Im Gespräch Borussia Mönchengladbach: Wie Virkus seinen Job neu lernte

Interview | MÖNCHENGLADBACH. · Roland Virkus, Geschäftsführer Sport von Borussia Mönchengladbach, über seinen „Herzensclub“, sein Engagement, Zweifel und Ziele

Mönchengladbachs Sport-Geschäftsführer Roland Virkus im Stadion.

Foto: dpa/Harry Langer

Er ist seit drei Jahren Geschäftsführer Sport beim Fußball-Bundesligisten Borussia Mönchengladbach, sein Vertrag wurde gerade verlängert. Der Weg des Nachfolgers von Max Eberl ist eine Erfolgsgeschichte. Und Roland Virkus ist eine ungewöhnliche Größe im Geschäft. 58 Jahre alt, vorher amtierte er als Jugendtrainer und Jugendkoordinator im Club, den er „im Herzen trägt“. Virkus hat die Dinge im Griff, und sein Weg bei der Borussia taugt vielleicht sogar zum neuen Berufsprofil eines Sportdirektors. Roland Virkus spricht im WZ-Interview über seinen Herzensclub, sein Engagement für die Borussia und seine ehrgeizigen Ziele.

Roland Virkus, der drohende Wechsel von Nationalspieler Florian Neuhaus in die Türkei ist vom Tisch. Wirklich vorstellen konnte man sich das ja auch nicht.

Roland Virkus: Florian Neuhaus hat gegen die Eintracht sein Leistungsvermögen gezeigt. Besiktas wollte aber nicht mal eine Leihgebühr bezahlen. Damit war für uns ein Wechsel endgültig kein Thema mehr. Flo ist vom Potenzial her einer unserer Top-15-Spieler, der der Mannschaft mit der Leistung vom Samstag absolut weiterhelfen kann.

Sie sind jetzt seit drei Jahren im Amt. Ihre anfängliche Zurückhaltung, was den Job anbelangt, scheint verflogen.

Virkus: Es ist so, dass ich anfangs einige Dinge etwas unterschätzt habe. Nicht inhaltlich, inhaltlich ähnelt Vieles meiner vorherigen Aufgabe als Sportkoordinator des Clubs. Ich habe in einer Phase Verantwortung übernommen, in der es dem Verein nicht gut ging. Es gab viel Unruhe im Club, ich wollte helfen, weil ich davon überzeugt bin, dass ich inhaltlich helfen kann. Was ich anfangs unterschätzt habe, ist das permanente öffentliche Interesse, jeden Tag wirst du bewertet. Im Jugendbereich konnte ich Entscheidungen treffen und auch mal einen Fehler machen, ohne dass diese sofort eine öffentliche Wirkung hatten. Im Profisport ist das grundlegend anders. Jede Entscheidung wird kommentiert, das nimmst du vor allem am Anfang wahr und verlierst dann vielleicht etwas von deiner Sicherheit. Trotzdem darfst du dich nie von der öffentlichen Meinung treiben lassen. Ich habe schnell gelernt, aber die erste Phase des neuen Jobs war hart. Ehrlich. Ich habe gelernt – unter extremen Bedingungen.

Gibt es da ein Rezept?

Virkus: Das weiß ich nicht. Ich fokussiere mich im ersten Schritt auf die Dinge, die ich kann. Und die ziehe ich durch. Ich wollte nie taktieren, ich wollte immer der sein, der ich auch wirklich bin. Denn wenn ich 100 Prozent Roland Virkus sein kann, bin ich am besten. Aber das muss man sich auch in dieser Branche erarbeiten. Ich finde, im Borussia-Park greifen inzwischen viele Rädchen ineinander. Erst dann kann sich das große Rad auch richtig drehen. Dabei geht es aber weniger um mich, es geht um unseren Trainer, unsere Mannschaft, um die Mitarbeiter rund ums Team. Fußballspielen können die Jungs, aber es geht um Vertrauen in die Mannschaft, um Selbstvertrauen, das ist jetzt da. Und das sieht man.

Hört sich nach einem Plan an. Der Erfolge zeitigt, weil man in Mönchengladbach weiß, dass die Dinge Zeit brauchen, um sich zu entwickeln.

Virkus: Was nichts daran ändert, dass Fußball ein kurzfristiges Geschäft ist. Welches Profil benötigst du, um die Borussia wieder dahin zu bringen, wo sie schon einmal war? Wir brauchten einen Trainer, der mit jungen Spielern umgehen kann, der Mut hat, Entscheidungen zu treffen, ein Trainer, der die Rahmenbedingungen in diesem Verein nicht nur bei der Vertragsunterschrift zu 100 Prozent akzeptiert. Wir brauchen Spieler, die sich identifizieren, die eine positive Arbeitseinstellung haben, die die Arbeitskultur in diesem Club akzeptieren, die Lernbereitschaft und Verantwortungsbewusstsein mitbringen. Ich erlebe aktuell das erste Jahr, in dem wir mehr gestalten können. In der Vergangenheit mussten wir in erster Linie reparieren.

Und gegen Frankfurt haben Sie die ersten 35 Minuten als realisiertes Ziel erlebt: So muss die Borussia spielen.

Virkus: Die ersten 35 Minuten gegen Eintracht Frankfurt waren wirklich sehr gut. Eine gute Einstellung, die Basis, die grundsätzlich immer da war, aber dazu kam das Selbstvertrauen und in diesen Minuten die fußballerische Qualität. Wir haben die Eintracht, eine Mannschaft, die sich zu einem Spitzenteam entwickelt hat, beherrscht mit den Mitteln, die wir haben. Und in den letzten 20 Minuten haben wir das Resultat verteidigt, auch das hat die Mannschaft gut gemacht. Und wir sind trotzdem immer gefährlich geblieben.

Wie man hört, verpflichten Sie Spieler auch gerne badend.

Virkus: (Lacht) Ist ja gut, das war eine nette Geschichte. Ich habe mit Tim Kleindienst mehrmals gesprochen, aber ich hatte vom Club noch nicht die Freigabe. Ich war auf Kos, als sich Tim meldete. Um mich herum nur deutsche Urlauber. Ich also mit dem Handy ins Wasser, ich habe mit Tim gesprochen, und er hat registriert, dass wir, der Club alles tun, um ihn zu verpflichten. Tim wusste, wir wollen ihn so, wie er ist. Und seine Frau, sie ist Lehrerin, musste aus Baden-Württemberg an den Niederrhein versetzt werden. Auch da haben wir natürlich versucht zu unterstützen. Tim hatte mehrere Angebote, aber er hat sich für uns entschieden. Das war den Sonnenbrand auf jeden Fall wert.

13 Tore bisher, eine Erfolgsstory.

Virkus: Tim war eine der entscheidenden Verpflichtungen, ein Club wie Borussia braucht Gesichter. Gesichter, mit denen sich die Leute identifizieren können. Früher für mich Günter Netzer, Berti Vogts, Rainer Bonhof oder andere. Diese Identität ist uns zwischenzeitlich etwas verloren gegangen, da sind wir dabei sie wieder herzustellen.

Und nun geht es wieder Richtung Europa.

Virkus: Unser Ziel ist die erste Tabellenhälfte, das haben wir immer gesagt, da gehört der Club hin, das ist so. Und wenn die Basis da ist, ist das Ziel Europa nicht offensiv, nicht defensiv, es ist dann realistisch. Wenn wir vier Spieltage vor Schluss immer noch in Reichweite der Europapokalplätze sind, dann werden wir uns das konkret zum Ziel nehmen. Doch noch ist das zu früh, es liegt alles eng beieinander. Wir streben einen einstelligen Tabellenplatz an, und wenn mehr geht, werden wir da sein. Wir müssen fokussiert bleiben. Wenn wir das schaffen, dann habe ich ein ausgesprochen gutes Gefühl für eine erfolgreiche Zukunft der Borussia.

Sie waren Jugendtrainer, dann Direktor im Nachwuchs und nun bei den Profis. Könnte es sein, dass ihr Profil in Zukunft von anderen nachgeahmt werden könnte?

Virkus: Ich möchte das nicht für andere beurteilen. Was ich sagen kann: Es ist nie von Nachteil, in der Jugendabteilung eines Clubs gearbeitet zu haben. Es ist gut, den Club von innen zu kennen und ihn im Herzen zu tragen, das ist für mich kein Spruch. In verschiedenen Abteilungen gearbeitet zu haben, um diese Expertise dann an der Stelle wirksam werden zu lassen, wo sie den größten Mehrwert hat. Meine Erfahrung hilft mir in jedem Fall, bessere Entscheidungen zu treffen.

Was ist für Sie ein wesentlicher Grund für Erfolg im Fußball?

Virkus: Ich glaube, wichtig ist, Emotion und die Sache trennen zu können. Das war am Anfang für mich nicht einfach. Ich bin ein emotionaler, sensibler, empathischer Mensch. Aber du musst die Emotionen reduzieren, um sachliche Entscheidungen treffen zu können.

Können Sie bei aller Kurzfristigkeit des Fußballs ein langfristiges Ziel Ihrer Arbeit formulieren?

Virkus: Die Leute sollen wieder Spaß daran haben, die Borussia Fußball spielen zu sehen. Wir wollen in die Nähe der internationalen Plätze, das wirst du nicht immer erreichen, weil andere Vereine andere finanzielle Möglichkeiten haben. Und diese Schere wird größer. Also müssen wir härter arbeiten und bessere Ideen haben.

Um irgendwann dem FC Bayern wieder auf Augenhöhe begegnen zu können. Wie in den 70ern.

Virkus: Die Münchner setzen mittlerweile gut eine Milliarde um, wir 200 Millionen. Der FC Bayern ist viel weiter weg als noch in den 70ern, das sind andere Welten. Trotzdem wollen wir ihnen das Leben so schwer wie möglich machen und Spiele gegen sie gewinnen.