„Totgesagte“ bringen Chelsea auf Halbfinalkurs

Lissabon (dpa) - Der englische Fußball feiert in der Champions League den FC Chelsea und das Comeback der „Totgesagten“: Nach dem 1:0 (0:0)-Sieg im Viertelfinal-Hinspiel bei Benfica Lissabon stehen die „Blues“ in der europäischen Königsklasse vor ihrem sechsten Halbfinaleinzug.

„Das ist das alte Chelsea“, jubelte die Zeitung „Daily Mail“. Das Team habe unter dem erst seit Anfang März amtierenden Interimstrainer Roberto Di Matteo wieder auf die alten Defensivtugenden der José-Mourinho-Ära (2004-2007) gesetzt, hieß es.

Dem in Schaffhausen in der Schweiz geborenen Di Matteo, als „Feuerwehrmann“ für den entlassenen „Schönspiel“-Coach André Villas-Boas verpflichtet, gelang eine taktische Meisterleistung. Er setzte im mit 64 000 fast ausverkauften Lissabonner Estadio da Luz auf vorsichtige Ballkontrolle und Konter sowie auf mehrere Spieler, die unter Villas-Boas bereits als abgeschrieben galten. Und die bedankten sich prompt. Der zuletzt viel kritisierte Spanier Fernando Torres, einer der besten Akteure auf dem Platz, gab nach tollem Flankenlauf den Pass zum Treffer des unter Villas-Boas kaum eingesetzten Salomon Kalou (75. Minute).

Die „Daily Mail“ ernannte den 26-jährigen Ivorer Kalou, der bislang auf der Abschussliste stand und nun erstmals in dieser Saison von Anfang an mitmachen durfte, sofort zum „König Salomon“. Während der Portugiese Paulo Ferreira zum ersten Einsatz 2012 kam, mussten bisher „unantastbare“ Stars wie Chelseas europäische Rekordprofis Didier Drogba (43 Tore) und Frank Lampard (101 Einsätze) ebenso die Bank drücken wie die Dauer-Stammspieler Michael Essien und Daniel Sturridge. „Ich wollte mehr Frische ins Team bringen“, erklärte der wagemutige Di Matteo. Er sprach von einem „herrlichen Erfolg“. Man müsse für den Halbfinaleinzug aber „noch einen ganzen Berg erklimmen“.

Englische Medien fragen sich nun, ob der 41 Jahre alte frühere italienische Nationalspieler, der erst seit 2008 Trainer ist, in der nächsten Saison nicht doch eine Chance bekommen sollte. Angeblich will Chelsea Barcelonas Trainer Pep Guardiola, dem französischen Nationalcoach Laurent Blanc und eventuell auch Real Madrids Mourinho Millionenangebote unterbreiten. „Er hat eine Lektion in Sachen Ruhe erteilt“, schrieb „The Independent“. Und der Mannschaft, die daheim in der Premier League nach einem tollen Jahrzehnt mit drei Liga-Meistertiteln diese Saison nur auf Platz fünf vor sich hindümpelt, neues Leben eingehaucht.

Benfica, das ohne einen einzigen Portugiesen in der Startelf antrat, will unterdessen nach der ersten Europapokal-Heimpleite seit dem 1:2 gegen Schalke am 7. Dezember 2010 nicht das Handtuch werfen. „Chelsea hatte mehr Glück, aber auswärts haben wir bisher immer Tore geschossen“, sagte Trainer Jorge Jesus. Und Torwart Artur tönte: „Mit Mut packen wir das noch.“