EM-Hürdenlauf stärkt Italiens Ego

Kiew (dpa) - Egoistische Clubs, Wettskandal, Erdbeben, Schwulen-Affäre, Balotelli-Ausraster und Verletzungsmisere - Italien blieb cool. „Wir sind Schwierigkeiten gewöhnt“, sagte Kapitän Gianluigi Buffon lässig.

Bereits mit dem Erreichen des Viertelfinales gegen England ist die Squadra Azzurra nach dem WM-Debakel von 2010 wieder mit sich im Reinen. Und das grenzt beinahe an ein Wunder. Schließlich wurden ihr und Trainer Caesare Prandelli nur Knüppel zwischen die Beine geworfen.

Den ersten warf Serie A-Präsident Maurizio Beretta schon im Frühjahr. Als Prandelli die Vereine um ein kurzes Trainingslager bat, ließ die Liga ihn abblitzen und sich erst nach langem Betteln zu drei Tagen im April breitschlagen. Prandelli machte gute Miene zum bösen Spiel.

Der Kurzlehrgang fiel dann wegen des Herztodes des Fußballers Piermario Morosini während eines Zweitligaspiels aus. Statt des Trainingslagers gab es einen Nachholspieltag. Selbstverständlich zeigte Prandelli wieder Verständnis.

Kaum hatte er seine Jungs nach Saisonschluss beisammen, ließ Cremonas Staatsanwaltschaft im Trainingszentrum Coverciano das Zimmer von Domenico Criscito durchsuchen. Gegen ihn wird wegen Wettmanipulationen ermittelt. Notgedrungen musterte Prandelli seinen Stamm-Verteidiger aus.

Um Haaresbreite hätte er wegen des Wettskandals mit Leonardo Bonucci noch einen Stamm-Verteidiger verloren. Auch gegen den Juve-Star wird ermittelt. Noch aber bekam er keinen Ermittlungsbescheid. Glück gehabt, sonst hätte sich die Abwehr ganz aufgelöst, nachdem Andrea Barzagli mit einer Wadenzerrung ausfiel.

Kurz vor der Abreise fanden Steuerfahnder in einem Wettbüro in Parma Überweisungsbelege von Torwart Buffon in Höhe von 1,5 Millionen Euro. Plötzlich war auch der Kapitän in den Wettskandal hineingezogen. Die Presse spekulierte wild, da platzte selbst Prandelli der Kragen: „Wir müssen nicht zur EM fahren“, sagte der Coach und sorgte damit im Land des viermaligen Weltmeisters für einen Aufschrei.

Als die Italiener dann doch zur EM flogen hatten sie eine bittere 0:3-Testspielpleite gegen Russland im Gepäck. Das zum Selbstvertrauentanken gedachte Testspiel zuvor gegen Luxemburg in Parma war wegen der Erdbeben in der Emilia Romagna abgesagt worden. Prandelli wirkte wie vom Pech verfolgt, bis er endlich mit seinem Team im EM-Quartier vor den Toren Krakaus ankam. Ein ruhiges Plätzchen auf dem Land, abgeschieden und friedlich.

Friedlich, bis Mario Balotelli mit seiner Disziplinlosigkeit gegen Spanien (1:1) und Kroatien (1:1) für Ärger sorgte. Im zweiten Spiel nahm ihn Prandelli vom Platz, weil der 21-Jährige 15 Minuten lang seine Anweisungen missachtet hatte. Kaum hatte er Balotelli wieder eingenordet, bescherte der homosexuelle Fernsehmoderator Alessandro Cecchi Paone mit Enthüllungen über angeblich schwule Nationalspieler die nächste Affäre.

Antonio Cassano fiel auf die PR-Aktion des Buchautors rein und erklärt im Casa Azzurri: „Ich hoffe, dass keine Schwulen in der Mannschaft sind!“. Der Skandal war auch durch seine Entschuldigung nicht mehr aufzuhalten. Erst mit dem 2:0-Sieg gegen Irland kehrte Ruhe ein - bis Mario Balotelli mit einem Wutausbruch Richtung Prandelli für neuen Wirbel sorgte.