Bayern gegen Atléticos „Leidenschafts-Monster“
München (dpa) - Gleich nach der Auslosung schalteten die Bayern hoch in den Kampfmodus. „Atlético Madrid ist ein Leidenschafts-Monster“, lauteten die ersten respektvollen Worte, die Matthias Sammer zum äußerst ungemütlichen Halbfinalgegner des FC Bayern in der Champions League einfielen.
Und der Sportvorstand schlussfolgerte daraus: „Wir müssen die gleiche Mentalität zeigen.“ Pep Guardiola blieb auf seiner kniffligen Abschiedstour zwar ein verzwicktes Duell mit seinem künftigen Arbeitgeber Manchester City erspart. Aber dafür bekommt es der Spanier auch in seinem dritten und letzten Jahr in München wieder in der Vorschlussrunde mit einem der großen Drei aus seiner Heimat zu tun: 2014 Halbfinal-K.o. gegen Real Madrid, 2015 Halbfinal-K.o. gegen den FC Barcelona. Und 2016?
„Ich weiß, wie speziell, wie gut Atlético ist. Wir brauchen zweimal 90 Minuten mit voller Konzentration“, sagte Guardiola am Freitag kurz nach der Loszeremonie, die er live am TV-Schirm verfolgt hatte.
„Sie sind sehr gut“, schwärmte der Katalane über Atlético. Heimstark, abwehrstark, konterstark, vor allem aber willensstark. Der zehnmalige spanische Meister ist auch der Angstgegner der besten europäischen Mannschaft der jüngeren Vergangenheit, die ähnlich wie der FC Bayern auf fußballerisches Vermögen setzt. „Die einzige Mannschaft, die in den letzten Jahren in der Lage war, Barcelona zu schlagen, ist Atlético Madrid“, hob Guardiola hervor. Im Viertelfinale schalteten die unbeugsamen Atlético-Kämpfer den Titelverteidiger aus.
Atlético ist ein komplett anderer Gegner als es Real oder Manchester City gewesen wären, die das zweite Semifinale bestreiten. „Sie haben Barcelona über eine kompakte Defensive ausgeschaltet“, bemerkte Bayern-Kapitän Philipp Lahm: „Das ist keine leichte Aufgabe.“
Immerhin: Das Los Atlético weckt bei älteren Bayern-Fans schöne Erinnerungen an die bisher einzigen Duelle vor 42 Jahren. Georg „Katsche“ Schwarzenbeck sicherte den Münchnern im Endspiel des Meistercups 1974 in Brüssel mit seinem Tor in der letzten Minute der Verlängerung ein Wiederholungsspiel. In diesem triumphierte das Bayern-Dreamteam um Franz Beckenbauer sowie die Doppeltorschützen Gerd Müller und Uli Hoeneß zwei Tage später mit 4:0. „Aber das war eine andere Zeit“, bemerkte Lahm zur erfolgreichen Historie.
Atlético hat sich vier Jahrzehnte später in Spanien auf das Niveau von Barcelona und Real aufgeschwungen. Schöpfer der jüngeren Erfolge ist der heißblütige Argentinier Diego Simeone, der seinem Team eine unglaubliche Willensstärke eingepflanzt hat. „Die Spieler folgen ihm“, äußerte Guardiola über den Trainer-Kollegen.
Und Simeone verfolgt mit seinem Team eine Mission: Der große Antrieb der Defensivspezialisten um Diego Godin, Juanfran oder Mittelfeldmann Koke ist das unglücklich verlorene Finale 2014 gegen den Lokalrivalen Real (1:4 nach Verlängerung). „Mannschaften, die den Titel noch nie erreicht haben, können viel Energie reinlegen“, betonte Lahm.
Atlético verteidigt nicht nur, es verfügt auch über einen starken Angriff mit dem Franzosen Antoine Griezmann und Vereinsikone Fernando Torres. Eine extrem aufgeheizte Atmosphäre erwartet die Bayern am 27. April im Estadio Vicente Calderón. „Das wird auch für Spieler wie Lahm oder Manuel Neuer eine große Erfahrung“, sagte Guardiola. Das entscheidende Rückspiel findet sechs Tage später in München statt.
Vor dem nächsten Champions-League-Höhepunkt wollen die Bayern aber zunächst zwei wichtige nationale Aufträge erledigen. Am Samstag (18.30 Uhr) geht es im Topspiel gegen den FC Schalke 04 um den nächsten Schritt zum historischen vierten Titelgewinn in Serie. „Die Mannschaft muss denken, wir sind noch nicht deutscher Meister“, sagte Guardiola zur Marschroute. „Man darf Dortmund nicht wieder ranlassen“, mahnte auch Lahm; sieben Punkte beträgt der Vorsprung.
Der Kapitän erwartet angesichts der kurzen Erholung nach dem Kraftakt bei Benfica Lissabon „ein sehr schwieriges Spiel“. Es ist Teil zwei einer kurzen Englischen Woche. Schon am Dienstag folgt das Halbfinale im DFB-Pokal gegen Werder Bremen. „Wir wollen nach Berlin“, kündigte Lahm am Freitag entschlossen an. Danach geht es gegen Atlético um das noch viel begehrtere Königsklassen-Finalticket nach Mailand.