Frust statt Lust - Schalke will nicht kapitulieren

Gelsenkirchen (dpa) - Lehrstunde statt Sternstunde - Schalke 04 ist nach dem „Wunder von Mailand“ zurück in der Realität. Gnadenlos deckte das Millionen-Starensemble von Manchester United beim 2:0 (0:0) in Gelsenkirchen die Schwächen des zuletzt hochgelobten Außenseiters auf.

Trotz der eindrucksvollen Demonstration britischer Fußballkunst verweigert Schalke-Coach Ralf Rangnick die vorzeitige Aufgabe: „Warum sollten wir kapitulieren? Wir haben jetzt rein gar nichts mehr zu verlieren.“

Nach dem abrupten Ende der Superserie von fünf Champions-League-Heimsiegen in der Gelsenkirchener WM-Arena braucht Schalke jetzt am 4. Mai das „Wunder von Old Trafford“. Doch obwohl Rangnick sich und den Seinen vor dem Rückspiel im rund 75 000 Besucher fassenden Fußball-Tempel der Stadt im Nordwesten Englands Mut machte, weiß ganz Schalke eines insgeheim: Viel zu holen ist nicht mehr, der wundersame Erfolgstrip quer durch Europa wird mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht im Finale am 28. Mai im Londoner Wembley-Stadion enden.

Eigentlich war es das Duell United gegen Manuel Neuer. Der deutsche Nationaltorhüter brachte Wayne Rooney und Co. in seinem 26. Europacup-Einsatz zur Verzweiflung und hielt bis zum Doppelschlag des schon 37-jährigen Evergreens Ryan Giggs (67. Minute) und von Rooney (69.) das ersehnte „zu Null“.

„Der Respekt war sehr groß - leider zu groß“, kommentierte der in Weltklassemanier haltende Schalke-Kapitän das am Ende doch deprimierende Resultat, ehe er nicht nur von Rangnick in höchsten Tönen gepriesen wurde: „Es gibt für mich momentan keinen besseren Torwart, egal wo, ob in Europa oder sonstwo. Und das hat er eindrucksvoll bewiesen.“

„Jetzt muss ein Sahnetag gelingen“ - fast trotzig reagierte der von Sir Alex Ferguson geadelte Neuer auf die erste und völlig verdiente Heimpleite in der aktuellen Königsklassen-Spielzeit. Fergusons Lob für den 25 Jahre alten Liebling aller Schalker kam aus tiefstem Herzen: „In meiner Zeit als Trainer habe ich, glaube ich, noch nie so eine gute Torwartleistung gesehen.“ Und immerhin ist der 69 Jahre alte Schotte schon seit 1974, damals beim FC East Stirlingshire, in seinem Beruf tätig.

12:1 stand es vor dem Aufeinandertreffen zwischen Schalke und Manchester: Königsblau erlebte seine Halbfinal-Premiere, die „Red Devils“ von der Insel sind in der Vorschlussrunde mit jetzt einem Dutzend Auftritten fast Dauergast. Und dieses Zahlenspiel spiegelte die Kräfteverhältnisse schonungslos wider: Der Bundesliga-Tabellenzehnte war gegen den designierten englischen Meister zeitweise und speziell in der Defensive überfordert.

Rangnick flüchtete sich angesichts dieser Unterlegenheit in Zweckoptimismus: „Im Fußball sind schon viele Dinge passiert. Wir haben gezeigt, dass wir auch auswärts in der Lage sind, Tore zu schießen“. Er beschwor vor dem entscheidenden Rückspiel in Old Trafford die Magie der fünf Treffer im Viertelfinale beim von den Schalkern entzauberten Titelverteidiger Inter Mailand (5:2) herauf: „Vielleicht ist es ja auch so, dass Manchester seiner Sache ganz sicher ist. Wir haben rein gar nichts mehr zu verlieren und können dort unbeschwert nach vorn spielen.“

Doch die Schalke-Profis sind sich der nahezu unlösbaren Aufgabe bewusst: „Es ist nicht davon auszugehen, dass wir jetzt den klaren Sieg fahren“, meinte Neuer. Mittelfeldmann Alexander Baumjohann pflichtete bei: „Ich würde jetzt nicht sagen, dass wir große Chancen haben, das Rückspiel zu gewinnen.“ Zu krass waren die Leistungsunterschiede. Selbst der 73-malige Europacup-Torschütze Raúl, mit fünf Treffern in dieser Champions-League-Saison bester Schalker, blieb blass und wirkungslos wie selten. „Für uns wird es sehr, sehr schwierig“, hielt er fest.

Die Schalker trauerten indes nicht lange. Sportvorstand Horst Heldt beeilte sich, den immensen Stolz auf das bisher Erreichte zu erwähnen: „Und der überwiegt“ - trotz einer verkorksten Erstliga-Spielzeit, an deren Ende ja noch das DFB-Pokalfinale gegen den MSV Duisburg wartet. Die sportlichen und finanziellen Saldi, speziell aus der Königsklasse, sind exzellent. Immerhin nahm der Revierclub mehr als 50 Millionen Euro ein und mischte Europas Fußball-Adel teilweise kräftig auf. Das lässt das königsblaue Selbstwertgefühl zurecht wachsen.