Zweiter K.o.: Van Gaal taumelt - Schalke wie BVB
München (dpa) - Vom Himmel in die Hölle in einer Woche: Nach dem großen Sieg bei Inter Mailand gehen die Bayern national zweimal schwer k.o. Trainer Louis van Gaal taumelt nach dem Pokal-Aus gegen Schalke.
Boss Rummenigge mahnt zur Ruhe. Kapitän Lahm sieht die Saison „schwer zu retten“.
K.o. gegen Dortmund, K.o. gegen Schalke - Ring frei für van Gaal und die wankenden Bayern zur entscheidenden Runde in Hannover: Nach dem 0:1-Niederschlag im DFB-Pokal-Halbfinale und der zweiten zerschmetterten Titeloption steht der Rekordchampion mit seinem im Mai 2010 als Double-Gewinner gefeierten Fußballlehrer vor einer Zerreißprobe.
„Das wichtigste Spiel ist am Samstag in Hannover. Da müssen wir unbedingt gewinnen, um die Qualifikation für die Champions League platzmäßig zu sichern“, sagte Uli Hoeneß am Donnerstag am Rande des Besuchs der Olympia-Prüfer in München. Grund zur Unruhe sieht der Bayern-Präsident nicht: „Verlieren gehört zum Sport dazu. Es ist sicher noch keine Krisensituation.“
Der erfahrene van Gaal weiß um die gnadenlosen Automatismen des Fußballgeschäftes. „Wenn sie zweimal hintereinander sehr wichtige Spiele verlieren, dann wird immer diese Frage gestellt“, sagte der 59-Jährige zur neu entflammten Debatte um ihn und seinen Job. „Das muss der Vorstand entscheiden - nicht ich“, ergänzte van Gaal: „Ich mache meine Arbeit - und ich denke, dass ich das gut mache.“
Während Felix Magath dank Torschütze Raul (15. Minute) und einem Plagiat der Anti-Robben-und-Ribéry-Taktik des Erzrivalen Borussia Dortmund den Einzug ins Pokalendspiel gegen den Zweitligisten MSV Duisburg erreichte und so den Rettungsanker in einer fast schon verkorksten Saison werfen konnte, sind die Bayern im Eiltempo vom Champions-League-Himmel in die Hölle gestürzt. Nach dem glorreichen 1:0 bei Inter Mailand folgte zweimal ein Systemausfall; erst beim 1:3 gegen Dortmund, nun beim Pokal-Aus gegen Schalke. „Die Saison ist schwer zu retten“, erklärte Kapitän Philipp Lahm. „Wenn der FC Bayern nicht deutscher Meister und nicht Pokalsieger wird, ist es keine gute Saison“, stellte der Nationalspieler bitter enttäuscht fest.
Lahm schlug Alarm: Das Auswärtsspiel am 5. März beim direkten Champions-League-Konkurrenten Hannover 96 sei nun „vielleicht das wichtigste Spiel in der Saison. Es geht da um Alles, um Platz zwei.“ Nach dem „schweren Schlag“ liegt die Mannschaft am Boden, wie Thomas Müller einräumte: „Man ist ziemlich leer.“ Es sei „wahnsinnig bitter, wie wir jetzt unsere ganze Saison so ein bisserl wegschmeißen“.
Ratlosigkeit! Untergangsstimmung! Auch Auflösungserscheinungen? „Nein“, versicherte Sportdirektor Christian Nerlinger: „Das Weltuntergangs-Szenario ist bei uns nicht existent.“ Karl-Heinz Rummenigge warnte vor Aktionismus, Geschlossenheit sei wichtig: „Wir tun jetzt gut daran, zu versuchen, Ruhe zu bewahren“, sagte der Vorstandsboss. Eine Trainerdiskussion führe er nicht, „und ich habe auch nicht den Eindruck, dass sie sonst jemand beim FC Bayern führt“.
Das könnte sich bei einer weiteren Niederlage in Hannover akut ändern. Schließlich hatte Präsident Uli Hoeneß angekündigt, dass er „unruhig“ werde, wenn die Champions-League-Qualifikation in Gefahr gerate: „Das war ja auch bei Klinsmann so“, erinnerte er an den Rauswurf des ehemaligen Bundestrainers vor knapp zwei Jahren.
Auch um den anerkannten Fußball-Fachmann van Gaal ist es einsam geworden. Mit seinem absolutistischen Gehabe und seinen auch mit den Bossen nicht immer abgestimmten Personalentscheidungen hat er sich zunehmend isoliert. Noch habe man reizvolle Ziele, versuchte van Gaal zu beschwichtigen: „Unser Ziel ist der zweite Platz, das ist immer möglich. Und wir sind noch in der Champions League.“
Die Königsklasse als Joker? Rummenigge stellt sich eher auf eine Saison ohne Titelgewinn ein: „Wir sollten nicht anfangen zu träumen und jetzt die Parole ausgeben: 'Jetzt muss man Champions-League-Sieger werden'“. Platz zwei in der Liga bleibt die wichtigste Vorgabe für van Gaal, Rang drei als Notnagel wäre „schwer verdaulich“, erklärte Nerlinger. Und wenn es in Hannover wieder schiefgeht? „Ich will jetzt keine Szenarien, was wäre wenn...“ Der Sportdirektor sieht den FC Bayern „in einer sehr gefährlichen Situation, mit der wir umgehen müssen“. Er glaube fest an die Mannschaft und den notwendigen Befreiungsschlag in Hannover.
Dort und auch in Mailand dürften sie gesehen haben, wie die Bayern zu knacken sind, welche Probleme sie plagen. Auch wenn natürlich kein Schalker von „BVB-Taktik“ sprechen wollte, am Dortmunder Paradebeispiel hatte man sich dennoch - so gut man es konnte - orientiert. „Wir wollten gut stehen und Ribéry und Robben doppeln“, bestätigte Christoph Metzelder. „Und wir wussten, dass die Bayern hinten Probleme haben“, ergänzte Peer Kluge.
Besonders eklatante bei Standardsituationen. Aus einer Ecke fiel das entscheidende Kopfballtor von Raul (15. Minute). „Wir haben eine kleine Mannschaft“, stöhnte van Gaal, der mit seiner Personalpolitik (Lucio weg, Demichelis weg) dazu durchaus beigetragen hat.
Wenn Robben und Ribéry gestoppt werden, fehlt offensiv zudem ein Plan B. Und ausgerechnet jetzt stürzte Bastian Schweinsteiger in eine Formkrise - damit fehlt ohne den zum AC Mailand geflüchteten Mark van Bommel ein Kopf und Anführer im Zentrum. „Wir hatten keine Lösungen, keine Kreativität“, analysierte Lahm schonungslos.
Schalke dagegen zeigte sein Pokal-und-Champions-League-Gesicht. Und Schalke hatte Galionsfiguren; hinten Nationaltorwart Manuel Neuer, der den Anfeindungen der Bayern-Fans als nervenstarker Weltklassemann trotzte, und vorne Torjäger Raul. Magath und Schalke winkt nun am 21. Mai in Berlin mit dem fünften Pokalsieg der große Befreiungsschlag: „Da sind die Vorzeichen ganz anders. Da sind wir der haushohe Favorit“, sagte Magath zum Finale.