Prinzenpark Ein Stadion zum Lieben- oder Fürchten-Lernen
Der Prinzenpark und Paris Saint Germain teilen eine wechselvolle Geschichte
Paris. Für Länderspiele hat Frankreich seit 1998 das Stade de France. Der Pulsschlag ist dort, in Saint Denis nördlich von Paris, nur zu Großereignissen zu spüren. Das Herz des Fußballs in Frankreichs Hauptstadt, sagen sie, schlägt jedoch im Prinzenpark-Stadion: Der Heimat von Paris St. Germain, einer Arena, die eine ebenso illustre Geschichte hinter sich hat wie der Klub, der in ihr spielt.
Daniel Riolo, französischer Radio- und Fernsehjournalist, hat in einem Reiseführer einen Aufsatz geschrieben über „Le Parc“ — es ist nicht weniger als eine Liebeserklärung an den in Beton gegossenen Spielort, der während der EM 46000 Zuschauern Platz bietet und Gastgeber für vier Vorrundenspiele sowie ein Achtelfinale ist.
Aber wie es mit der Liebe im schlimmsten Fall sein kann: Wird sie verschmäht, kann sich das rächen. Der Neubau des Stade de France für die WM 1998 ist beschlossene Sache, als die Franzosen 1993 im Prinzenpark mit zwei Niederlagen gegen Israel und Bulgarien die Qualifikation für die Weltmeisterschaft 1994 in den USA verpassen. Die Rugby-Nationalmannschaft verliert ihr letztes Spiel im Prinzenpark mit 12:50 gegen Südafrika. „Der Parc bringt kein Glück mehr“, fasst es Riolo zusammen.
Zuvor hatte das Stadion große Spiele gesehen: Das EM-Finale 1984 etwa, in dem Michel Platini und Bruno Bellone den Gastgeber zum 2:0-Sieg gegen Spanien schießen. Auch in der Geschichte des deutschen Fußballs hat das Stadion seinen Platz. 1975 gewinnt Bayern München durch ein 2:0 gegen Leeds United den Europapokal der Landesmeister, im Februar 1977 bestreitet Franz Beckenbauer im Prinzenparkstadion sein 103. und letztes Spiel im Trikot der deutschen Nationalelf. Das DFB-Team unterliegt Frankreich 0:1. 1897 wird der Sport im Pariser Westen ansässig. 3200 Zuschauerplätze gibt es an der Radrennbahn, 1903 führt das erste Mal eine Schlussetappe der Tour de France in den Prinzenpark. Zwei Jahre später wird dort zum ersten Mal ein Fußballspiel ausgetragen. In den Nachkriegsjahren tragen drei Vereine ihre Partien in der Arena aus. „Drei Jahrzehnte lang empfängt das Stadion drei Spiele pro Woche! Dazu noch Boxkämpfe, Eiskunstlauf und natürlich Radrennen“, notiert Riolo.
Ende der 60er-Jahre muss der Prinzenpark dem „Boulevard périphérique“ Platz machen, aber der Sport weicht nicht für immer: Das französische Pokalfinale 1972 ist das Eröffnungsspiel im neuen Stadion, das über den Boulevard gebaut worden ist. Unter ihm rauscht und staut sich noch heute der Verkehr auf der Ringstraße rund um Paris. Architekt Roger Taillibert hat sich ein Vetorecht für bauliche Veränderungen einräumen lassen. Für die Euro wurde die Arena nur aufgehübscht.
Im Liga-Alltag ist der Prinzenpark Heimat von Paris St. Germain. Schon 1970 hat es diese Zusammenarbeit aus Hauptstadt und Vorstadt gegeben, aber sie scheitert im Streit. PSG kehrt in den Amateurfußball zurück, der Profifußball wird nun beim FC Paris gespielt. Modeschöpfer Daniel Hechter haucht PSG mit Pioniergeist und Risikofreude neues Leben ein, der Klub schafft im Parforceritt den Sprung in die erste Liga, während der FC Paris langsam in der Versenkung verschwindet. 1982 feiert PSG mit dem Pokalsieg gegen Saint-Étienne den ersten Titel, ist aber noch weit entfernt vom Nimbus des französischen Spitzenklubs schlechthin. Das ändert sich ab 2010 mit Investoren aus Katar. Zuletzt hat PSG vier Saisons in Folge — seit 2015 mit dem Deutschen Kevin Trapp im Tor — die Meisterschaft gewonnen, zweimal in Serie den französischen Pokal.
Berüchtigt ist der Prinzenpark für seine Akustik. „Wenn ein neuer Spieler beim Einlaufen den Kopf in Richtung Tribünen hob, dann wusste ich, er wird es schaffen. Hielt er den Kopf gesenkt, war mir klar, er würde in Paris nicht weit kommen. Man muss Mut haben, um es mit diesem Stadion aufzunehmen“, zitiert Daniel Riolo den Portugiesen Pauleta, der es in 193 Einsätzen auf 93 Tore für den Klub brachte. Am Dienstagabend wird sich zeigen, ob die DFB-Elf dieses Stadion lieben oder fürchten lernt — der Prinzenpark hat seine eigene Magie.