Isländischer Hype: „Unser aller Leben würde sich ändern“

Nizza (dpa) - Ihre ganze Nation haben die Isländer in den vergangenen Wochen schon in blanke Fußball-Hysterie versetzt - und nun wartet im EM-Achtelfinale gegen England auch noch ein Sehnsuchtsspiel.

Foto: dpa

„Wenn wir England schlagen, würde sich unser aller Leben ändern“, sagte Trainer Heimir Hallgrimsson in Nizza einen Tag vor dem Duell mit dem vermeintlich übermächtigen Kontrahenten.

Nie zuvor hat ein sportliches Event die Einwohner der kleinen Insel so fasziniert wie diese EM. Selbst die Präsidentenwahl am Samstag stand im Zeichen des anstehenden Spiels, Abertausende hatten sich da längst auf den Weg in den Südosten Frankreichs gemacht. „Die Spieler sind jetzt schon Gewinner und haben viele Herzen erobert. Mit einem Sieg würde die Welt des Fußballs in Island anders aussehen. Du musst bereit sein, wenn die Chance sich dir bietet“, sagte Hallgrimsson.

Die Reiseveranstalter kommen längst nicht mehr hinterher, Anfragen für Nizza-Trips zu beantworten. Die heimischen TV-Einschaltquoten erreichen bei EM-Spielen des eigenen Nationalteams schwindelerregende Höhen jenseits der 99 Prozent. „Wir können an diesem Tag eigentlich nichts falsch machen“, sagte Hallgrimsson, der die Isländer als gleichberechtigter Trainer mit dem erfahrenen Schweden Lars Lagerbäck trainiert und das Projekt nach der EM in Alleinregie weiterführen wird. Gylfi Sirgurdsson sprach von einem „sehr wichtigen Spiel für die Mannschaft und das Land“ und betonte: „Das ist ein fantastisches Duell, von dem ich geträumt habe, seit ich ein Kind bin.“

Tatsächlich ist Islands Weg bis in die K.o.-Runde allein schon eine Erfolgsgeschichte für sich. Zwei Remis, ein Sieg - selbst Optimisten hätten diesem spielerisch eigentlich schwach besetzten Team eine solche Vorrundenausbeute nicht zugetraut. „Der Traum ist längst Wirklichkeit geworden“, titelte Islands größte Tageszeitung „Frettabladid“ vor dem Spiel am Montag (21.00 Uhr/ARD). „Das Abenteuer der Mannschaft geht immer weiter - und es gibt etliche Gründe, Vertrauen zu haben in die Jungs.“

Nur 330 000 Einwohner zählt Island. Nur ein Stammspieler ist in einer der vier großen europäischen Ligen aktiv. Kapitän Aron Gunnarsson spielt nur in Englands 2. Liga. Und dennoch diese Erfolge. „Es ist eine ganz besondere Reise mit Island. Wie wir uns in den vergangenen Jahren entwickelt haben, ist atemberaubend“, sagte Lagerbäck, der nach der EM überlegt, in Trainer-Rente zu gehen.

Zuvor hat er eine Glückssträhne zu verteidigen. „Als ich noch Nationaltrainer Schwedens war, habe ich fünf-, sechsmal gegen England gespielt - und nie verloren“, berichtete der 67-Jährige.