Hoeneß verzückt: „Besser geht's nicht“
München (dpa) - Tore, Tempo, Tricksereien - die Münchner Lach-und-Schieß-Gesellschaft lehrt nun auch in der Champions League die Gegner das Fürchten. In Hochstimmung verließ nicht nur Uli Hoeneß nach der 6:1 (5:0)-Gala seines FC Bayern gegen den OSC Lille das Fußball-Theater Allianz Arena.
Auch danach schwebte der 60-Jährige immer noch wie auf Wolke sieben: „Besser geht's nicht!“, beschrieb der in einer Woche zur Wiederwahl antretende Präsident seinen „Gemütszustand“. Der deutsche Rekordmeister stehe im Spätherbst 2012 sportlich und wirtschaftlich „wie eine Eins da“, schwärmte Hoeneß, um zugleich vor Übermut zu warnen: „Wir sind gut beraten, nicht überheblich zu werden. Die Höhenluft ist dünn.“
Zwei titellose Jahre machen die Chefs auch in fußballerischen Rauschzuständen vorsichtig. Karl-Heinz Rummenigge wirkte fast schon erleichtert, dass der Tor-Express um Claudio Pizarro nach dem schnellsten 5:0 in der Champions-League-Geschichte ins Stocken geriet und ein zweistelliger Rekordsieg verpasst wurde.
„Wenn wir zehn Stück geschossen hätten, was möglich gewesen wäre, wären jetzt schon die Euphorie-Korken nach oben geflogen. Deshalb ist mir das 6:1 eigentlich lieber“, sagte der Vorstandsvorsitzende nach dem dritthöchsten Bayern-Sieg in Europas Königsklasse. Die Bestmarke, das 8:0 des FC Liverpool gegen Besiktas Istanbul aus dem Jahre 2007, hat weiterhin Bestand.
Geerdet bleiben, heißt die interne Marschroute. Keiner soll sich blenden lassen, zumal von einem Sieg gegen die „Lilleputaner“, wie die „Bild“-Zeitung die wehrlosen Franzosen titulierte. „Man hatte das Gefühl, da spielt eine Schülermannschaft gegen eine normale Mannschaft“, stöhnte OSC-Coach Rudi Garcia. Der arme Mann war fix und fertig nach einer „alptraumartigen ersten Halbzeit“, während sein inzwischen Deutschland-weit wieder bewunderter Bayern-Kollege Jupp Heynckes über die „Bilderbuchkombinationen mit wunderbaren Torabschlüssen“ seiner Edel-Fußballer schwärmen konnte.
Routinier Pizarro schlug erstmals in der Königsklasse gleich dreimal zu (18./28./33. Minute). Dazu waren Bastian Schweinsteiger (5.) und Arjen Robben (23.) mit Freistößen erfolgreich. Und der eingewechselte Toni Kroos (66.) rundete nach dem Schönheitsfehler des 1:5 von Salomon Kalou (57.) die Münchner Gala ab.
„Dafür ist man Fußballspieler geworden. Da darf man auch mal ein bisschen lachen und genießen“, bemerkte Robben freudestrahlend, ehe er mit ernster Miene versprach: „Wir werden mit beiden Füßen auf dem Boden bleiben.“ Franck Ribéry äußerte sich ähnlich: „Wir haben viel Spaß zusammen auf dem Platz. Aber wir müssen Lille schon wieder vergessen. Schon am Samstag müssen wir gegen Frankfurt wieder gewinnen“, betonte der seit Wochen überragende Franzose.
Weiter - immer weiter! Zumal selbst neun Punkte den Bayern noch nicht das Weiterkommen in Gruppe F garantieren. In zwei Wochen kommt es zum Gruppengipfel beim punktgleichen Tabellenführer FC Valencia. Und im Hintergrund lauert immer noch BATE Borissow (6 Zähler).
Sport-Vorstand Matthias Sammer bemühte als Ober-Mahner sogar eine lyrisch anmutende Einordnung des wunderbaren sportlichen Laufes: „Ich stehe hier, es ist Herbst, es ist kalt draußen, die Blätter fliegen vom Baum - und es gibt keine Pokale!“ Die werden - in Bundesliga, Champions League und DFB-Pokal - eben erst im Mai 2013 vergeben.
Ein drittes titelloses Jahr kann sich aber niemand mehr vorstellen. Hoeneß beeindruckt die Dominanz der Mannschaft auf dem Platz. Die „Transferpolitik“ ist für ihn der Schlüssel für die neue Stärke: „Wir können Verletzungen und Formschwächen ausgleichen.“
Bestes Beispiel für diese These war gegen Lille Pizarro, der für den erkrankten Mario Mandzukic einsprang und pünktlich zur bevorstehenden Rückkehr von Mario Gomez die Sturmhierarchie angriff: „Wer sagt, dass ich die Nummer drei bin? Wir sind alle wichtig hier. Ich werde immer da sein, wenn mich die Mannschaft braucht“, meinte der Peruaner. Hoeneß lobte dagegen demonstrativ 40-Millionen-Einkauf Javi Martínez. „Das Herz hat mir im Leibe gelacht. Ich habe erstmals gesehen, warum wir ihn geholt haben“, schwärmte der Präsident.
Neben den Lobeshymnen sind die Bayern-Bosse auch darum bemüht, die zunehmenden Debatten um die offene Zukunft von Heynckes einzudämmen. Der Vertrag des Trainers läuft am Saisonende aus, der intern verabredete Zeitplan sieht Gespräche Anfang 2013 vor. „Der Jupp hat keine Eile, wir haben keine Eile“, erklärte Rummenigge: „Wir müssen nur daran arbeiten, dass wir weiterhin spielen wie gegen Lille.“