Teningen, Windeck & Co.: Pokal-Reiz durch „Kleine“
Hamburg (dpa) - Der TSV Vestenbergsgreuth, der VfB Eppingen oder der FV Weinheim 09 lassen grüßen: Der Reiz beim alljährlichen Start in den DFB-Pokalwettbewerb ist die Lust auf die Sensation.
Branchenriesen wie Bayern München oder den Hamburger SV hat es in der Vergangenheit schon erwischt und wurden so kurzzeitig zum Gespött von Fußball-Deutschland. „Auch in diesem Jahr wird wieder ein erstklassiger Verein gegen einen unterklassigen Club ausscheiden. Wir müssen schauen, dass wir das nicht sind“, meinte der neue Leverkusener Bayer-Coach Robin Dutt vor dem Auftritt bei Zweitligist Dynamo Dresden.
Träumen ist erlaubt: Provinzvereine aus Teningen, Eimsbüttel, Meuselwitz, Windeck, Wiedenbrück & Co. wollen den Coup schaffen und zum Pokalschreck werden. Zumal es viel Bares gibt: Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) garantiert rund 110 000 Euro, in Runde zwei sogar 250 000 Euro.
Schon deshalb ist Dabeisein alles. Den „Sechser im Lotto“ mit Cupverteidiger Schalke 04, der den verletzten Torhüter Ralf Fährmann ersetzen muss, zog ausgerechnet der klassentiefste Verein: Siebtligist FC Teningen. Sonst kickt der Club aus der südbadischen 11 000-Einwohner-Gemeinde vor 200 Getreuen, diesmal werden im nahen Freiburg mehr als 20 000 Fans erwartet.
Und ein warmer Geldregen dazu, den der Verein zum Abbau von rund 180 000 Euro Schulden nutzen will. Trainer Claus Kraskovic hat vor dem einmaligen Erlebnis „fast schon schlaflose Nächte“, Fabian Minke, der FC-Kapitän und im Hauptberuf Gärtner ist, möchte ein Debakel vermeiden: „Zweistellig sollte es nicht werden.“
Das hofft auch der ETV Hamburg beim Gastspiel von Greuther Fürth. Bundesweites Interesse weckte der sechstklassige Verein aus Hamburgs Stadtteil Eimsbüttel längst: Nach dem sensationellen Sieg beim Hamburg-Pokal, bei dem der Landesligist sechs Oberligaclubs rauswarf, und einem Prämienstreit traten das erste und zweite Team aus. Die A-Jugend mit 20 erst 17- oder 18-Jährigen im Kader sucht nun ihre Chance.
Borussia Dortmunds Meistertrainer Jürgen Klopp, dessen Team bei Drittligist SV Sandhausen antreten muss, hätte „am liebsten gegen die A-Jugend von Eimsbüttel gespielt“. Das Los entschied anders, Klopp hat durchaus Bedenken: „Nicht nur unsere Pokalgeschichte hat gezeigt, dass für Außenseiter eine Chance da ist.“ 2010/2011 schied der BVB in Runde zwei bei Kickers Offenbach (2:4 im Elfmeterschießen) aus.
„Wir wollen Spaß haben und die Niederlage in Grenzen halten“, sagte ETV-Trainer Harald Wenzing, der quasi ein Familienunternehmen leitet. Sohn Fabio spielt im Mittelfeld, Vater Richard ist Co-Trainer.
Sechstklassig ist mittlerweile auch Germania Windeck. Der aus finanziellen Gründen in die Mittelrheinliga abgestiegene Club steht zum dritten Mal in Serie in Runde eins und erwartet nach Schalke und Bayern (jeweils 0:4) mit 1899 Hoffenheim den dritten Erstligisten. „Berühmt“ wurde Vorgängerclub Germania Dattenfeld: Der Keeper von Gegner SV Straelen glaubte, die Tore seien zu klein. Beim Nachmessen wurde festgestellt, dass die Latte an den Seiten nur 2,30 und in der Mitte sogar nur 2,27 statt der vorgeschriebenen 2,44 Meter Höhe hatte. Der Fall ging sogar bis vor das DFB-Bundesgericht.
Fünftligist Anker Wismar dürfte gegen Hannover 96 die Underdog-Rolle zu spüren bekommen, Regionalligist ZFC Meuselwitz ist indes kein ganz „Kleiner“ mehr: Der Zipsendorfer FC stammt aus dem gleichnamigen Ortsteil von Meuselwitz im tiefsten Thüringen. Gegen Hertha BSC werden in der heimischen Bluechip-Arena (rund 10 000 Plätze) wohl die meisten Einwohner der 11 000-Seelen-Gemeinde versammelt sein.
„Da wird Ausnahmezustand herrschen“, glaubt Kapitän Karsten Oswald, als ehemaliger Zweitligaprofi in Chemnitz und Dresden der bekannteste ZFC-Spieler. Auch wenn er verletzungsbedingt fehlt, wird er die Daumen drücken, damit es besser läuft als 2010: Da siegte der 1. FC Köln 2:0.
Die Kölner gastieren wieder bei einem Regionalligisten: beim SC Wiedenbrück, der aber ins benachbarte Gütersloh ausweicht. Der Auftritt von Lukas Podolski und Co. vor erwarteten 12 000 Anhängern wurde als „Sicherheitsspiel“ eingestuft. 2600 Kölner Fans reisen in Sonderzügen an und werden per Bus direkt am Stadion abgeliefert. „Wir sind bestens gerüstet“, sagte SCW-Vorstand Alexander Brentrup.