Europa verneigt sich nach Bayerns Triumph über Barça
München (dpa) - Nur noch der Champions-League-Titel fehlt dem FC Bayern zum endgültigen Machtwechsel. Gedemütigt und entzaubert schlichen Lionel Messi & Co. aus der Arena, in Superlativen gepriesen wurden dagegen die Münchner für einen historischen Sieg in ihrer glorreichen Europapokal-Geschichte.
„So einen Abend habe ich auch noch nicht erlebt, und ich bin schon lange dabei. 4:0 gegen die beste Mannschaft der Welt, das ist wie ein Traum hier“, schwärmte Vorstandschef Karl-Heinz Rummenigge. FC Bayern 4 - FC Barcelona 0, lautete das unglaubliche Ergebnis eines unglaublichen Halbfinal-Hinspiels, das auch Steuersünder Uli Hoeneß auf der Tribüne wiederholt die Hände zur Faust ballen ließ.
War das die Wachablösung in Europa? „Nein. So arrogant sind wir nicht. Wir werden jetzt hier nicht arrogant ausflippen, wir werden ganz ruhig unseren Weg weitergehen, wie wir das die ganze Saison gemacht haben“, beschwichtigte Rummenigge. Trotz des höchsten Halbfinal-Erfolges einer Mannschaft in der Königsklasse gab es „wieder nur Wasser, keinen Champagner“ in der Kabine, berichtete der Vorstandschef. Rummenigge und die Seinen wissen: Ohne Titel keine Macht. Der Pokal soll am 25. Mai im Londoner Wembleystadion her - und dann in den kommenden Spielzeiten gerne wieder.
„Ich glaube, dass uns noch schöne Jahre bevorstehen: Wir haben einen super Kader und super Charaktere in der Mannschaft, die alle länger an den Verein gebunden sind. Und wir haben die finanziellen Mittel, auch immer wieder Topspieler zu verpflichten“, sagte Kapitän Philipp Lahm. Wie beim Mega-Coup mit Mario Götze gezeigt.
Im In- und Ausland jagte schon jetzt ein Lob das nächste. „Das Ende einer Ära“, befand die spanische Sportzeitung „As“ zum Untergang von Messi & Co. Die Tageszeitung „El Mundo“ sieht die Bayern als das „möglicherweise beste Team in Europa“. In Schweden schrieb „Aftonbladet“ von einer „Entthronisierung“ der besonders effektiven Art, die „Sun“ in England sah gar einen „Markstein in der europäischen Fußball-Historie“. Und in Russland hieß es bei „Sowjetzki Sport“: „Der König ist tot. Lang lebe der König!“ Und das, obwohl noch das Rückspiel in einer Woche im katalanischen Fußball-Tempel Camp Nou aussteht.
Ob sich Bayerns künftiger Trainer Pep Guardiola über die Machtdemonstration gefreut hat oder ob ihm die Zerstörung des von ihm mit geschaffenen Barça-Kunstwerks Tränen in die Augen trieb, vermochte Rummenigge nicht zu sagen. „Das weiß ich nicht, ich habe nicht neben ihm gesessen, ich war im Stadion heute Abend“, betonte Rummenigge. Klar ist aber, dass sich der neue Coach auf seinen frisch verpflichteten Wunschspieler Mario Götze von Borussia Dortmund freut - wie auch der Vorstandschef. „Es ist ja bekannt, dass wir bei Bayern München eine Basis haben aus deutschen Nationalspielern. Da passt Mario Götze wunderbar rein“, erklärte Rummenigge.
Mit „Wunderbar“ betitelte der „Telegraph“ in England in deutscher Sprache seinen Sportteil. Die Darbietung mit Toren des herausragenden Thomas Müller (25./82. Minute), Mario Gomez (49.) und Arjen Robben (73.) verzückte nicht nur die 68 000 Zuschauer in der Arena. 63 Prozent Ballbesitz von Barcelona nutzten nichts gegen die effektiven 37 Prozent der Bayern. Der nach Verletzung blasse Messi wurde perfekt zugestellt, das gefährliche Tiki-Taka-Spiel der Gäste von den Bayern-Strategen Bastian Schweinsteiger und Javi Martínez erst gar nicht zugelassen. Nur „anderthalb Möglichkeiten“, machte Trainer Jupp Heynckes mit gutem Willen beim Gegner aus - und eine „1A“-Leistung bei seinem eigenen Team.
Abgelenkt von Schlagzeilen um Götze oder Hoeneß waren die Männer auf dem Feld sichtlich nicht. „Wenn man im Halbfinale einen Gedanken an was anderes verschwendet, hat man auch irgendwas falsch gemacht“, betonte Lahm. Dagegen dürfte dem in der Steuer-Affäre steckenden Hoeneß die kurzweilige Ablenkung in der Arena gut getan haben.
„Dass er im Moment nicht glücklich und angespannt ist, ist nachvollziehbar, aber ich glaube, er hat eben hier im FC Bayern eine Bastion, die total stabil zu ihm steht“, bekundete Rummenigge. Egal, was passieren mag - „wir stehen loyal zu ihm“. Auch nach der jüngsten Entwicklung im immer dubioseren Fall, in dem es sogar einen Haftbefehl gegen Hoeneß gab.
Auch vonseiten der Fans gab es keine negativen Bekundungen gegen den mächtigen Vereinspatron. Dagegen schallte es lautstark „Finale, oho!“ durch das Arena-Rund. Auch wenn vorher noch einmal gespielt werden muss. „Man hat sie öfters gesehen, diese Magie von Camp Nou. Aber wir wollen der Welt zeigen, dass das nicht für uns zutrifft“, sagte der zweimalige Torschütze und einmalige Vorbereiter Müller und erinnerte mit einem Augenzwinkern an Dortmunds Viertelfinal-Krimi gegen Malaga. „Die machen in der 90. Minute auch zwei Tore. Also kann man in 90 Minuten theoretisch 180 Tore machen, oder?“
Ein 0:4, wie unter Vereinstrainer-Novize Jürgen Klinsmann vor vier Jahren in Barcelona, erwartet diesmal keiner. Während Barcelonas Rechtsverteidiger Dani Alves schon einem „großen Gegner“ gratulierte, rief Messi die Wiedergutmachung aus. „Was passiert ist, ist eine Schande, aber wir müssen weitermachen. Wir müssen uns für das Rückspiel und die Liga wieder aufbauen, wo wir Meister werden wollen. Wir müssen zurückschlagen“, sagte der argentinische Superstar.