Reportage Der Tiger und die Welt hinter der Kamera
Düsseldorf · Tore, den goldenen Pokal und Stefan Effenberg haben die Fans beim Spiel zwischen Uerdingen und dem BVB im TV gesehen. Hinter den Kulissen sorgen Hektik und harte Arbeit für die perfekte Inszenierung.
Den ersten magischen Moment des Pokalabends gibt es etwa drei Stunden vor dem Anpfiff in der Düsseldorfer Spielarena. Stefan Effenberg betritt in einer Art Edel-Trainingsanzug den Besprechungswagen des Senders Sport1 vor dem Stadion. Viele Fernsehleute wuseln durch den mit Lederstühlen und Teeküche eingerichteten Lkw-Anhänger, ihren Experten Effe begrüßen sie kurz. Der Ex-Profi ist der Sport1-Star für die anstehende DFB-Pokalsaison.
Für den frei empfangbaren Privatsender ist der Sieg von Borussia Dortmund beim KFC Uerdingen die erste von vier Pokalpartien, die er live zeigen darf. Ein wichtiges Recht für das Programm, dessen Fußball-Höhepunkt zuletzt noch der Gottesdienst für Fans am Sonntagmorgen war – offiziell bekannt als Talkrunde „Doppelpass“. Zum Abend in Düsseldorf lädt Sport1 hinter die Kulissen seiner Übertragung ein. Das ist eine Welt, die viel hektischer und weniger glamourös ist, als die Inszenierung auf dem Bildschirm – natürlich abgesehen von Effenberg, dem Tiger.
Die Ablaufbesprechung des Senders verfolgt er Kaugummi kauend im Eck des Raums. Ob er da auf der Kiste, in der der Pokal lagert, sitze, will einer wissen. Ein kurzes Nicken von Effenberg und kurzes Gelächter in der Runde. Wer den Pott zwei Mal geholt hat, darf wohl draufsitzen. Sport1 hat den Pokal für die Übertragung als Leihgabe erhalten, um ihn später im Bild zu drapieren. Sendungsleiter Stefan Thumm erklärt derweil, was er in den nächsten Stunden erwartet. 73 Positionen, also Programmpunkte wie Trainerinterviews oder Werbung, habe die Übertragung, sagt Thumm. „Mit denen jonglieren wir. Am Ende des Tages wird live aber sicher etwas anders laufen.“ Ein paar Leitlinien nennt er seinen Kollegen, die dicht gedrängt im Wagen hocken, dennoch: „Um 19:45 Uhr kommen die Aufstellungen. Heim, Gast, die gehen wir dann nacheinander durch.“
Nebenan, in einem tropisch heißen Räumchen, sitzt Moderatorin Laura Papendick in der Maske. Vor einem aufklappbaren Spiegel holt eine junge Frau Creme und Pinsel aus bunten Täschchen und macht Papendick für den Auftritt zurecht. Zum ersten Mal moderiert sie an diesem Abend ein Spiel im Stadion. „Das Schminken vorher mag ich“, sagt Papendick. „Hier kann ich zur Ruhe kommen und den Ablauf durchgehen.“ Dazu gehören die Interviews mit Spielern und Trainern. Zuweilen haben diese wenig Lust auf Nachfragen. „Ich finde, dass es zu ihrem Job gehört, mit den Medien zu reden“, sagt Papendick.
Dass es letztlich Bilder vom Spiel gibt, ist nicht die primäre Aufgabe des übertragenden Senders. Die meisten Einstellungen liefert Sportcast, eine hundertprozentige Tochterfirma der Deutschen Fußball Liga. Regisseur Christian Wege stimmt etwa zwanzig Kameraleute und Slomo-Operator, also Menschen, die für die Wiederholungen zuständig sind, ein. In einem Kreis stehen die Männer unter einem Baum vor der Arena, es regnet. „Eigentlich spielt hier der FC Großkreutz“, sagt Wege. Den früheren BVB-Mann der Uerdinger wollen die Zuschauer sehen. „Ansonsten erwarten wir hier ein normales Fußballspiel, das aller Wahrscheinlichkeit nach 90 Minuten vorbei ist“, sagt Wege. Dann verteilt er die Kamerapositionen, die Namen wie Supermotion und Große Optik haben, an sein Team. Immer wieder übertönt der Lärm der startenden Flieger vom nahen Düsseldorfer Airport Weges Ansprache. Kurz klärt er noch, wie die Ankunft der Mannschaftsbusse zu filmen ist. Danach dürfen seine Leute aus dem Regen auf die Position.
Effenberg läuft derweil mit weißem Regenschirm zwischen den Übertagungswagen, trinkt Kaffee, plaudert mit den Mitarbeitern. Ob er vor so einer Partie noch Aufregung spürt? Effenberg überlegt kurz. „Die Freude vor dem Spiel ist da. Es ist eine sehr attraktive Konstellation“, sagt er dann doch. „Da bin ich Fußballfan. Ich will ein gutes und interessantes Spiel sehen. Dann war es ein schöner Abend.“
Und wie schön er wird. Am Spielfeldrand ist Effenberg der gefragte Mann. KFC-Trainer Heiko Vogel, sein Gegenüber Lucien Favre und BVB-Sportdirektor Michael Zorc kommen zum Interview vor dem Spiel. Bevor es auf Sendung geht, quatschen sie kurz mit Effenberg und sobald die Kamera läuft, redet auch Moderatorin Papendick mit. Dass sie tatsächlich ein brauchbares Gespräch zu Stande bekommen, ist fast ein kleines Pokalwunder. Etliche Menschen mit Kameras, Kabeln und Headsets tummeln sich am Spielfeldrand. Der Lärm ist gigantisch. Einheizer-Musik dröhnt aus den Stadionboxen. Als die BVB-Torhüter zum Warmmachen einlaufen, brandet Jubel bei den Gästefans auf. Die KFC-Anhänger skandieren ihre Schmähungen. Papendick und Effenberg talken einfach weiter.
Die Bilder vom Vorbericht und vom Spiel laufen im Übertragungswagen vor dem Stadion zusammen. Die Regie von Sport1, von Sportcast sowie Tontechniker sitzen auf engstem Raum in dunklen Kämmerchen. Vor ihnen flimmern Bildschirme, die alle möglichen Kameraeinstellungen zeigen. Vor allem der Regisseur muss sich konzentrieren. Über sein Head-Set ist er per Funk mit allen Beteiligten verbunden. Plötzlich kommt Aufregung bei den Männern am Steuerpult auf. 1:0 für den BVB. Aber war es vor dem Schuss ein Handspiel von Marco Reus? Eilig läuft die Beweisführung über verschiedene Kameraeinstellungen. Welches Bild schafft zu Hause auf dem Sofa nun Klarheit? Und ist das im Sinne der Regel überhaupt Hand? Die Männer debattieren und halten dabei Kommentator Markus Höhner und seinen Co-Mann Effenberg auf der Tribüne auf dem Laufenden. Ohnehin erhalten die Kommentatoren entscheidende Hinweise aus dem Wagen. Der KFC bereitet einen Wechsel vor, funkt die Regie. Und wenige Sekunden später erzählt Höhner den Zuschauern, dass der KFC ja gerade einen Wechsel vorbereitet.
Oben, an seinem Platz, liegt vor Höhner zusätzlich ein Zettel mit etlichen Informationen zu den Spielern. Die Vorbereitung auf die bekannten BVB-Stars sei genauso anspruchsvoll wie bei den Uerdingern, sagt Höhner in der Halbzeit. „Da müssen wir den Zuschauern etwas Neues erzählen, denn viele Geschichten zu den Dortmundern kennen sie ja schon.“ Während Höhner spricht, stehen Fans aus den umliegenden Blöcken bei Effenberg Schlange. Alle wollen ein Foto mit dem Promi. Im Oberrang ist so statt Großkreutz Experte Effenberg der Mann des Abends – zumindest für einige Augenblicke.