Italien nach Zittern bereit für „neue“ EM
Posen (dpa) - Nach dem erlösenden Einzug ins Viertelfinale bevorzugten Italiens Kicker die leisen Töne - nur Plappermaul Antonio Cassano machte keinen Hehl aus dem neuen Selbstbewusstsein der Azzurri.
„Jetzt kann jeder kommen. Wir haben vor niemandem Angst“, tönte der Milan-Angreifer nach dem 2:0-Zittererfolg im letzten Vorrundenspiel gegen Giovanni Trapattonis Irland. „Wir können mit jedem Gegner mithalten“, bestätigte der erleichterte Trainer Cesare Prandelli im Casa Azzurri.
20 Millionen Italiener hatten das Spiel im Fernsehen verfolgt. „Das freut mich, weil es zeigt, dass die Italiener diese Mannschaft lieben“, meinte Prandelli in Krakau. In der Heimat scheinen auch die Medien von der wiedergewonnenen Stärke der Mannschaft überzeugt. Der „Corriere dello Sport“ titelte: „Das ist das Italien, das wir lieben!“
Dabei hatte die Squadra Azzurra am Montagabend in Posen nicht nur 90 Minuten plus Nachspielzeit zu überstehen. Erst als das entscheidende 1:0 der Spanier im zeitgleichen Spiel gegen Kroatien feststand, konnten Cassano und Co. jubeln. „Wir hatten alle ein bisschen Angst“, gab Routinier Andrea Pirlo zu.
Fünf Punkte aus drei Spielen bescherten dem viermaligen Weltmeister den zweiten Tabellenplatz in der Gruppe C hinter Spanien. Das Viertelfinale am Sonntag gegen England soll aber noch nicht Endstation sein, denn Italien ist Turnierspezialist. Nach schwachem Beginn wussten sich die Azzurri in der Vergangenheit immer wieder phänomenal zu steigern - siehe die Weltmeisterschaften 1982 und 1994.
„Solche Spiele schenken einem immer diese besonderen Emotionen“, erzählte Gianluigi Buffon nach dem Sieg über die aufopferungsvoll kämpfenden Iren. Der Erfolg war zwar hochverdient, nach der Führung durch Cassano (35.) aber lange nicht gesichert. Erst Joker Mario Balotelli (90.) sorgte für Gewissheit.
Wild gejubelt wurde nach dem Schlusspfiff trotzdem zunächst nicht, weil ein mögliches Remis im parallelen Spiel noch das dramatische Aus bedeutet hätte. Erst als der glückliche Erfolg von Weltmeister Spanien gegen Kroatien feststand, durften sich die erleichterten Profis von den Tifosi feiern lassen.
„Vielleicht hatten wir es nur nötig, Selbstvertrauen zu gewinnen“, meinte Prandelli und lobte vor allem die moralische Stärke seiner Spieler: „Die Qualität kommt eh' immer zum Vorschein, aber wenn du nicht dein Herz rein steckst, tust du dich einfach schwer.“ Einzig die Muskelverletzung von Abwehrroutinier Giorgio Chiellini, der länger ausfallen könnte, trübte die Euphorie.
Nach dem starken 1:1 gegen Spanien und dem enttäuschenden 1:1 gegen Kroatien war die Partie gegen die Iren vor allem eine Charakterfrage. „Es war wichtig, uns selbst ein Signal zu geben“, meinte der Trainer, der das „nervenaufreibendste Match“ seines Lebens erlebt hatte. „Das sind typisch wir“, erklärte Keeper Buffon. „Gegen die Besten der Welt spielen wir auf Augenhöhe, gegen die vermeintlich Schwachen tun wir uns schwer.“
Vor allem weil nach Antonio Di Natale nun auch die Sturmkollegen getroffen haben, könnte das Spiel entscheidend sein für größere Harmonie im Team. Der exzentrische Balotelli, der trotz seines Tores mit riesigen Kopfhörern schweigend an den neugierigen Journalisten vorbeilief, wurde etwa für seine Reservistenrolle entschädigt. Von Trainer Prandelli bekam er für „seine besten 20 Minuten bei dieser EM“ Lob. Er forderte aber auch: „Balotelli muss lernen, mit Kritik, den Erwartungen der Mannschaft an ihn und der Ersatzbank klarzukommen.“
Die sympathischen Außenseiter aus Irland mussten nach drei Pleiten und nur einem geschossenen Tor mit samt ihren stimmgewaltigen Anhängern chancenlos die Heimreise antreten. „Ich bin erschüttert“, resümierte Verteidiger Richard Dunne. „Wir haben so lange auf dieses Turnier warten müssen - das ist ein Desaster!“