Ernüchterung bei Gastgeber Polen - „Es war saudumm“
Warschau (dpa) - In den zahllosen Fan-Zonen des Landes wurde es merklich ruhiger, auf den Rängen des Nationalstadions schwand die Euphorie. Nach dem 1:1 (1:0) im Eröffnungsspiel gegen Griechenland machte sich beim Gastgeber erste Ernüchterung breit.
„Es sah so aus, als hätten wir den Sieg in der Tasche. Und dann kam der Horror“, kommentierte die Tageszeitung „Fakt“ die emotionale Achterbahnfahrt der Polen. Mit ähnlich deutlichen Worten trauerte der Mainzer Bundesliga-Profi Eugen Polanski der vergebenen Chance auf einen Traumstart in das Turnier vor heimischer Kulisse nach: „Es war saudumm, wie wir den Vorteil verspielt haben.“
Die große Erwartungshaltung erwies sich als zu schwere Last. Selbst die frühe Führung durch den Dortmunder Robert Lewandowski (17. Minute) und der umstrittene Platzverweis für den Griechen Sokratis (Bremen/44.) sorgten nicht für Sicherheit. Mit dem Ausgleich von Dimitrios Salpingidis (51.) ging die Dominanz verloren. Mut- und ideenlos ergaben sich die Polen in ihr Schicksal. Den Leistungseinbruch seines Teams führte Trainer Franciszek Smuda weniger auf körperliche als vielmehr auf mentale Schwächen zurück: „Man konnte sehen, dass meine Spieler von dem Druck gelähmt waren.“
Wieder einmal machte dem Team, das in den vergangenen beiden Jahren als bereits qualifizierter Gastgeber kein Pflichtspiel bestreiten musste, der Ernstfall mächtig zu schaffen. Wie schon die Ausrichter Portugal (2004) und Schweiz (2008) blieb auch Polen im EM-Eröffnungsspiel ohne Sieg. Doch nach dem wenig verheißungsvollen Auftakt sprachen sich alle Beteiligten Mut zu. „Auf jeden Fall sind wir jetzt eine Erfahrung reicher und werden in den kommenden beiden Begegnungen 90 Minuten lang so spielen wie in der ersten Halbzeit gegen Griechenland“, versprach Torschütze Lewandowski. Trainer Smuda argumentierte ähnlich: „Das 1:1 ist nicht das Ende der Welt.“
Immerhin blieb dem Team um das starke Dortmunder Meistertrio Lewandowski, Jakub Blaszczykowski und Lukasz Piszczek eine empfindliche Schlappe erspart. Der für den vom Platz gestellten Stammkeeper Wojciech Szczesny eingewechselte Przemyslaw Tyton (70.) parierte den Elfmeter des griechischen Kapitäns Georgios Karagounis. Mittelfeldspieler Polanski empfand Dankbarkeit: „Als Karagounis zum Strafstoß antrat, konnte ich nur noch beten. Zum Glück war Gott auf unserer Seite.“
Anders als die Polen werteten die Griechen das Remis als Erfolg. Der Frust über den Platzverweis für Sokratis schien die Profis von Trainer Fernando Santos mehr zu inspirieren als zu lähmen. Nervenstark schlugen sie zurück und machten ihrem Ruf als unbequemer Gegner alle Ehre. „Mit einem epischen Spiel haben sie fast das Ganze umgedreht. Eine völlig andere Mannschaft in der zweiten Hälfte“, titelte „Goalnews“. „Kathimerini“ schrieb von einem ermutigenden Signal: „Dieses Unentschieden ist Hoffnung für die nächste Runde.“
Allerdings gehen die Griechen geschwächt in das Spiel der Gruppe A am Dienstag gegen Tschechien. Denn für Avraam Papadopoulos ist die EM wegen einer schweren Knieverletzung vorzeitig beendet. Der Innenverteidiger von Olympiakos Piräus hat sich das vordere Kreuzband im linken Knie gerissen und das Außenband gezerrt. Der 27 Jahre alte Profi, der nach 37 Minuten durch seinen Namensvetter Kyriakos Papadopoulos vom Bundesligisten Schalke 04 ersetzt worden war, flog zur weiteren Behandlung nach Hause.