Coach Hecking macht Wolfsburg „sympathisch“
Wolfsburg (dpa) - Vor einigen Wochen war Dieter Hecking für kurze Zeit genervt. „Hören Sie auf, von der Champions League zu schreiben“, mahnte der Trainer ein paar Journalisten. Sein VfL Wolfsburg eine Spitzenmannschaft?
Davon wollte der 49-Jährige nichts wissen.
Trotzdem wurde die Frage nach den Ambitionen der Niedersachsen später immer wieder gestellt. Genervt reagierte der Coach allerdings nicht mehr. „Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir nächste Saison international spielen werden. Da muss man nicht rumreden“, erklärte er unlängst. Von Zurückhaltung keine Spur mehr.
Der Sinneswandel des Trainers hängt auch mit den zuletzt starken Auftritten seiner Mannschaft zusammen. Der VfL begeisterte die eigenen Anhänger mit mutigem Offensivfußball und vielen, teilweise einzigartigen Toren. Genauso offensiv präsentierten sich zuletzt auch Hecking und Sportdirektor Klaus Allofs. Wolfsburg will nicht nur international, sondern in der Champions League spielen. „Wir wollen Vierter werden“, betonte Hecking. Dieser Tabellenplatz berechtigt zur Qualifikation für die Königsklasse.
Seit etwas mehr als einem Jahr ist Hecking bereits in Wolfsburg. Genug Zeit, um den vermögenden Werksclub zur Ruhe zu bringen. Ex-Trainer Felix Magath hatte den teuren Kader auf 49 Profis aufgebläht. Hecking und Allofs reduzierten ihn auf 23 Spieler und verstärkten ihn nicht mehr quantitativ, sondern mit Spielern wie Luiz Gustavo, Ivan Perisic oder Kevin de Bruyne qualitativ und gezielt. Auch für diese Spieler musste der VfL hohe Ablösesummen zahlen. Im täglichen Training messen sich die Topverdiener mit jungen Talenten wie Maximilian Arnold oder Junior Malanda.
„Nur mit Bescheidenheit und Zurückhaltung kommen wir hier aber auch nicht voran“, sagte Hecking. Vielleicht liegt darin auch ein Geheimnis seiner Arbeit. Der Trainer schaffte es, junge Spieler und Multimillionäre zu einer Mannschaft zu formen. Neiddebatten oder Extravaganzen scheint es in Wolfsburg nicht mehr zu geben. Sogar vom Chef gab es dafür Lob. „Allofs und Hecking haben Ruhe in den Verein gebracht. Der VfL hat jetzt wieder ein Gesicht und wirkt sympathisch“, lobte VW-Boss Martin Winterkorn.
In einem Verein, der nach der überraschenden Meisterschaft 2009 unter Magath an seinen eigenen Ansprüchen scheiterte, verkörpert Hecking eine lange vermisste Bodenständigkeit. Als aktiver Fußballer hat er zwar in der Bundesliga, aber nie in der Nationalmannschaft gespielt. Als Bundesliga-Trainer leistete er in Aachen, Hannover und Nürnberg solide und konstante Arbeit. „Ich habe meinen Job von der Pike auf gelernt. Es war der beste Weg, den ich gehen konnte“, erklärte er einmal.
In Wolfsburg will der Familienvater den nächsten Schritt machen. Mit Alemannia Aachen hat Hecking in der Saison 2004/2005 bereits im damaligen UEFA-Cup gespielt. Die Champions League kennt er bisher aber nur aus dem Fernsehen. „Es macht Spaß, die Champions League und Siege der deutschen Clubs zu beobachten“, sagte der Coach. „Wir würden uns auch nicht dagegen wehren, wenn wir dabei wären.“