Bayer-Bilanz: Rechnung mit Ballack nicht aufgegangen
London (dpa) - Bayer Leverkusen hat tief in die Tasche gegriffen, um Michael Ballack zurückzuholen. Der Alt-Star sollte Leitwolf eines jungen Teams werden und beim Vizemeister den Traum von einem Titel erfüllen helfen.
„Unsere Rechnung ist bisher nicht aufgegangen, weil wir Michael Ballack nicht als Ergänzungsspieler, sondern als Stammspieler mit einer gewissen Führungsqualität geholt haben“, analysierte Bayer-Boss Wolfgang Holzhäuser bereits vor dem Champions-League-Auftakt beim FC Chelsea ehrlich, aber ohne Gram und Groll. Fast schien es, als ob er Ballack eine weitere Motivationsspritze mit auf den Weg geben wollte.
Die Hoffnung, dass der am 26. September 35 Jahre alt werdende Mittelfeldspieler im Schlussspurt seiner Fußball-Karriere noch einmal wertvoll werden könnte, hat der Geschäftsführer nicht aufgegeben. „Ich bin gespannt, ob er uns nicht in der einen oder anderen Situation noch mehr helfen kann, als der eine oder andere erwartet“, sagte Holzhäuser. „Wir haben noch fast eine ganze Saison vor uns.“
Genauer gesagt in 29 Bundesligapartien und mindestens in den Vorrundenspielen der Champions League kann Ballack noch beweisen, dass die geschätzten zwölf Millionen Euro für sein zweijähriges Engagement nicht gänzlich abgeschrieben werden müssen. „Ich muss mich behaupten, ich will spielen“, sagte Ballack vor der Chelsea-Partie und gab zu: „Es ist nicht so gelaufen, wie es mir vorgestellt habe. Das ist auch klar.“
Kaum hatte er in Leverkusen seinen Dienst angetreten, fiel er wegen einer im September 2010 bei Hannover 96 zugezogenen Verletzung - die zweite schwere Blessur binnen vier Monaten - aus. Die WM in Südafrika hatte er sausenlassen, den Machtkampf um die Kapitänsbinde mit Philipp Lahm ertragen und gekränkt von Bundestrainer Joachim Löw die Ausbootung aus dem Nationalteam hinnehmen müssen.
Aus dem Anführer war plötzlich ein Außenseiter geworden, auch bei Bayer 04, wo er sich mit Trainer Jupp Heynckes überwarf und es anfänglich mit dessen Nachfolger Robin Dutt („Eine Ehre auf der Bank zu sitzen“) ebenfalls Irritationen gab. Dem Miteinander im Werksclub dürfte zudem die Bemerkung von Bayer-Sportdirektor Rudi Völler vor Ende der letzten Transferperiode „gesprächsbereit“ zu sein, wenn Ballack weg wolle, nicht zuträglich gewesen sein. „Er hatte ein gutes Angebot, aber er wollte bei uns bleiben. Man höre und staune“, sagte Holzhäuser zur vermeintlichen Offerte des VfL Wolfsburg.
Die im deutschen Fußball fast beispiellose Demontage von Ballack, der 98 Länderspiele bestritt, hält der Bayer-Boss für unverdient. „Es tut mit unendlich leid um Michael Ballack. Das, was man mit ihm auch in der Öffentlichkeit angestellt hat, hat er bei weitem nicht verdient“, sagte Holzhäuser. Dazu zählen sicher auch aufgekommene Mutmaßungen über Ballacks angeblich zerrüttetes Privatleben oder Schlagzeilen wie „Michael Ballast“ (Sport-Bild).
Der einstige Held des deutschen Fußballs hat zu den ganzen Be- und Verurteilungen lange geschwiegen - vielleicht zu lange. Es wirkte wie ein Schmollen aus Verärgerung und tiefer Gekränktheit. „Man sollte nicht zu viel rein interpretieren, nur weil ich mich öffentlich etwas zurückgezogen habe. Es hat nichts damit zu tun, dass ich mich ungerecht behandelt gefühlt habe“, sagte Ballack vor dem Gastspiel beim Ex-Club im Londoner Stadtteil Chelsea und bekannte: „Die letzten anderthalb Jahre waren nicht die leichteste Zeit, doch das ist Fußball. Mit der Situation muss ich klar kommen.“