BVB beschwört Geschichte: „Zeit, Träume zu erfüllen“
Dortmund (dpa) - Beim Aufbruch in die Fußball-Kultstätte Wembley trug sogar das Flugzeug Schwarz-Gelb. Voller Vorfreude auf das bedeutsamste Abenteuer ihrer bisherigen Karriere bestiegen die Profis von Borussia Dortmund die in den Vereinsfarben gestylte Sondermaschine Richtung London.
16 Jahre nach dem denkwürdigen Triumph der Borussia im Champions-League-Finale von München spürten alle Beteiligten den Hauch der Geschichte. „Es wird darum gehen, etwas für die Ewigkeit zu schaffen“, sagte Innenverteidiger Neven Subotic. Nicht minder pathetisch stimmte sich Trainer Jürgen Klopp auf das historische Duell mit den Bayern ein. „Wembley wird einer der größten Momente in unserem Leben.“
An jenem mystischen Ort, an dem der ehemalige BVB-Torhüter Hans Tilkowski im WM-Endspiel von 1966 das wohl berühmteste Tor der Fußball-Geschichte kassierte, wollen die Dortmunder zum zweiten Mal nach 1997 den europäischen Fußball-Thron besteigen. Wie schon damals gegen Juventus Turin gelten sie auch diesmal als Außenseiter. Mit dieser Rolle kann Klopp prächtig leben: „Jetzt ist die Zeit gekommen, Träume zu erfüllen. Wenn man als Außenseiter genauso viel Druck verspüren würde wie der Favorit, wie blöd wäre das denn.“
Der Abstand der Bayern in der abgeschlossenen Bundesliga-Saison von beängstigenden 25 Punkten taugt nach Einschätzung von Kapitän Sebastian Kehl nicht als Gradmesser für einen Vergleich zwischen beiden Teams: „Wir haben eine Spielweise, die den Bayern wehtun kann. Ich glaube, dass ihr Respekt vor uns groß ist.“
Zumindest in psychologischer Hinsicht wähnen sich die Borussen im Vorteil. Nach zwei verlorenen Champions-League-Endspielen in den vergangenen drei Jahren stehen Bastian Schweinsteiger und Co. mehr unter Druck als die Himmelsstürmer von Klopp. „Das Team wird gewinnen, das mit mehr Mut und Freude aufläuft. Da haben wir Vorteile“, kommentierte Kehl.
BVB-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke, der in der nervenaufreibenden Schlussphase des Halbfinals in Madrid vom Tribünensitz auf das stille Örtchen geflüchtet war, wirkt diesmal vergleichsweise gelassen: „Wir haben überhaupt nichts zu verlieren und empfinden totale Lust.“
Nach zwei Meisterschaften und einem Pokalsieg in den vergangenen Jahren bietet sich der noch 2005 von der Insolvenz bedrohten Borussia die Chance auf das bisher größte Fußball-Wunder. „Die Mannschaft ist vor zwei Jahren eigentlich zu früh Meister geworden, hat vor einem Jahr zu früh das Double gewonnen und steht nun zu früh im Finale der Champions League“, kommentierte Klopp, „aber das hat uns jeweils nicht davon abgehalten, Titel zu gewinnen.“
Gala-Vorstellungen auf internationaler Bühne verhalfen dem Revierclub zu mehr Popularität denn je. Allein in Dortmund werden am Samstagabend 45 000 Zuschauer zum Public Viewing erwartet. Flügelflitzer Jakub Blaszczykowski hofft, dass es nach der Rückkehr aus London eine ähnlich rauschende Party in der Revierstadt mit Autokorso und jubelnden Menschenmassen geben wird, wie in den beiden Jahren zuvor: „In Dortmund ist die Borussia wie Religion.“
Das Fehlen des künftigen Münchners Mario Götze im Spiel war schon beim Flug in die englischen Hauptstadt kein Thema mehr. Zur Erleichterung von Klopp blieben weitere schlechte Nachrichten aus der medizinischen Abteilung aus. Gerade noch rechtzeitig kurierte Mats Hummels seine Bänderdehnung im Knöchel aus. „Ich bin mit dem Schrecken davongekommen. Der Fuß ist zwar nicht wie vorher, aber es wird gehen“, sagte der Abwehrchef wenige Minuten vor dem Abschlusstraining im Wembley Stadion.
Die Aussicht, den Bayern nach einer bisher bärenstarken Saison mit einem Schlag Katzenjammer bereiten zu können, ist für den BVB-Abwehrchef kein zusätzlicher Anreiz: „Es wäre der falsche Ansatz, die Motivation aus dem Scheitern anderer zu ziehen. Wir können die wichtigste Vereinstrophäe gewinnen. Das ist Motivation genug.“
Mut schöpft der Bundesliga-Zweite aus den bisherigen Spielen in der Königsklasse. Schließlich schloss er die sogenannte Gigantengruppe mit den Landesmeistern Real Madrid, Manchester City und Ajax Amsterdam als Sieger ab und behielt auch im zweiten Kräftemessen mit den „Königlichen“ aus Madrid im Halbfinale die Oberhand. „Wir sind nicht per Freilos ins Finale gekommen“, betonte Zorc, der als Profi schon beim Endspiel 1997 dabei war. Darüber hinaus erinnert man sich in Dortmund derzeit gern an das famose 5:2 im DFB-Pokal-Showdown vor einem Jahr gegen den FC Bayern.
In der Bundesliga gab es im Duell der Finalisten zuletzt zwei Unentschieden, im nationalen Pokal eine 0:1-Niederlage für die Borussia. „Wir hatten in all diesen Spielen Momente, in denen wir den Bayern richtig Probleme bereitet haben. Daran orientieren wir uns“, sagte Klopp. Zur Einstimmung seiner Profis auf Wembley wird sich der Fußball-Lehrer etwas ganz Besonderes einfallen lassen. Der Glaube soll helfen, Berge zu versetzen: „Wenn angepfiffen wird, werden die Jungs alles für möglich halten - im positivsten Sinn.“