Weltklasse-Draxler übernimmt erstmals De-Bruyne-Rolle
Gent (dpa) - Wie ein strahlender Held sah der frisch geduschte Julian Draxler nicht aus. Dabei hatte der 22-Jährige kurz zuvor zwei Traumtore geschossen und war von Manager Klaus Allofs mit dem Prädikat „Weltklasse“ gepriesen worden.
„Weil ich ein bisschen im Stress bin wegen der Doping-Kontrolle“, erklärte der abgehetzte Fußball-Weltmeister, der den VfL Wolfsburg fast schon im Alleingang ins Viertelfinale der Champions League geschossen hatte.
Nur die zwei späten Gegentreffer von KAA Gent zum 3:2 (1:0)-Endstand störten ein wenig bei Draxlers Gala, mit der der frühere Schalker erstmals aus dem langen Schatten von Kevin De Bruyne getreten ist. So stark und dominant hatte der Nationalspieler noch nie zuvor im VfL-Trikot aufgetrumpft. Seine als Tore gekrönten Geniestreiche in der 44. und 54. Minute waren das Beste an seinem beeindruckenden Auftreten, das an diesem Abend mit den Leistungen des nach Manchester verkauften De Bruyne vergleichbar war.
Bei aller Begeisterung schwang die Besorgnis mit, dass Draxler nach dem Galaauftritt wieder in alte Muster verfällt. Auch wenn Trainer Dieter Hecking die Treffer als „wunderbar“ bezeichnete und den jungen Spieler ausgiebig lobte: „Er hat ein richtig gutes Spiel gemacht, nicht nur wegen seiner beiden Tore.“
„Das macht man nicht alle Tage in der Champions League“, sagte Draxler über seinen Doppelpack. Deshalb schnappte der 22-Jährige sich auch nach dem Abpfiff den Spielball und nahm ihn als Souvenir mit nach Wolfsburg. Der öfter wegen seines mitunter lethargisch wirkenden Spiels Kritisierte war „glücklich über mein Spiel und über das Spiel der Mannschaft“.
Für Draxler war es wie für alle Wolfsburger nur „ärgerlich, dass wir noch zwei Tore gekriegt haben und eine perfekte Ausgangsposition verspielt haben“. Nach dem dritten Tor durch Max Kruse (60.) vertändelten die VfL-Profis die klare Führung, kassierten die unnötigen Treffer von Sven Kums (80.) und Kalifa Coulibaly (89.) und müssen sich im Rückspiel am 8. März noch einmal anstrengen.
Dennoch überwog bei Draxler und den VfL-Verantwortlichen die Freude, je näher der Donnerstagmorgen kam. „Trotz der Gegentore ist das mehr als in Ordnung. Wir müssen nicht Trübsal blasen“, betonte Allofs. Das 80 Minuten beeindruckende Spiel „sollte man auch erstmal genießen“.
Allofs nutzte den Genuss-Moment auch, um eine Lanze für Draxler zu brechen. „Er gehört zu dem Besten, was wir im deutschen Fußball haben“, schwärmte Allofs vom für rund 35 Millionen Euro von Schalke abgeworbenen Toptalent und mahnte: „Mit der Geduld ist das nicht so ausgeprägt, aber wir müssen sie haben mit den jungen Spielern.“
Bei Andre Schürrle hingegen scheint aber auch Allofs immer ungeduldiger. Über den trotz Personalnot lange auf der Bank schmorenden Nationalspieler sagte der VfL-Geschäftsführer: „Bei Schü ist es immer noch schwierig, da müssen wir nicht drum herumreden.“
Viel lieber als Schürrle weiter zu kritisieren, lobte Allofs Draxlers Fortschritte: „Ihm wird manchmal vorgeworfen, dass er das nicht über 90 Minuten spielen kann oder dass er sein Können nur zeitweise aufblitzen lässt. Heute hat er das über die ganze Spielzeit gemacht. Er hat zwei Tore erzielt, hat auch in der Defensive gut mitgearbeitet. Das ist das, was wir über ihn gesagt haben. So reicht mir das schon.“ Und dann schob Allofs noch schnell hinterher: „Zumindest für den Moment.“