Fluch, Revanche, EM-Finale: Große Motivation Italien

Danzig (dpa) - Die Zeit ist reif. Angstgegner Italien hat im Lager der deutschen Fußball-Nationalmannschaft große Emotionen und eine ganz besondere Motivation ausgelöst.

Mit einem Erfolg gegen die Azzurri am Donnerstag in Warschau würde das DFB-Team nicht nur zum siebten Mal den Einzug in ein EM-Endspiel perfekt machen. Die noch ungekrönte Generation um Schweinsteiger, Podolski, Lahm und Klose kann auch endlich den Italien-Fluch bei einem großen Turnier auslöschen und Revanche nehmen für den bitteren Halbfinal-K.o. beim WM-Sommermärchen 2006. „Natürlich hat man das noch im Kopf“, erklärte Kapitän Philipp Lahm als einer der damals Geschlagenen.

Lange aufhalten will sich die Sportliche Leitung um den mutigen und weltweit bestaunten Joachim Löw mit der Erinnerung und der Negativserie aber nicht. Noch nie hat Deutschland bei einer Welt- oder Europameisterschaft gegen die Squadra Azzurra gewonnen. „Was in der Vergangenheit war, das zählt nicht für uns“, betonte Spielmacher Mesut Özil, der 2006 das WM-Aus noch als 17-jähriger Fan von Ballack, Lehmann, Schneider & Co. miterlebt hatte. „Jetzt ist eine völlig andere Situation. Wir wollen diesmal eine andere Geschichte schreiben“, ergänzte Löws Assistent Andreas Köpke kämpferisch.

Löw, Köpke und Hansi Flick hatten sich am Sonntagabend im DFB-Quartier in Danzig ins Trainerzimmer zurückgezogen, um dort in Ruhe den Viertelfinalerfolg der Italiener gegen England im Fernsehen anzuschauen. „Die Analyse beginnt jetzt“, berichtete Torwartcoach Köpke. Von den Ergebnissen wird auch die Italien-Aufstellung mit abhängen, die nach den Überraschungs-Umstellungen gegen die Griechen schon zwei Tage vor dem Aufbruch nach Warschau heiß diskutiert wurde.

„Wir werden gewappnet sein“, unterstrich Köpke. Den Italienern, Erfinder des zerstörerischen Catenaccio, bescheinigte der Europameister von 1996 einen Stilwechsel: „Sie spielen schon offensiver. Italien spielt nicht mehr so defensiv wie früher.“

Der Münchner Lahm, der vor sechs Jahren beim verlorenen WM-Halbfinale wie Miroslav Klose, Lukas Podolski, Per Mertesacker und Bastian Schweinsteiger mit auf dem Dortmunder Rasen gekämpft hatte, sieht den Vorteil in der kontinuierlichen Entwicklung des DFB-Teams seit 2006: „Da waren wir noch nicht so weit wie jetzt.“

Für die aktuellen Titelaspiranten war am Montag wieder Schluss mit Strandkorb und Stadtbummel. Nach einem Kurzurlaub setzte Löw in der Vorbereitung auf den Halbfinal-Knüller das erste Teamtraining an. Und auch intern rätseln alle bereits, welche Überraschung Magier Löw gegen Italien aus dem Ärmel zieht. „Der Ehrgeiz ist groß. Wir sind eine starke Mannschaft, wir sind auf jeder Position doppelt besetzt, das zeichnet uns aus“, beschrieb Routinier Klose den voll entfachten Wettstreit um die Plätze in der Startelf.

Klose oder Gomez, Podolski oder Schürrle, Müller oder Reus - oder vielleicht etwas ganz anderes? Für den selbstbewussten Löw lautet das Motto auch vor dem Halbfinale gegen den viermaligen Weltmeister Italien: „Unberechenbar bleiben.“ Trotz des bisherigen Durchmarsches der jüngsten Turniermannschaft mit vier Siegen kann sich nur die inzwischen eingespielte Abwehr und die Mittelfeldzentrale um den immer souveräner agierenden Sami Khedira sicher sein, von Löw nicht durcheinandergewirbelt zu werden.

„Es ist eine schöne Situation für den Trainer, dass er bringen kann, wen er will und es funktioniert“, sagte Mario Gomez, der als dreifacher Turnierschütze natürlich wieder statt Klose stürmen möchte. „In den ersten drei Spielen hatten die Spieler, die draußen waren, nicht so viel zu lachen. Gegen Griechenland waren andere Spieler draußen auf der Bank. Mal sehen, wer im Halbfinale spielt.“

Der unumstrittene Özil wollte sich nicht auf eine Prognose einlassen, wie viele richtige Spieler er derzeit für eine Italien-Elf tippen würde. „Wichtig ist, dass der Trainer weiß, was er tut. Man sieht, dass er alles richtig macht“, meinte der 23 Jahre alte Star von Real Madrid.

Das goldene Händchen des Bundestrainers hat das ohnehin große Selbstbewusstsein seines Personals weiter anwachsen lassen. „Die anderen Nationen haben viel Respekt vor uns. Unser Ziel ist es, den EM-Titel nach Deutschland zu holen. Dafür sind wir hier“, verkündete Özil - es klang beinahe wie eine Selbstverständlichkeit.

Der Spielmacher und seine Kollegen erhoffen sich für das Halbfinale auch aus der zwei Tage längeren Vorbereitungszeit gegenüber den Italienern einen womöglich entscheidenden Vorteil. „Wir haben genug Pause. Natürlich tut es uns gut, dass die Spiele nicht schon nach zwei, drei Tagen waren“, meinte Özil.

Auch Sorgenkind Schweinsteiger meldete sich mit optimistischen Tönen zurück. „Ich fühle mich fit, um in der Startformation spielen zu können. Ich bin sehr heiß darauf“, erklärte der von einer Knöchelblessur geplagte Vizekapitän im ARD-Hörfunk: „Ich weiß, wie ich mit dieser Situation umgehen kann.“ Am Montagabend war Schweinsteiger beim Teamtraining dabei. Die Trainer gehen davon aus, dass der Münchner „auflaufen kann“, wie Köpke berichtete. „Natürlich brauchen wir Schweinsteiger“, unterstrich Teamkollege Özil.