Conte: „Wollen besser vorbereitet sein als alle anderen“
Florenz (dpa) - Kaum Stars, schwache Testspielergebnisse und viele Verletzte: Wenige Tage vor Beginn der EM gibt es für Italiens Fußball-Nationalelf nur wenig, was Hoffnung auf eine Wiederholung des zweiten Platzes von 2012 macht.
Doch Trainer Antonio Conte glaubt an sein Team und will die Schwächen mit einem einfachen Rezept ausgleichen. Im Interview der Deutschen Presse-Agentur und des Fachmagazins „Kicker“ verrät er, was er von der deutschen Elf hält und worauf es für Italien während der EM in Frankreich ankommt.
Italien gehört nicht zu den EM-Favoriten, was ist Ihr Ziel?
Antonio Conte: Ich denke, es ist schwierig, an diesem Punkt über große Ziele zu reden. Es ist wichtig, immer am Maximum zu arbeiten und dann Spiel für Spiel anzugehen. Unser erstes Ziel ist es, die Gruppenphase zu überstehen. Wir haben eine sicher nicht einfache Gruppe erwischt, vielleicht sogar die schwerste. Erst einmal wollen wir die Vorrunde überstehen, dann wird man sehen, was in der K.o.-Runde möglich ist.
Ist das ein Vorteil, dass die Erwartungen an die Mannschaft in diesem Moment in Italien nicht allzu hoch sind?
Conte: Ich glaube nicht, dass die Erwartungen gedämpft werden, im Gegenteil. Wir müssen uns alle bewusst werden, dass es derzeit kein einfacher Moment für den Calcio ist. Wir haben ein Generationsproblem, der Fußball bringt kaum neue Talente hervor. Von dem Team, das vor zehn Jahren die WM gewonnen hat, sind nur noch wenige geblieben. Aber wir versuchen, das mit harter Arbeit auszugleichen, mit Teamgeist, mit Entschlossenheit, mit Begeisterung. Wir wollen besser vorbereitet sein als alle anderen, in jeder Hinsicht: Technisch, taktisch, physisch und mental.
Italiens Gruppe ist nicht gerade leicht. Wie schätzen Sie die Gegner Belgien, Schweden und Irland ein?
Conte: Belgien ist sicherlich eine starke Mannschaft, da muss man nur auf die Weltrangliste schauen. Sie profitieren von einer phänomenalen Generation mit sehr vielen Talenten. Schweden hat eine ausgeglichene Mannschaft mit einem Ausnahmekönner, Ibrahimovic, den ich in seinem Zenit sehe, weil er sich immer weiterentwickelt und verbessert hat. Und Irland ist eine Mannschaft, die Enthusiasmus und Begeisterung mitbringt. Aber wir arbeiten hart und sicherlich werden auch sie sich nicht freuen, mit Italien in einer Gruppe zu sein.
Weil die Mannschaft vielleicht nicht so viele Stars hat: Muss man dann mehr arbeiten, etwa auf taktischer Ebene?
Conte: Ich glaube, das Wichtigste ist es, das Italien es sich nicht erlauben kann, eine Auswahl zu sein. Italien muss eine Mannschaft sein. Es ist wichtig, viel an der Technik und Taktik zu arbeiten und zu versuchen, ein Teamgefühl wie im Verein zu erzeugen.
Denken Sie schon an Ihre Zukunft beim FC Chelsea oder konzentrieren Sie sich auf den Moment?
Conte: Ich lebe sehr den Moment. Ich lebe total in der Gegenwart. Die heißt EM und ist der Abschluss von zwei wunderschönen Jahren als Nationaltrainer.
Wie sehen Sie die deutsche Mannschaft?
Conte: Deutschland ist eine ausgezeichnete Mannschaft, die von einem ausgezeichneten Trainer betreut wird. Wir haben im März gegen sie gespielt und eine Niederlage kassiert. Sie sind Weltmeister, einer der EM-Favoriten gemeinsam mit Frankreich und Spanien. Dann sehe ich noch England und Portugal. In den letzten Jahren hat Deutschland großartig gearbeitet. Sie verfügen über technisch starke und junge Spieler, die bereits bei großen Clubs spielen. Ich sehe eine rosige Zukunft für die deutsche Mannschaft.
Welchen deutschen Spieler würden Sie sich in Ihrer Mannschaft wünschen?
Conte: Ich nenne ungern Namen, außerdem gäbe es da sicherlich einige. Aber ich würde keinen meiner Spieler eintauschen wollen. Ich weiß, dass meine Spieler meine Idee unterstützen und für mich durchs Feuer gehen würden, und ich würde dasselbe für sie tun.
Würden Sie bei der EM gerne wieder auf Deutschland treffen?
Conte: Ich wünsche mir das. Wenn wir gegen Deutschland spielen, bedeutet das, dass wir weit gekommen sind. Italien gegen Deutschland wäre sicher kein Achtelfinale.
Was wird Mitte Juli von Antonio Conte in Italien bleiben?
Conte: Zwei Jahre Arbeit, in denen wir sicherlich gewachsen sind in vielerlei Hinsicht. Ich wünsche mir, dass die Arbeit geschätzt wird, die ich in dieser Zeit gemacht habe, weil es keine einfache Arbeit war. Außerdem wünsche ich mir natürlich eine gute EM.
Wie oft werden Sie in Frankreich wohl Ihre Stimme verlieren?
Conte: Das habe ich mir auch schon überlegt, ich habe ja nicht die tägliche Übung aus dem Club. Ich mag es, während der Partien präsent zu sein, meine Spieler stets zu unterstützen, sie zu begleiten.
ZUR PERSON: Seit August 2014 ist Antonio Conte italienischer Nationaltrainer. Zuvor trainierte der heute 46-Jährige drei Jahre lang Juventus Turin und holte mit dem Club drei Meisterschaften. Als Spieler wurde der aus Apulien stammende Conte Vize-Weltmeister und Champions-League-Sieger. Nach der EM wechselt er zum FC Chelsea.