin oft zu unterkühlt.“ In einem Interview bekannte er: „Ich würde mir nach einem tollen Tor oder einer besonderen Szene für meine Spieler mal einen Jubellauf von mir in Richtung Eckfahne wünschen.“

Beim dritten Gladbacher Treffer im mit 3:0 erfolgreichen Freitagabendspiel gegen den VfL Wolfsburg wäre die Chance, einmal hemmungslos aus sich herauszugehen, durchaus da gewesen. Doch diesmal lag es nicht am fehlenden Temperament des Trainers, sondern daran, dass Hecking das freche Freistoß-Tor von Christoph Kramer kurz vor der Pause quasi nicht mitbekommen hatte: „Als ich Chris da sah, habe ich nicht weiter hingeguckt. Ich dachte mir, der schießt sowieso nicht. Die anderen sorgen schon dafür, dass er wieder weggeht, und das dauert noch.“

Pustekuchen. Kramer schoss den Freistoß an den noch unsortierten und überrumpelten Wolfsburgern vorbei ins Eck. Zuvor hatte sich der Mittelfeld-Stratege der Gladbacher bei Schiedsrichter Tobias Stieler das Okay eingeholt, quasi die regelkonforme Freigabe zum Schuss. Der Pfiff des Referees ist in solch einem Fall überflüssig. Kramer: „Ich hab dann einfach schnell geschaltet und abgezogen. Drin war er.“

Das Tor eines Schlitzohrs, eines Weltmeisters. Denn noch ist Christoph Kramer Weltmeister. Von Brasilien, von seiner Überraschungs-Nominierung anno 2014, erzählt der Gladbacher immer wieder gerne. Diesmal aber wird er, obwohl am Freitag in WM-Form, wohl leer ausgehen. Stattdessen hoffen neben Abwehr-Chef Matthias Ginter auch Teamkamerad Lars Stindl in ein paar Wochen auf eine Fahrkarte zur WM nach Russland. Letzterer war der Dreh- und Angelpunkt in der jederzeit zielstrebig agierenden Gladbacher Mannschaft. Stindl hatte mit einem wuchtigen Schuss die Heimelf früh in Führung gebracht, ehe Raffael auf 2:0 stellte.

„Lars ist ein echter Führungsspieler, an dem sich andere aufrichten. Er hat großartig gespielt“, sagte Dieter Hecking nach dem vierten Sieg in der Rückrunde, aus dem die Fohlen wieder leise Hoffnung schöpfen, als Siebter doch noch das letzte Ticket für die europäische Fußball-Bühne erhaschen zu können. Dass der Gegner aus der Autostadt, bei dem es auch hinter den Kulissen heftig rumort und personalpolitisch einiges ins Rollen zu kommen scheint (geht Hannovers Sportdirektor Horst Heldt am 1. Juli nach Wolfsburg?), ganz und gar enttäuschte und Züge eines potenziellen Abstiegskandidaten aufwies, war den Borussen vom Niederrhein schnuppe. Stindl: „Wir haben ein Signal gesetzt, und das hat gut getan.“

Die Gladbacher haben im Übrigen mit sich selbst genug zu tun. Nach dem desolaten Auftritt in München und generell zuletzt unbefriedigenden Darbietungen herrscht dicke Luft in der Fanszene. Als Zielscheibe hatten sich einige sogenannte „Anhänger“ ausgerechnet Torwart Yann Sommer ausgeguckt, seit Wochen noch einer der Zuverlässigsten im Borussen-Team. Auch Cheftrainer Dieter Hecking geriet zwischendurch ins Kreuzfeuer der Kritik. Doch nach der ruhigen Mitgliederversammlung vor Wochenfrist und einer neuen Marketing-Offensive haben sich die Gemüter wieder einigermaßen beruhigt. „Es waren wichtige drei Punkte, aber es war auch ein wichtiger Sieg fürs Gemüt und für die Stimmung. Jetzt wollen wir im Endspurt nichts mehr verschenken und auch am Samstag auf Schalke etwas holen“, sagte Hecking und schaut optimistisch nach vorne.

Gladbach siegt gegen schwache Wolfsburger
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Gleichwohl ändert der Sieg gegen Wolfsburg und schließlich am Ende der Tabellenplatz am 34. Spieltag kaum etwas daran, dass der Verein im Sommer die Saison mit all ihren Hochs und Tiefs messerscharf analysieren muss. Und das passiert, wie Sportdirektor Max Eberl klar gestellt hat, auf jeden Fall gemeinsam mit Cheftrainer Dieter Hecking (Vertrag bis 2019), der sich im unruhigen Fahrwasser zuletzt als erfahrener Steuermann erwies und beruhigend auf alle einwirkte.