Oben ohne gegen HSV: Kein Flutlicht in Jenas Stadion
Jena (dpa) - Peter Ducke kann sich kaum an Spiele erinnern, wo der Gegner unter Flutlicht eine Chance gehabt hätte. Schon bei dessen Premiere im Februar 1974 hatte der FC Carl Zeiss Jena den späteren DDR-Rekordmeister BFC Dynamo mit 4:0 abgefertigt.
Später scheiterten auch internationale Größen wie Ajax Amsterdam und der AS Rom unter den Scheinwerfern. „Es waren große Jahre für den Fußball“, schwärmt Jenas Stürmer-Legende. Künftige Generationen müssen nun auf den „Beistand von oben“ verzichten: Europas höchste Flutlichtanlage ist seit dieser Woche Geschichte.
Zum Glück. Denn nur wegen der zügigen Demontage der Stahlriesen kann der große Fußball nach Jena zurückkehren: Am Sonntag fordert der Fünftliga-Neuling SV Schott Jena den Hamburger SV heraus. Nach der plötzlichen Stadionsperre und einer Odyssee auf der Suche nach Alternativ-Spielplätzen war das Aufatmen riesig, als die Masten nun weg waren. Die Gastgeber rechnen mit einem vollen Stadion. 10 000 Tickets waren zuletzt bereits verkauft.
Ein Gutachten hatte nach dem jüngsten Saale-Hochwasser Rostschäden an den „Giraffen“ genannten Masten attestiert und Einsturzgefahr bescheinigt. Kurz darauf rückte der Autokran im Abbe-Sportfeld an, um mit den Abriss zu beginnen. Nach knapp einer Woche waren die vier rund 70 Meter hohen Stahlmasten aus dem Stadtbild verschwunden - und von der Baustelle auch gleich noch 14 Flutlichtstrahler, die in einer Nacht- und Nebenaktion gestohlen wurden. Elf von ihnen hat die Polizei wieder sichergestellt.
Für Schott Jena soll es nun trotz der vorherigen Schwierigkeiten ein Fußball-Fest geben, wenngleich sich der Underdog keinen Illusionen hingibt. „Selbst von einer Außenseiterchance zu sprechen, wäre gegen den HSV vermessen. Wir wollen dieses Highlight einfach mitnehmen und genießen“, sagt Abwehrchef Paul Schletzke. Die Jenaer hatten sich tapfer mit einem 1:0 im Thüringenpokal-Finale gegen den FC Rot-Weiß Erfurt in die 1. Hauptrunde vorgekämpft hat.
Neues Licht soll es im Stadion geben. Wann und wie aber, das ist ungewiss. Denkbar ist alles, von der schlichten Stadionsanierung bis hin zum mit EU-Geld geförderten Großprojekt Multifunktionsarena. Für seine sportlichen Ambitionen braucht der Regionalligist FC Carl Zeiss Jena, der normalerweise im Ernst-Abbe-Stadion spielt, allerdings eine schnelle Lösung: In der in der kommenden Woche startenden Saison ist der Aufstieg das Ziel, und in der 3. Liga ist Flutlicht Pflicht. Bis Ende des Jahres will der Stadtrat eine Lösung finden.
Ein Nachbau der Stahlriesen steht allerdings nicht zur Debatte. „Damals, vor 39 Jahren, waren die Masten zweifelsohne eine ingenieurstechnische Meisterleistung“, sagt Gunnar Poschmann, Sprecher des städtischen Stadionbetreibers Kommunale Immobilien Jena. Heute aber brauche es keine 70-Meter-Masten mehr, um ein Stadion zu beleuchten. „Sie waren Zeugnisse ihrer Zeit, die man nicht kopieren kann. Auch wenn sich das mancher wünschte“, sagt Poschmann.
Peter Ducke vermisst die „Giraffen“. „Sie waren ein unikates Schmuckstück“, erklärt er, „und ein Wahrzeichen dieser Stadt“. Die Konstruktion mit den fächerförmigen Stahlträgern sei ihm so in keinem Stadion, in keinem anderen Erdteil untergekommen, berichtet der 68-fache Nationalspieler.