EM An diesen Portugiesen muss Deutschland vorbeikommen

Budapest/München · Der eine „Bad Boy“, der andere „Nice Guy“: Deutschland steht unter Druck - und muss vor allem ein Duo Portugals bezwingen.

Gut gebrüllt Löwe: Portugals Abwehr-Urgestein Pepe (M) neben Ruben Dias (l).

Foto: dpa/Robert Michael

Das Aufwärmprogramm bestreitet die portugiesische Nationalmannschaft gerne in Kleingruppen. Immer drei oder vier Mann, die sich gemeinsam die Muskeln dehnen. Der eine fasst dabei den anderen an die Schulter. In dem als Trainingsstätte dienenden Illovszky-Rudolf-Stadion von Budapest war in den Tagen vor dem Deutschland-Duell gut zu besichtigen, wer sich da bei wem abstützt: Superstar, Strahlemann und Rekordjäger Cristiano Ronaldo natürlich bei seinem Kumpel Pepe, den er über viele, viele Jahre als verlässlichen Freund schätzt – und den er in der Seleção wohl nie missen möchte.

Ronaldo wurde auf der portugiesischen Atlantikinsel Madeira geboren, der aus dem brasilianischen Marceió stammende Pepe wuchs dort mit seinen ausgewanderten Eltern auf – so etwas verbindet. So einen langjährigen Bezugspunkt im Nationalteam hat Ruben Dias noch nicht, aber es muss kein schlechtes Zeichen sein, wenn bei den Ballübungen eben Ronaldo den ersten Pass auf ihn spielt. Der Kapitän weiß schon, wer das Gefüge des amtierenden Europameisters hinten zusammenhält: Pepe und Dias, Nummer drei und Nummer vier im Aufgebot, und vermutlich eines der drei, vier weltbesten Innenverteidiger-Gespanne auf Nationalmannschaftsebene.Pepe, 38 Jahre, 116 Länderspiele (sieben Tore), und Dias, 24 Jahre, 29 Länderspiele (zwei Tore) sind die stabilen Stützen. Verlässlich im Stellungsspiel, überragend in der Luft, kompromisslos im Zweikampf, sicher im Aufbau. Und doch stellen die beiden ein ungleiches Paar, dass gegen die DFB-Auswahl eine zentrale Zwei-Mann-Mauer bildet. Beide sind zwar fast gleich groß, Pepe 1,88 Meter, Dias 1,87, aber sie trennt noch viel mehr nur 14 Jahre Altersunterschied. Unterschiedlicher könnten ihr Werdegang, ihr Auftreten kaum sein.

Pepe, der mit bürgerlichem Namen Képler Laveran Lima Ferreira heißt, musste sich über Umwege vieles erst erkämpfen, hatte in Europa anfangs Heimweh nach den unbeschwerten Jugendzeiten in Brasilien, wo er am Strand Sonderschichten geschoben hatte. Pepe wollte zuerst zu Sporting Lissabon wechseln, wo auch Ronaldo groß wurde, doch kam der Deal nicht zustande. Über den FC Porto ging es zu Real Madrid, wo er sich immer wieder Aussetzer leistete, die sich wie Kaugummi durch die Karriere zogen. Er trat Lionel Messi schon 2012 auf die Hand und später noch vielen anderen Weltstars auf die Füße. Immer wieder brach Ronaldo eine Lanze für das vermeintliche Raubein: „Pepes mieser Ruf ist nicht gerechtfertigt. Er ist nicht schlecht, er ist immer loyal.“ Doch der Hang zum Bösewicht kam auch gegen die DFB-Auswahl schon zum Vorschein, als Pepe die Portugiesen bei der 0:4-Pleite zum WM-Auftakt 2014 mit seinem Platzvereis schwächte – nach einer Tätlichkeit gegen Thomas Müller.

Seit zwei Jahren spielt Pepe wieder für Porto, und viele sagen: Seit seine beiden Töchter auf der Welt sind, die er nach dem EM-Triumph 2016 durchs Stade de France trug, sei er besonnener geworden. Ob aus dem Rüpel noch ein Vorbild wird?

Dias neigt zum „Nice Guy“

Sein Nebenmann am Samstag in München gilt im Vergleich fast als Saubermann. Wenn Pepe den Hang zum „Bad Boy“ hat, neigt Dias allein mit seiner Erscheinung eher zum „Nice Guy“. Er kommt aus Amadora, eine Vorstadt von Lissabon. Fußballerische Bilderbuchausbildung bei Benfica, geformt in der eigenen Jugendakademie. Erst im Herbst 2020 wechselte der Abwehrkönner für stolze 68 Millionen Euro zu Manchester City, und Pep Guardiola weiß inzwischen, dass das Geld für diesen Defensivmann bestens angelegt war. Man hätte Dias nicht kürzlich zum besten Spieler der Premier League gewählt, wenn er sich grobschlächtig durch die Saison getackelt hätte.

Von seiner Spielweise als Stilist profitiert auch Portugals Nationalelf. „Ich habe mich Schritt für Schritt verbessern können. Die Premier League ist eine gute Schule, um auf das höchste Level zu gelangen“, bestätigte Dias am Freitag auf der Pressekonferenz aus München. Allein seine Anwesenheit bei diesem Pflichttermin verdeutlichte den gestiegenen Stellenwert. „Wir spielen gegen eine der besten Mannschaften der Welt“, sagte der Musterschüler noch und fügte artig an: „Wir müssen noch besser auftreten als im ersten Spiel, um zu gewinnen.“

Zum Auftakt gegen Ungarn (3:0) agierte auch er nicht fehlerlos, sah früh die Gelbe Karte – und hätte sich später nach einem Wischer mit dem Arm nicht mal über Gelb-Rot beklagen können. Vom Verteidigungsstil seines Kollegen Pepe kann er sich eigentlich nicht zu viel abgeschaut haben: Im Training hielten ihre beiden Gruppen fast schon Sicherheitsabstand voneinander.