Löw muss umplanen: Hummels und Reus verletzt
Ascona (dpa) - Traumwetter am Lago Maggiore und ideale Bedingungen - doch der Start des EM-Trainings trübt die Stimmung bei Joachim Löw gewaltig. Abwehrchef Mats Hummels fällt erst einmal für unbestimmte Zeit aus.
Offensivspieler Marco Reus muss wegen Adduktorenproblemen pausieren. Und bei Bastian Schweinsteiger ist weiter nicht absehbar, wann der Kapitän ins Teamtraining einsteigen und voll belastet werden kann. „Im Moment ist das alles noch ein bisschen schwieriger“, sagte ein äußerst konzentriert wirkender Bundestrainer am Mittwoch bei der ersten Pressekonferenz des DFB-Teams in Ascona.
Gleich zu Beginn der so wichtigen Vorbereitung auf das EM-Turnier musste Löw seine ursprünglichen Pläne korrigieren. „Die wichtigste Aufgabe wird sein, dass wir die unterschiedlichen Gruppen so trainieren, dass wir sie bis Anfang nächster Woche möglichst auf ein gleiches Niveau zu bringen“, verkündete der Weltmeistercoach das neu definierte Ziel. Der Neu-Münchner Hummels hat sich beim DFB-Pokalsieg des FC Bayern gegen Borussia Dortmund einen Muskelfaserriss in der Wade zugezogen.
Löw äußerte sich vorsichtig zur Pause des 27 Jahre alten Hummels. „Da halte ich mich im Moment bedeckt.“ Derzeit seien nur „intensive Behandlungen“ möglich. Allerdings schloss Löw an: „Für das Turnier sehe ich keine Gefahr.“ Das trifft auch auf Reus zu, der „noch ein, zwei, drei Tage brauchen“ werde, um auf den extra neu angelegten Fußballsplätzen im Stadio Comunale di Ascona zu trainieren.
Dass Löw die Zeit bis zum kommenden Dienstag auch nutzen muss, um seinen 27-köpfigen EM-Kader um vier Feldspieler zu reduzieren, gerät in den Hintergrund. „Ich muss diese Woche nutzen, um mir noch ein Bild zu machen“, sagte er 18 Tage vor dem ersten Turnierspiel am 12. Juni in Lille gegen die Ukraine. Zunächst hat der Bundestrainer die 25 nach Ascona mitgereisten Spieler in vier Gruppen unterteilt, die unterschiedlich belastet werden sollen. Toni Kroos und Lukas Podolski kommen später, sie bestreiten noch Endspiele mit ihren Vereinen.
16 Feldspieler der Gruppe eins absolvierten am Mittwochvormittag eine Einheit auf dem Platz, darunter auch Mario Götze. Elf Tage nach seinem Rippenbruch war der Bayern-Profi wieder am Ball. Dass sich der 23-Jährige zu einem vierten Jahr bei Bayern München bekannt und damit vor der EM die Spekulationen um seine Zukunft vorerst eingedämmt hat, findet der Bundestrainer „absolut okay“.
Sami Khedira absolvierte nach seiner mehrwöchigen Wettkampfpause bei Juventus Turin wegen einer Wadenblessur ein individuelles Training mit dem Ball auf dem Nebenplatz. Er soll am Donnerstag mit der Mannschaft trainieren. Als einziger Torwart war der Leverkusener Bernd Leno zum Trainingsstart dabei. Neben Hummels und Reus blieben auch die Torhüter Manuel Neuer und Marc-André ter Stegen sowie Mesut Özil zur Regeneration im Teamhotel. Pokalsieger Thomas Müller drehte bei strahlendem Sonnenschein in Laufschuhen ein paar Runden.
Beim Testspiel gegen die Slowakei will Löw „kein Risiko“ eingehen. Wahrscheinlich wird er nur mit 18 Feldspielern und zwei Torhütern nach Augsburg reisen. Den Länderspielneulingen Leno, Julian Brandt (beide Leverkusen), Joshua Kimmich (FC Bayern) und Julian Weigl (Dortmund) stellte der Bundestrainer ihr Debüt in Aussicht.
Die angeschlagenen und müden Spieler sollen in der Schweiz bleiben und ihr Regenerations- und Aufbauprogramm fortsetzen. Auch der noch verletzte Schweinsteiger werde „noch einige Tage brauchen, bis er an den Ball kann“, berichtete der Cheftrainer: „Man muss einfach die nächsten Tage abwarten. Jetzt gebe ich ihm diese Zeit bis Freitag, Samstag. Dann wird man mit ihm sprechen.“
Schweinsteiger selbst sieht sich in seinem persönlichen Wettrennen mit der Zeit „völlig im Plan“. Der 31 Jahre alte Mittelfeldspieler von Manchester United setzt nach zwei Knieverletzungen auf die Erfahrungen, die er beispielsweise schon vor der WM 2014 gemacht hat. Da hatte er auch nach langer Verletzungspause noch rechtzeitig den Anschluss geschafft und wurde im gewonnenen Finale gegen Argentinien zum Helden der Nation. „Für mich gibt es das Wort Aufgeben nicht“, sagte der 114-malige Nationalspieler kämpferisch.
Trotz der zusätzlichen Sorgen und einigen Ungewissheiten sieht Löw seine Titelmission in Frankreich nicht gefährdet. „Bis zum 31. Mai muss ich schauen und mit der medizinischen Abteilung abwägen: Wer schafft es? Wann kann ich ihn einplanen? Ich mache mir keine Sorgen. Wenn ein Spieler ausfallen würde, gibt es einen anderen“, sagte der 56-Jährige überraschend hart. „Ich will nicht anfangen zu jammern, das ist dann so.“ Schon am Donnerstagabend im Testspiel gegen die U20-Junioren des DFB, die extra mit nach Ascona gereist sind, können die aktuell einsatzbereiten EM-Kandidaten ihre Qualitäten beweisen.