Dänen setzen wie 1992 auf ihre Außenseiter-Chance
Lwiw (dpa) - Sogar Bundestrainer Joachim Löw schwärmt von dieser dänischen Überraschungsmannschaft. „Homogen, abgeklärt, reif, dynamisch“ - Attribute, die den DFB-Coach zumindest ein bisschen fürchten lassen vor dem am schwersten auszurechnenden Gruppengegner.
Lange waren sie nicht mehr als der pure Außenseiter in einer von Spitzenteams dominierten EM-Staffel B. Jetzt aber können die Dänen im letzten Vorrundenspiel in Lwiw gegen Deutschland sogar noch die ganz dicke Überraschung schaffen - und ins Viertelfinale einziehen.
Fast genau 20 Jahre nach ihrem Finalsieg von Göteborg hoffen die Dänen auf eine erneute Fußball-EM-Sensation gegen die Bundesrepublik - auch, wenn es nicht um den Titel geht. „Wir brauchen jetzt drei Punkte, nicht nur einen - es ist komplizierter für uns geworden“, urteilte Nationalcoach Morten Olsen am Samstag im ukrainischen Lwiw angesichts der jüngsten Pleite gegen Portugal. „Aber was vor 20 Jahren war, ist egal.“
Zumindest die Ausgangssituation war damals vor dem Endspiel am 26. Juni 1992 (2:0 für Dänemark) ähnlich. „Deutschland ist der klare Favorit und wir dürfen hoffen“, betonte selbst Olsen, dessen Team Löw für seine „stoische Ruhe“ lobte. Überhaupt scheint der 62 Jahre alte Oldie wie geschaffen für Fußballduelle mit Mannschaften aus der Bundesrepublik: Noch nie hat er eines davon verloren. „Da denke ich nicht drüber nach, das ist nicht wichtig“, sagte er kurz und knapp.
Pech nur, dass zum Vorrundenabschluss der emsige Flügelflitzer Dennis Rommedahl fehlen wird - ein Muskelfaserriss verdammt den 33-Jährigen zum Zuschauen. Ihn soll Tobias Mikkelsen ersetzen. „Der Ausfall wird den Dänen wehtun“, prognostizierte Bundestrainer Löw. Auch für Niki Zimling wird die Zeit bis zum Anpfiff ein Wettlauf mit der Zeit, der Defensivmann schlägt sich gleich mit drei Blessuren (Zeh, Wade, Oberschenkel) auf einmal herum. Sollte er nicht mehr rechtzeitig fit werden, dürfte Jakob Poulsen neben dem Stuttgarter William Kvist im defensiven Mittelfeld spielen.
Die Situation in dieser Gruppe ist äußerst kompliziert - und „total aufregend“ (Olsen). Um sicher das Viertelfinale zu erreichen, bräuchten die Dänen einen Sieg. Im Falle eines Unentschiedens müssten sie auf die Hilfe der Niederlande im Spiel gegen Portugal hoffen. „Wir haben noch nichts in unsere Koffer gepackt. Wir wollen bleiben“, bekannte Kvist in Lwiw süffisant.
Auch der frühere Schalker Ebbe Sand ist optimistisch. „Wir haben es immer noch in der eigenen Hand“, meinte Sand, der mittlerweile zum Trainerstab von Morten Olsen gehört. Sein Tipp: „Wir gewinnen 2:1, werden Gruppensieger und die Spanier am Ende Europameister.“ Damit das am Ende auch so eintritt, hielt Olsen am Freitagabend im Mannschaftshotel in Kolberg noch eine eingehende Videoanalyse der Deutschen ab, ehe das Team am Samstag in Lwiw Quartier bezog.
Besonders im Blickpunkt wird am Sonntag wohl Verteidiger Simon Kjaer geraten. Der 23-Jährige, derzeit vom VfL Wolfsburg an den AS Rom ausgeliehen, soll Mario Gomez ausschalten, den schon dreimal erfolgreichen Torjäger des deutschen Teams.
„Das ist ein sehr guter Stürmer, vielleicht einer der besten der Welt“, sagte Kjaer. „Wir dürfen ihm nicht viel Platz lassen.“ Eines seiner wenigen guten Spiele für die Wolfsburger machte der selbstbewusste Abwehrspieler in der Saison 2010/11 aber ausgerechnet beim 1:1 gegen Bayern München und Gomez. An solchen Geschichten und an der Erinnerung an 1992 halten sich die Dänen vor dem Sonntag fest.